Fotos: Christoph Liebentritt
Der Kulturförderer: Jogi Neufeld
Hands on electronic game culture lautet der Leitspruch von SUBOTRON, genauer vom SUBOTRON-Shop, der inmitten des riesigen Wiener Kulturzentrums Museumsquartier Ende 2004 seine Zelte aufgeschlagen hat. Gründer und Betreiber Jogi Neufeld musste damals seine Spielesammlung aufgrund von steigender Missmutigkeit der Partnerin wegen des fehlenden Platzes in der gemeinsamen Wohnung räumen. Doch der unkonventionelle Hybrid aus Schauraum, Museum und Kulturladen war für Jogi Neufeld erst der Anfang. Er hat beschlossen, mit SUBOTRON einen neuen Lebensabschnitt, eine komplette Neuausrichtung seiner Karriere einzuläuten. So wurde aus dem ehemaligen Elektronik-DJ und Musik-Booker quasi über Nacht der Gründer und Betreiber einer leidenschaftlichen Videospielkulturinitiative.
Schon wenige Monate nach der Gründung wird aus dem ungewöhnlichen Projekt SUBOTRON ein Kompetenzzentrum für wissenschaftliche, wirtschaftliche, soziale, gesellschaftspolitische und pädagogische Auseinandersetzung mit Computer- und Videospielen im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Bei der Organisation der SUBOTRON-Veranstaltungsreihen "Electric Meetings" (später: "Arcademy") und "Pro Games" kommt Jogi Neufeld seine über Jahre aufgebaute Kompetenz als Networker und Kulturförderer zu Gute. Experten, Forscher, Firmengründer, Journalisten und Künstler werden von ihm nach Wien eingeladen um über ihre Arbeiten, Werke und Erkenntnisse vorzutragen.
Anfang der 2010 Jahre verdichtet sich die Anzahl der Vorträge zunehmend, pro Jahr finden rund 30 Stück statt. Die SUBOTRON-Gemeinschaft, bestehend aus Games-Entwicklern, Spielkultur-Fans, Wissenschaftlern, Journalisten und Wirtschaftstreibenden, wächst und zeichnet sich seit durch Neugierde und einen themenübergreifenden Blick aus. Internationale Gäste sind verblüfft aufgrund des umfangreichen Angebots, des Facettenreichtums und der Qualität der Vorträge und Diskussionen. "Spielkultur im Herzen von Europa", so bringt Jogi Neufeld das von ihm aufgebaute ludische Netzwerk oft auf den Punkt.
Du erzählst in Interviews gerne, dass dich deine Ex-Frau in der gemeinsamen Wohnung irgendwann vor ein Ultimatum gestellt hätte, was deine Tabletop-, Konsolen- und Videospielsammlung betrifft.
Ultimatum hat’s keines gegeben, aber sie hat einfach die gestapelten Schachteln mit den alten Konsolen und Tabletops auf und in allen Schränken der Wohnung nicht mehr sehen können und irgendwann gesagt: Das muss woanders hin. So hat der SUBOTRON-Shop begonnen.
Wann hast du mit dem Sammeln begonnen?
Wirklich angefangen hat es, weil ich aufgrund der Musikleidenschaft ein passionierter Vinylsammler und –jäger war. Ich bin immer auf Flohmärkte gegangen und habe irgendwann mein zweites Computerspiel, das ich in meiner Kindheit besessen hatte, am Flohmarkt gefunden – zufällig, beim Herumwühlen. Das war "Game & Watch: Donkey Kong", das orangefarbene Double Screen. Dann habe ich mir gedacht: Cool, das hatte ich mal! Dann habe ich immer mehr Sachen gefunden und angefangen, sie zusammenzutragen. Danach hat es zwei Initialzündungen gegeben, wo ich wirklich zum Hardcore-Sammeln angefangen habe: Erstens das Buch "Electronic Plastic" vom Gestalten-Verlag, wo man auf einmal gesehen hat, was für wunderbare Objekte Handhelds waren. Zweitens habe ich Ebay entdeckt, das war so 1999, 2000. Dann hat es angefangen, da habe ich einfach alles haben müssen, was es so gegeben hat.
Hast du als Jugendlicher auch gesammelt?
Der allererste Ursprung war mein Primarschulfreund – in Österreich heißt das Volksschule – Marco Garcia, ein Kind von spanischen Immigranten. Da, wo ich aufgewachsen bin, war eine große Textil- und Stickereiindustrie, und da haben sie in den 1960er Jahren viele spanische und italienische Gastarbeiter in die Region geholt. Bei Marcos Familie im Wohnzimmer sind an der Wand riesige Säbel gehangen und darunter ist ein ziemlich großer Fernseher gestanden, mit einer "Pong"-Konsole angeschlossen. Jeden Mittwoch Nachmittag, wenn schulfrei war, habe ich zu meinen Eltern gesagt: Ich gehe zu Marco Aufgaben machen. Stattdessen haben wir "Pong" gespielt. Das war extrem super: Dass man im Fernsehen nicht nur "Muppet Show" oder "Das feuerrote Spielmobil" schauen, sondern dass man selbst etwas bewegen konnte! Dass man interagieren kann mit der Glotze, die an sich schon super war. Fernsehen war ja aufregend. "Pong" war zwar schwarzweiß, aber wir haben dennoch etwas bewegen können am Fernseher. Es war Wettbewerb und es hat dafür nicht mehr gebraucht als zwei Striche und einen Punkt. Das haben wir dann lange gemacht. Meine Eltern haben mir und meinen zwei Brüdern aber nie so ein Gerät gekauft.
Der zweite Ursprung der Sammelleidenschaft war die erste Serie von Mattel-Handhelds, das allererste "Auto Race": Ein roter Punkt muss andere rote Punkte, die ihm entgegenkommen, überwinden – mit verstellbaren Gängen, dadurch hat man schneller fahren können. Das hätte ich ebenfalls gerne gehabt, habe es aber auch nicht gekriegt. Ich hab’s mir trotzdem besorgt und dann heimlich unter der Decke gespielt. Daran musste ich denken, als Alec Empire von Atari Teenage Riot gemeinsam mit Robert Stadlober mal im SUBOTRON-Shop bei mir waren anlässlich des Drehs von "Durch die Nacht mit", eine Sendung auf Arte. Stadlober war Waldorf-Schüler, der nie ein Computerspiel gespielt hat, Alex Empire hingegen aber sehr viel. Der hat das Shop-Sortiment durchwühlt und dann gesagt: Irgendwann wird das ganz normal sein, dass Orte, die man als Kind in Spielen besucht hat, genau gleich wichtig wären und genau gleiche Empfindungen auslösen, wenn man sie wieder besucht, wie Orte der Kindheit im Realraum: Spielplätze im Wald, Urlaubsorte, was auch immer. Dass auch das Orte sind, die einen wieder ein Gefühl oder eine Gefühlswelt zurückbringen, die man damals gehabt hat. Das hat mir total eingeleuchtet, und das war bei mir bei "Auto Race" auch so. Wenn ich das jetzt einem Kunden zeige und ich schalte es ein und höre das Motorschnurren und sehe die Lichter blinken, bin ich wieder 9, 10 Jahre alt, unter der Decke in meinem Bett, stelle mich schlafend und habe diese roten Punkte und dieses Surrgeräusch vor mir – und sonst nichts.
Das ist auch ein Vorwurf, den viele Nichtspielende gerne anbringen. Sie sagen, Videospieler würden ihre Kindheit nicht loslassen wollen.
Ich bin ein gutes Gegenbeispiel dafür, denn ich spiele heute nicht die Spiele aus meiner Kindheit, sondern die Spiele meiner Kinder. "Pac-Man" und "BattleZone", die zwei Lieblings-Arcade-Games aus meiner Kindheit, interessieren mich jetzt nicht mehr wirklich. Ich sehe mir lieber aktuelle Spiele an. Man würde es nicht vermuten von meiner Profession her, aber die alten Titel wieder zu spielen aus Nostalgiegründen - das ist nicht mein Ding. Okay, hin und wieder probiere ich schon gerne wieder einmal das alte "Game & Watch: Donkey Kong" oder etwas ähnliches. Aber das passiert dann eher in einem Kontext wie: Wieviel Gameplay braucht es, um mich zu fesseln? Genügen ein paar Pixel und die paar Bytes auf einer Atari-2600-Cartridge, um mich meinen Alltag vergessen zu lassen und in eine andere Welt eintauchen zu lassen oder brauche ich heute immer die Super-Rockstar-Auflösung? Ich gehe aber nicht zurück und spiele ein altes Spiel nur, damit ich mich wieder wie ein 10-Jähriger fühle.
Du bist in Vorarlberg geboren, aber in der Schweiz in die Schule gegangen – bis zum Abschluss.
