Best of Indie November

Langsam trudeln auch die letzten großen AAA-Schlachtschiffe rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ein - schlechte Zeiten für Indiespiele, die im Theaterdonner der großen Marketingabteilungen einen schweren Stand haben. Trotzdem wagen sich natürlich auch kleine unabhängige Entwickler auf die Spielebühne, und sie haben Aufmerksamkeit verdient.

Im Folgenden wieder eine Auswahl der interessantesten Indie-Games der letzten Wochen - immerhin brauchen Spielerinnen und Spieler bei all dem Hochglanz auch mal eine Auszeit. Bon appetit!

Opus Magnum Windows, Mac, Linux, 20 Euro (Early Access)

Das Ministudio Zachtronics ist seit seinen Puzzleklassikern Infinifactory, Shenzen I/O und vor allem SpaceChem Rätselfreunden auf der ganzen Welt ein Begriff, mit seinem neuesten Spiel Opus Magnum richtet sich der US-Amerikaner Zach Barth aber nicht nur an seine Hardcore-Fangemeinde, sondern auch an Einsteiger. Als Alchemist in einer Steampunk-Welt ist man gefordert, aus simplen Ausgangsmolekülen komplexe neue Elemente herzustellen - vom schnöden “Blei zu Gold” geht es rasant zu immer komplexeren Aufgaben.

Werkzeug und zentrale Spielmechanik ist dabei die alchemistische “Transmutations-Engine”, eine Werkbank, auf der Ausgangselemente durch cleveres Manipulieren und den Einsatz einer Vielzahl mechanischer Teile ins gewünschte Endprodukt umgewandelt werden. Wie diese Teile interagieren, wird durch verkettete Befehle festgelegt, die simpel per Drag and Drop zusammengestellt und dann gestartet werden - eine zu Beginn einfache, schnell aber ins Knifflige ausartende Programmieraufgabe, die aber auch von Nicht-EDV-Begabten gelöst werden kann. Im Gegensatz zu vielen anderen Puzzlespielen lassen sich die Rätsel von Opus Magnum auf mehrere Arten lösen, und so macht das Zusammentüfteln und Laufenlassen monströs umständlicher Riesenmechanismen auch Einsteigern Spaß. Die fertigen Werke lassen sich bequem als animierte GIFs ausgeben - und man staunt, mit welcher Eleganz und Effizienz manche Spielerinnen und Spieler dabei zum Erfolg kommen. Ein faszinierender Baukasten voller motivierender Herausforderungen, nicht nur für Puzzle-Profis. Trotz Early Access schon jetzt eine absolute Empfehlung.

Hand of Fate 2 Windows, Mac, Linux, PS4, Xbox One, 28 Euro.

Wie der Vorgänger ist auch Hand of Fate 2 ein origineller Hybrid: Ein wenig Kartenspiel, ein wenig Brettspiel, etwas Rogue-like, viel Choose-Your-Own-Adventure und eine kräftige Prise Action machen das Spiel australischer Entwickler zum einzigartigen Genremischling. Ein mysteriöser Spielmeister lädt zur Spielereise durch über 20 Abenteuer, bei denen man quasi durch die zufällig arrangierten Karten des Decks eine Fantasy-Geschichte erspielt.

Manche der Karten bieten Ereignisse, bei denen folgenschwere Entscheidungen getroffen oder das Glück per Würfelwurf versucht wird, auf anderen finden sich hilfreiche Begegnungen, Gegenstände oder Händler. Wiederholt greift man allerdings auch zur Waffe, um in kurzen Gefechten in der Manier der Batman-Arkham-Reihe gegen eine Vielzahl von Monstern zum actionreichen Nahkampf anzutreten. Lohn der Mühen sind weitere Karten, die sich zu Beginn jeder Quest ins Deck mischen lassen und so das zufallsgenerierte Abenteuerleben etwas berechenbarer machen. Optisch hübsch präsentiert und durch anfänglich großen Abwechslungsreichtum motiviert Hand of Fate 2 durch seine Originalität, immer wieder ins Abenteuer aufzubrechen - zumindest, bis man alle Karten gesehen und auch den letzten der vielfältigen Gegner wiederholt verprügelt hat.

High Hell Windows, Mac, 10 Euro

Auf den Dächern und Terrassen luxuriöser Wolkenkratzer tritt man in High Hell unter knallpinkem Himmel gegen Mafiosi, Satanisten und Schimpansen mit Helm zum flotten Shooter-Sprint an, um sich am Schluss mit Fallsschirm in die Tiefe zu werfen. Große Ernsthaftigkeit oder gar Subtilität braucht man sich hier nicht zu erwarten, stattdessen gibt’s einen humorvoll-minimalistischen Skilltest, in dem das möglichst schnelle Absolvieren der 20 kurzen Missionen für den möglichst hohen Score für Unterhaltung sorgt.

