Crow - Games-Kritik für die Krähen

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Krähen und Rabenvögel sind seit jeher besondere Tiere. In den Mythen vieler Völker haben die klugen Aasfresser einen besonderen Platz, als Vögel des Todes, der Schlachtfelder, der Hexen, aber auch als Symboltiere der Weisheit und des Wissens. Und in der westlichen Popkultur, die ja in vielerlei Hinsicht den Mythos als einfach konsumierbare Ware abgelöst hat, steht die Krähe für eine gewaltige Subkultur von Goth, Dark Metal und düsterer Coolness. Grund genug, ein ganzes Spiel rund um die mysteriösen Rabenvögel zu bauen: Crow

Die Basics: Als magisch begabte Krähe fliegt man in Sunside Studios iOS-Game Crow durch wunderschön gerenderte Landschaften, sammelt Edelsteine und legt sich mit diversen Gegnern an, die in On-Rails-Flugkämpfen durch einfache Gesten per Magie erledigt werden. Bekämpft man zu Beginn noch Eulen und Vogelscheuchen, legt man sich später mit Riesen, Baronen und sogar dem Teufel persönlich an. Durch Einsammeln von Energiepunkten und Diamanten lassen sich manche Fähigkeiten und Zauber steigern.

Klingt in dieser eingedampften Kurzbeschreibung langweilig? Zu Recht. Crow sieht fantastisch aus, versprüht Atmosphäre und düsteren Charme. Grafisch fast gleichauf mit dem iOS-Vorzeigetitel Infinity Blade, enttäuscht der Titel allerdings spielerisch umso mehr: Während Epics Hack'n'Slash stets spannende Fingerakrobatik fordert und durch sein cleveres Wiedergeburtssystem hohen Wiederspielwert hat, fordert Crow nur bedingt spielerisches Können, bietet kaum Abwechslung und ist nach knappen 90 Minuten der mäßigen Begeisterung am Ende angelangt.

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Faszinierenderweise sieht das Kotakus Mike Fahey ganz anders:

Crow could be the Greatest iPhone Game I've played ... the most uniquely captivating experience I've had on the iPhone.... 

 I completely lost myself in the experience. It was overwhelming. It was wondrous. So much so that I almost couldn't figure out how to put it into words.

Man ist versucht, bei derart mystischer Verzückung neidvoll auf die US-Psychopharmaka-Branche zu schielen, doch im Ernst: Wie lassen sich Spiele, die mehr als andere Medien persönliche Erfahrungen sind (oder zumindest: sein könnten), überhaupt so besprechen, dass ein Hauch von Objektivität gegeben ist? Ohne Faheys ehrliche Ergriffenheit in Frage stellen zu wollen, ist Crow, zumindest im Vergleich zu vielen, vielen anderen Spielerlebnissen, zwar atmosphärisch, aber dennoch linearst, zu einfach, abwechslungslos.

Noch überraschender allerdings sind die Superlative, die Sean Koch auf iFanzine in seinem Review anführt:

... think of this as the mobile answer to console gems like Blood Omen: Legacy of Kain and Shadow of the Colossus ... 

Als Neo-iPad-Besitzer stellt sich mir angesichts derartiger Lobeshymnen eine einfache Frage: Sind die Richtwerte für mobiles Spielen so erodiert, dass den hoffnungsvollen Millionen neuer Casual-Spieler auf Hochglanz polierte Rail-Shooterkost mit dem spielerischen Innovationspotenzial einer alten Zuckerrübe als Gipfel der Gameskunst verkauft werden kann? Mit dem irreführenden Verweis auf die  aus ganz anderem Holz geschnitzten Games-Legenden Legacy of Kain und SoC wird eine Qualität behauptet, die in Crow schlicht so nicht existiert. Koch spricht hier zwar indirekt nur den narrativen Aspekt der folgenschweren Entscheidung an - doch im Ernst: AUch hier kann sich Crow nirgends mit den Genannten messen.

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Sind Mobile Games, besonders durch ihr neues, potenziell millionenfach größeres Publikum, nun vielleicht so speziell, dass ihr Sonderweg keine Vergleiche mit dem Rest der Games-Kultur zulässt? Ein derartiges Argument ließe sich kaum mit den technischen Einschränkungen der Plattformen begründen: Die Hardware von iPhone und iPad steht spielerisch anspruchsvolleren Ideen garantiert nicht im Weg. Ist es das Pricing-Modell, das AppStore-Einkäufe in der Höhe von maximal 5€ als Quasi-Standard durchgesetzt hat, das komplexere Ideen unrentabel macht? 

Was immer der Grund dafür sein mag: Die Welten des Casual und Mobile Gamings koppeln sich freiwillig immer mehr vom restlichen Spielestandard ab, und damit leider auch von manchen der bisherigen Errungenschaften des "non-Mobile" Gamings, das halb verächtlich als "Hardcore-Gaming" nach wie vor als Domäne pubertierender Nerds und ihrer Spielkonsolen und Highend-PCs belächelt wird.

Als vor Jahren durch den Aufstieg des Casual Gamings und die Aussicht auf Millionen neue Spieler die Hoffnung wach wurde, dass damit die soziale Stigmatisierung des Spielens geringer werden würde, hatten wohl nur die wenigsten geahnt, dass sich diese beiden Welten nicht so einfach aneinander annähern würden. Crow und Teile seiner kritischen Rezeption sind ein Beispiel für die Existenz dieser beiden Welten - und dass in ihnen unterschiedliche Gesetze herrschen.

Dieser Text ist zugleich ein Beitrag zu Zockwork Oranges "52 Games"-Projekt, in dem pro Woche ein Text zu einem bestimmten Thema zu einem frei wählbaren Spiel gefragt ist. Thema Woche 11: Tiere. 

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