Ich habe in der Schweiz gewohnt, bis ich circa 25 war. Ich bin also auf jeden Fall in der Schweiz sozialisiert worden. Das Schweizer Schulsystem habe ich von A bis Z durchlaufen. Wobei dort , wo ich gewohnt habe, die Grenzen verschwinden, weil ich fünf Kilometer von der Grenze in Vorarlberg aufgewachsen bin und dort ist der Rhein dazwischen. Sonst ist die Mentalität ziemlich die selbe. Ob jetzt Rheintaler auf der Schweizer oder auf der Vorarlberger Seite ist relativ wurscht. Auf der Schweizer Seite sind es noch ein bisschen mehr Bauern. In Vorarlberg hat’s während meiner Jugend schon Lokale gegeben wo New Wave Musik gelaufen ist ... da hat man in der Schweiz bis Zürich fahren müssen, bis es soweit war.
Hast du eher Disketten oder Platten getauscht in der Schule?
Spiele? In der Schulzeit nicht. Im Gymnasium habe ich zwei Jahren BASIC lernen müssen – und ich hab’s gehasst. Zu dieser Zeit war ich der festen Überzeugung, dass der Computer das Übel der Menschheit ist, Arbeitsplätze gefährdet und die Entfremdung in der Gesellschaft vorantreibt.
Warum?
Vielleicht auch, weil ich das an meinem mittleren Bruder gesehen habe, der seine Sommerferien und all seine Freizeit an seinem TI-33 gesessen ist und programmiert und gespielt hat. Das war für mich unvorstellbar, ich wollte lieber abends in die Eisdiele gehen, Alkohol trinken und Mädchen abschleppen. Aber nicht zu Hause sitzen und Computerspiele spielen. Das war für mich damals komplett uninteressant.
Das heißt, du warst von den drei Neufeld-Brüdern derjenige, der anfangs am wenigsten Geek war.
Der Jüngste hat dem Mittleren eher nachgeeifert. Ganz klar war schon immer Clemens, der Mittlere, der Chef. Der hat sich auch selbst programmieren beigebracht und war immer an den neuesten Technologien interessiert, auch bei den Musikinstrumenten – Sampler, etc. Das hat mich nicht interessiert, ich wollte eigentlich eher das Leben direkt erfahren.
Das ist auch im SUBOTRON-Shop sichtbar, wo es weniger um Technik geht sondern mehr um Erfahrungen durch Spiele und Spielen. Waren Spielhallen für dich damals wichtig, die ja auch immer schon ein starkes soziales Element gehabt haben?
Die waren extrem wichtig. Bei uns am Land gab’s aber keinen Prater oder eine Spielhölle. Üblich waren in Gaststätten Flipper und vielleicht vereinzelt irgendein einzelner Videospielautomat. Das größte Erlebnis war einmal im Jahr der Jahrmarkt, der ins Dorf gekommen ist und danach weiter zu einem Nachbardorf gezogen ist, und dann nochmal in ein anderes Nachbardorf, usw. Da hat man am Wochenende immer irgendwo mit dem Fahrrad hinfahren können und Spiele spielen. Ich weiß es noch genau: Da war ein umgebauter Anhänger. Man konnte eine Seite runterklappen und drinnen sind vier, fünf Automaten gestanden: einer davon war "Pac-Man", ein anderer "BattleZone". Oft habe ich wirklich nur aus dem Haus gehen müssen mit meinen gesammelten 50-Rappen- oder 1-Franken-Stücken, die ich schon wochenlang vorher gehortet hatte und bin dort von Samstag früh bis Sonntag am Abend gesessen und habe an den Automaten gespielt. Das war eine Initialzündung, diese Spiele als mehr zu sehen als eine billige Ablenkung vom „wahren Leben“. Bei "BattleZone" konnte man wirklich in den Raum hinein auf Panzer schießen, und quasi nichts anderes sehen als den Feind – das war höchst beeindruckend.
Heute wird diese Arcade-Zeit aus den frühen 1980er Jahren oft ein wenig verklärt. Wenn man alte Fotos sieht, gibt es immer einen Star-Spieler, um den sich die Mädchen und die Mit- und Gegenspieler ranken. War das wirklich so?
Man war schon immer umringt und oft wurde einem gesagt: So, wenn du das nächste Mal verlierst, bin aber ich dran. Da hat es schon Schlangen und Gruppenbildung und oft auch Herausforderungen gegeben, im Stile von: Jetzt schauen wir mal deine Punkteanzahl an und dann komme ich und haue ich dich in die Pfanne, sozusagen.
Gab’s in deiner Jugend jemals eine Verbindung zwischen der Musiksubkultur, die du ja schon recht früh gelebt hast und diesen Videospielerfahrungen?
Ich habe überlegt, ob es da eine Verbindung gibt, weil für mich ja wirklich so bis zur Jahrtausendwende Musik ganz allein auf weiter Flur meine Interessen bestimmt hat. Und warum ich mich nun seit Mitte der 2000er Jahre in der Spielkultur auch so stark widergespiegelt sehe. Es ist, glaube ich, das nicht gesellschaftlich Akzeptierte, das Subkulturelle, was mich fasziniert. Es gibt so viele Parallelen in der Entwicklung von Popmusik und digitalen Spielen. In den 1970er Jahren hat es - da und dort - drei, vier große Firmen gegeben, die den Markt bestimmt haben, von der Form, vom Inhalt. Wer darf Platten machen, wer kommt groß raus, wer wird der Star, welche Produkte werden veröffentlicht - ein paar wenige große Firmen haben das entschieden.
So war‘s in der Spieleindustrie auch, bis sich dann langsam die Indies formiert hatten. Genau das war es, was mich bei der Musik interessiert hat, nämlich, dass man nicht mehr zu CBS oder Warner oder was es da noch alles gegeben hat, laufen musste, um eine Schallplatte auf den Markt zu werfen. Sondern du konntest irgendwann alles selbst machen. Du konntest mit einem Vierspurgerät, das immer billiger geworden ist, selber deine Aufnahmen machen und eigene Vertriebsstrukturen aufbauen, selbst verkaufen, Vertriebe organisieren. Das passiert jetzt auch in der Spielkultur. In beiden Fällen hat es stark mit der technologischen Entwicklung zu tun. Im Fall von Popmusik sind damals Aufnahmegeräte immer billiger geworden, auch das Plattenpressen. Es gab die Musikkassettenkultur, das Kopieren, bis hin zum CD-Brenner, wo man sein Produkt dann einfach selbst kopiert und verkauft hat. Genauso ist es auch jetzt bei den Indie- und Alternative-Games, wo die notwendigen Tools dafür immer erschwinglicher werden und übers Internet selbst verkauft werden kann. Man ist nicht mehr angewiesen auf die große Industrie, die einem irgendetwas vorgibt.
Hattest du nach der Matura (Abitur) einen konkreten Wunsch, wo es beruflich hingehen soll?
Ich wollte schon immer für und mit Musik leben. Ich wollte nie Rockstar sein oder DJ-Star oder so etwas. Sondern ich wollte immer von Musik umgeben sein und bestenfalls auch davon leben können. Das habe ich eine Weile lang gemacht und irgendwann ist es dann halt nicht mehr gegangen ohne große Kompromisse einzugehen. Und die Kompromisse wollte ich nicht eingehen, also habe ich mir ein anderes Betätigungsfeld gesucht.
Du hast ja deinen Club "SUB" in Wien zu einer Zeit gestartet, wo mit der Einführung der originalen Playstation ein neuer Games-Hype entstanden ist. Neue Computertechnik und 3D-Grafik waren zukunftsweisend und haben zum Techno-Aufbruch der 1990er Jahre gepasst. War das relevant für das "SUB"? Gab es den Versuch, Spiel und Musik zu verbinden?
Das war insofern ein Thema, als dass ich in dunklen Räumen herumgerannt bin, Pillen gefressen und mich zu repetitiver Musik bewegt habe. Was mich zu dieser Zeit an elektronischer Musik fasziniert hat, war die Reduktion auf das Simple, die ja auch in alten Spielen und in Computerspielen generell vorkommt: Etwas mit möglichst wenig Aufwand zu vermitteln, mit möglichst wenig Bits und Bytes. In einem anderen Club in Wien, dem "Softegg-Cafe" am Sonntag im Flex, sind immer jede Menge alte Coffeetable-Automaten herumgestanden. Dort bin ich wieder auf Videospiele gestoßen. Das war dann auch schon jene Zeit, in der ich angefangen habe, auf Flohmärkten die Handhelds und Konsolen zu kaufen. Als ich den SUBOTRON-Shop aufgemacht habe, habe ich natürlich sofort im Flex angerufen und gefragt: Hey, wo sind diese ganzen alten Automaten, kann ich die haben? Antwort: Alle kaputt. Die Geräte sind alle mit der Zeit einfach defekt geworden. Logisch, weil jeder am Sonntag in der Nacht angesoffen sein Bier darauf geleert hat.