Nachladen, Deckung nehmen oder auch nur verschiedene Waffen bietet der schräge Shooter nicht, dafür zieht der rasante Sprint und das möglichst präzise und schnelle Ausschalten der absurden Gegner auch dank des Soundtracks des Underground-Hip-Hop-Künstlers Doseone in den Bann. Beim Laden zwischen den einzelnen Missionen sorgen übrigens die absurdesten Minispiele aller Zeiten immer wieder für schräge Unterhaltung. High Hell ist ein überdrehter, willkommen minimalistischer, stylischer Shooter-Parcours für Speedrun-Freunde.

Space Pirates and Zombies 2 Windows, Mac, Linux, Oculus, Vive, 20 Euro.

Auch SPAZ 2 ist ein überaus origineller Mischling: Als Weltraumkapitäne entwerfen und bauen Spielerinnen und Spieler hier zunächst ihr ganz persönliches (T)Raumschiff, mit dem sie dann in den fast endlosen Weltraum aufbrechen, der sich gerade etwas von einer galaktischen Zombieapokalypse erholt. Die Erforschung der Welt und die Kontaktaufnahme mit Planeten, Raumstationen und Schiffen erfolgt auf einer an klassische 4X-Spiele erinnernden strategischen Karte, für die farbenprächtigen 2D-Kämpfe zoomt SPAZ 2 allerdings nahe an die Action heran. Dank unterschiedlicher Schiffskonfigurationen ist Taktik hier ebenso wichtig wie Reaktionsschnelligkeit.

Die Galaxis wird allerdings nicht nur von Piraten und sesshaften Völkern auf Planeten und Raumstationen belebt, sondern auch von 200 anderen Kapitänen, die autonom durchs All steuern und ihre eigenen Pläne verfolgen. Spätestens jetzt sehen sich Auskenner an den großen Indie-Klassiker Mount & Blade erinnert, der seinerseits das noch größere Pirates! als Inspiration hatte. SPAZ 2 ist randvoll und bietet neben seiner Kampagne auch im Sandbox-Modus Unterhaltung für viele Stunden. Nicht vom generischen Namen abschrecken lassen!

Wunderdoktor Windows, Mac, Linux, 10 Euro.

Machen Spielen sieht man die Liebe, die in ihnen steckt, schon auf den ersten Blick an - Wunderdoktor ist so ein Fall. Das Spiel eines Leipziger Geschwisterpaares ist im Stil schöner Kinderbücher illustriert und wartet auch spielerisch mit vielen witzigen Überraschungen auf. Als Wunderheiler, der in seinem rollenden Wagen Patienten behandelt, ist es die Aufgabe der Spielerinnen und Spieler, seltsame und bizarre Wehwehchen zu erkennen und unter Zeitdruck richtig zu behandeln.

Eine spielerische Inspiration von Wunderdoktor war zweifellose das großartige Papers, Please, denn wie in diesem ist die Behandlung immer neu auftauchender Kunden nach vorher erlernten Methoden das zentrale Spielelement. Statt düster und politisch aufgeladen ist Wunderdoktor allerdings eine liebevoll gemachte Wundertüte aus herrlich ekligen Minispielen, in denen man Würmer aus der Haut zieht, mit der Lupe nach Pickeln sucht oder böse Geister per Fliegenklatsche vertreibt. Die anfangs noch simplen Behandlungen steigern sich zu immer anspruchsvoller werdenden Prozeduren, bei denen man auch schon mal etwas ins Schwitzen gerät. Viel Liebe zum Detail und außergewöhnliche Gestaltung machen Wunderdoktor zum absolut unterhaltsamen und originellen Spiel für Groß und Klein.

Und sonst?

Zwei ganz unterschiedliche Flugabenteuer: Im atmosphärischen Aer - Memories of Old (Windows, Mac, Linux, 15 Euro) steht die Erforschung eines Archipels fliegender Inseln im Vordergrund. Die Pilgerin kann sich dabei vom Mensch zum Vogel verwandeln, um diese atmosphärische Low-Poly-Welt und ihre Geheimnisse frei zu erforschen - ein bisschen erinnert das Spiel schwedischer Entwickler an das großartige Journey.

Rasanter, aber in ähnlichen Landschaften ist man im kleinen Highscore-Game Superflight (Windows, 3 Euro) unterwegs, denn in dem stürzt man sich todesverachtend mit Wingsuit in die immer neu generierten Schluchten zwischen ebenfalls fliegenden Felsbrocken. Je näher man an den Felsen vorbeirast, desto mehr Punkte gibt’s - ein kleiner, höchst unterhaltsamer Adrenalin- und Geschwindigkeitsrausch aus Berlin.

Das einzigartige Strategie-Rollenspiel All Walls Must Fall (Early Access, Windows, Mac, Linux 15 Euro) stammt nicht nur ebenfalls aus Berlin, sondern spielt auch dort: In einer Welt, in der die Mauer nie gefallen ist, ist man darin im Jahr 2089 als bärbeißiger Söldner in Technoclubs unterwegs und kämpft in der Tradition von XCOM gegen bewaffnete Wachen, während rundum die Clubbesucher tanzen. Für den originellen Kick sorgen eine Zeitrückspulfunktion sowie die Möglichkeit, alternativ auch per Gespräch mit den Gegnern ans Ziel zu kommen - noch im Early Access, aber dank regelmäßiger Updates schon jetzt ein schräger Spaß.

Autor: