Best of Indie Februar 2016

Der Januar war dem Vorausblick gewidmet, darum ist das erste “Best of Indie” des Jahres besonders fett ausgefallen. Es gab aber auch schon einigen Grund zur Begeisterung in diesem jungen Jahr: Mit “That Dragon, Cancer” ist ein emotional beeindruckendes Games-Experiment erschienen, das düstere “Darkest Dungeon” hat ebenso seine Early-Access-Phase verlassen wie das gruselige “Layers of Fear”, das schöne “Unravel” beweist, dass sich auch große Publisher wie Electronic Arts mit unabhängig entwickelten Spielen schmücken wollen und “Bug Butcher” liefert Arcade-Kost aus Österreich.

Auch abgesehen davon waren die ersten beiden Monate außergewöhnlich dicht, was Indie-Perlen angeht; im Folgenden deshalb ein X-Large-Überblick der Highlights, die Freunde des Indie-Spiels nicht verpasst haben sollten.

Oxenfree (Windows, Mac, XBox One, 19,99 Euro, PS4 in Vorbereitung)

Teenager nachts allein auf der Gespensterinsel - zum Glück ist die Ausgangssituation so ziemlich das einzige Klischee im stimmigen Neo-Adventure, das ich bereits in einem Review näher beleuchtet habe.

Dank spannender, hintergründiger Handlung, stylischer Grafik und atmosphärischer Soundkulisse ist das Mystery-Drama ehemaliger Telltale-Entwickler ein Lichtblick für Adventure-Freunde und ein Lehrstück in Sachen lebendige Dialoge.

The Witness (Windows, PS4, 36,99 Euro)

Auch Jonathan Blows Rätsel-Monster “The Witness” hat sich Robert bereits näher angesehen - Fazit: Die lange Entwicklungszeit von sieben Jahren hat sich gelohnt, auch wenn ein gar bisschen viel Naturwissenschafter-Pathos mitschwingt.

Herausfordernde Rätsel, eine geheimnisvolle, atmosphärische Insel und die perfekte Mischung aus Überforderung und Aha-Effekten sorgt für stunden-, ach was, tage- und wochenlanges Grübeln und Kopfzerbrechen. Eine Herausforderung und meditatives Erlebnis zugleich.

Cryptark (Early Access für Windows, Mac, Linux 12,99 Euro; PS4 in Vorbereitung)

Ebenso bunt, aber weitaus handfester geht’s in “Cryptark” zur Sache: Die Mischung aus Twin-Stick-Shooter und Rogue-like-like der kanadischen Entwickler Alientrap Games - bekannt für das wunderschöne “Apotheon” - liefert auch schon in der Vorabversion hektische Feuergefechte auf immer neu generierten verlassenen Raumschiffen.

Dank stylischem 2D-Grafikstil, herausfordernden Aufgaben und abwechslungsreicher Ausrüstungsoptionen motiviert “Cryptark” zu immer neuen adrenalintreibenden Einsätzen unter Zeitdruck. Ein Synapsenfeuerwerk.

DarkMaus (Windows 9,99 Euro)

Das “Dark” im Namen ist der wenig subtile Hinweis auf das große Vorbild im Geiste: Als heroische Maus durchleiden Spielerinnen und Spieler ein Action-Rollenspiel ganz in der Tradition der “Dark Souls”-Reihe. Und trotz Nagetier-Protagonisten und des reduzierten, aber höchst stimmungsvollen Grafikstils ist “DarkMaus” tatsächlich ein ausgewachsenes “Souls-Like”, das entscheidende Spielmechaniken des Kult-Vorbilds bewundernswert in ganz eigene Interpretation übersetzt.

Das heißt (natürlich) auch, dass der Tod ständiger Begleiter ist. Ein Geheimtipp für jene, die während der Wartezeit auf “Dark Souls 3” nach ihrer täglichen Bestrafung suchen.

The Deadly Tower of Monsters (Windows, PS4 14,99 Euro)

Die chilenischen Entwicklerbrüder ACE Team sind immer für Seltsamkeiten mit Herz gut, und auch “The Deadly Tower of Monsters” enttäuscht in dieser Hinsicht nicht: Das witzig-abwechslungsreiche Action-Adventure ist eine Hommage an die goldene Ära des Hollywood-C-Movies und versammelt Horror-, SF- und Monsterfilmklischees samt deren bekannter Ästhetik - das ruckelige Animationsstottern riesiger Monster inklusive.

Hauptattraktion ist aber auf jeden Fall der das Spielgeschehen unterlegende Kommentar des fiktiven Regisseurs aus dem Off, der - so die Fiktion des Spiels - hier Jahrzehnte später sein Trash-Meisterwerk anekdoten- und pointenreich erläutert. Sehr, sehr lustig.

Californium (Windows, Mac 9,99 Euro)

Nicht nur das umfangreiche Werk, auch das Leben des genialen Science-Fiction-Kultautors Philip K. Dick ist faszinierender Stoff für ein Spiel. Der breiten Kreisen als Autor der Vorlagen von “Blade Runner” oder “Minority Report” bekannte Schriftsteller bewohnte ein Universum aus Popkultur, Drogen und Paranoia, dem in “Californium” ein Denkmal gesetzt wird.

Halb Adventure, halb psychedelischer Walking-Simulator, beeindruckt das umwerfend designte Einzelstück durch Atmosphäre, Stil und verunsichernde Handlung. Das von arte produzierte Spiel ist entweder als Ganzes käuflich erwerblich oder aber in Episodenhäppchen kostenlos auf der arte-Webseite zu beziehen. Merke: Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass niemand hinter dir her ist.

Superhot (Windows, Mac, Linux 22,99 Euro, XBox One in Vorbereitung)

Auch im einzigartigen Shooter “Superhot” ist die Realität nicht das, was sie scheint. Neben der cleveren Rahmenhandlung begeistert aber vor allem die, man glaubt es kaum, wirklich völlig originelle Spielmechanik, in der die Zeit nur bei Bewegungen des Spielers voranschreitet.

Dank minimalistischem, aber überaus gelungenem Grafikstil, kniffligem Gameplay zwischen Puzzle und Shooter und ambitionierter Story lässt sich die relative Kürze und ein leichtes Schwächeln in den späteren Spielabschnitten leicht verkraften.

Cobalt (Windows, Xbox One, Xbox 360 19,99 Euro)

Wenn Mojang, das Studio hinter “Minecraft”, seine schützende Hand über ein Jump’n’Run-Action-Adventure hält, darf man Besonderes erwarten, und so ist es auch: “Cobalt” mag auf den ersten Blick äußerlich nicht viel hermachen, doch in Sachen Gameplay spielt es in derselben Liga wie die Klassiker seines Genres.

Was zu Beginn nach komplizierten Eigenheiten in Sachen UI und Steuerung aussieht, entwickelt sich mit Erklimmen der Lernkurve zum mehr als nur charmant-soliden Sidescroller mit erstaunlicher Tiefe. Tipp: Auch unter Windows unbedingt mit Controller spielen.

Firewatch (Windows, Mac, Linux, PS4 19,99 Euro)

Für fm4 habe ich das bildschöne, spannende und berührende Abenteuer in der Wildnis der Rocky Mountains ausführlich besprochen und für toll befunden. Wie in “Oxenfree” - siehe oben - haben auch hier ehemalige Entwickler von Telltale Games ihre Finger im Spiel - und dank toller Verkaufszahlen ist schon jetzt ein Weiterexperimentieren zumindest für Entwickler Campo Santo gesichert.

Atmosphärisch, angenehm erwachsen und rundum hervorragend gestaltet, ist “Firewatch” eines der ersten absoluten Pflichtspiele des Jahres.

The Solus Project (Early Access Windows, XBox One 14,99 Euro)

Allein gestrandet auf einem fremden Planeten - wer kennt das nicht. “The Solus Project” sieht allerdings nur auf den ersten Blick aus wie eine der überall aus dem Boden sprießenden Survival-Sandkisten, denn auch wenn Spielerinnen und Spieler hier sammeln, craften und eine feindliche Umwelt erforschen, ist dieses SF-Drama doch eher etwas wie ein waschechtes Adventure mit knackigen Survival- und Simulationselementen.

Der fremde Planet, auf dem man sich zur Abwechslung ohne großes Tutorial-Händchenhalten orientieren muss, ist atemberaubend schön und - potzblitz - zur Abwechslung nicht von Algorithmen, sondern Künstlerhand gestaltet, die Welt birgt einige Geheimnisse und macht die Expedition zum spannenden, aber - Early Access - noch relativ kurzen Erlebnis. Trotzdem schon jetzt eine SF-Erfahrung für all jene, denen das Warten auf die fremden Welten von “No Man’s Sky” noch allzu lange dauert.

Und sonst…?

Als Draufgabe dreimal modernes Retro, dass es nur so kracht: Zuerst “Underrail” (Windows, 14,19 Euro), das Oldschool-RPG-Fans in eine düstere Zukunft entführt und weichgespülte Neo-Rollenspieler mit alten Härten erschreckt; und zum Zweiten das irritierend großartige “Devil Daggers” (Windows, 4,99 Euro). In diesem ultrasimplistischen Arena-Shooter im Retrostil früher First-Person-Shooter überleben auch die laut globalem Scoreboard weltbesten Spieler nur atemberaubende sieben Minuten, aber in denen brechen Adrenalin- und Soundgewitter über sie herein. Geheimtipp für alle, die die stressigsten Sekunden von “Doom” immer und immer wieder erleben wollen. Drittes im Bunde - und ideal zum Entspannen - ist “Stardew Valley” (Windows, 13,99 Euro), das das Spielprinzip von “Harvest Moon” und “Animal Crossing” im Pixellook aufleben lässt.

Zwei Early-Access-Perlen seien der Leserschaft auch nicht vorenthalten: Das komplexe und geniale “Factorio” (Windows, Mac, Linux 19,99 Euro) fasziniert mit Fabriksbau und -verteidigung im trügerischen Knuddellook, während “Squad” (Windows, 36,99 Euro) sich anschickt, den realistischen Military-Teamshooter zu revolutionieren. In beiden Fällen zahlt sich schon jetzt ein Kauf aus.

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