In den Visuals im Club ist schon auch eine Games-Ästhetik eingeflossen – aber nicht die von damals aktuellen Spielen sondern eher historische Grafikstile mit frühen Vektoren und Polygonen, also von "BattleZone" bis "REZ". Das hat mir schon immer extrem gefallen: 3D-Gitter-Welten. Das haben wir auch in den Visuals verwendet. Ebenso wurden die "SUB"-Figuren als 3D-Modelle gebaut, die es bis heute gibt. Die sind in der anfänglichen Clubzeit entstanden, da haben wir schon Avatare erschaffen als Corporate Identity für den Club. Mein Grafikerfreund hat damals bei der ehemaligen österreichischen Spieleentwicklerfirma neo gearbeitet und Figuren animiert. Diese Fähigkeit hat er auch privat eingesetzt, für die Visuals im Club.
Hast du mit ihm damals über seinen Job gesprochen?
Ja, er hat immer gejammert, wie langweilig sein Job nicht ist: Jetzt muss er wieder irgendein Männchen bauen oder ein Level designen. Das ist eine Art Fabriksjob gewesen. Kreativ hat er da nicht wirklich sein dürfen. Das hat ihn natürlich genervt und darum hat er es dann irgendwann sein lassen.
"SUB" als Name erinnert an etwas, das darunter ist oder auch an Subkultur an sich. Woher kommt der Name genau?
Das war ganz klar in den Visuals ausgedrückt: Weltraum und Unterwasser. Es waren immer Raumschiffe und U-Boote oder normale Schiffe – das waren die zentralen Ankerpunkte. Die Visuals haben sehr oft im Weltraum gespielt und auch unter Wasser. Mit "SUB" war immer gemeint: unter der Oberfläche, oder: unter dem Radar des Mainstreams. Den Namen habe ich später herübergerettet: Als ich den Club im Flex beendet hatte, habe ich im Wiener WUK eine weitere Club-Serie gemacht. Da habe ich mir gedacht: Das kann ich jetzt aber nicht mehr "SUB" nennen, weil die "SUB"-Zeit ist abgeschlossen. „TRON“ war wegen des Filmes schon immer ein Steckenpferd. So ganz genau weiß ich auch nicht mehr die Situation, wie ich auf den Namen gekommen bin, aber als mir das eingefallen ist, war mir jedenfalls ganz klar, dass es so heißen wird, und dann hat die Club-Serie eben so geheißen. Im selben Jahr habe ich auch den Laden aufgemacht. Das war dann logisch, dass ich den auch so nennen werde. Ich habe mir nicht überlegt: Jetzt brauche ich schon wieder einen neuen Namen. Die Übernahme des Namens vom Club zum Shop hat perfekt gepasst. Und es ist immer noch sub, immer noch eine Kulturform, die es zu etablieren gilt - und tronisch ist es auch.
Hat dein früherer DJ-Name "Captain Joghurt" auch mit den U-Booten aus dem Club zu tun?
So habe ich schon geheißen, bevor es "SUB" gegeben hat. Als DJ habe ich mich vorher schon so genannt. Ein alter Schweizer Freund hat mich schon immer Captain genannt, keine Ahnung, warum eigentlich. Ich glaube ... nein, jetzt weiß ich wieder, warum: Wir haben "Moby Dick" geschaut. Und Joghurt hat er mich genannt, um mich zu foppen, weil das so ein deppertes Wort ist. Wir haben "Moby Dick" geschaut, und als Captain Ahab kam, hat er zu mir gesagt: Captain Joghurt. Und ich hab‘ mir gedacht: Hey, das ist ja ein supercooler DJ-Name! Das war alles zu der Zeit, als ich angefangen habe, wirklich regelmäßig aufzulegen und auch einmal zu probieren, zwei Platten ineinander zu mischen und nicht zu warten, bis die erste aus ist und die zweite anfängt. Dann habe ich mich Captain Joghurt genannt – schon ein bescheuerter Name. Aber es hat mir sofort total super gefallen, weil das halt überhaupt nicht cool klingt, sondern im Gegenteil Selbstverarsche ist. Doch genau darum haben sich das die Leute gemerkt, weil so kann man sich einfach nicht nennen.
Da fällt mir gerade ein: Ich sitze in der Szene Wien und Roni Sizes Projekt Reprazent ist das erste Mal, glaube ich, in Wien, und ich rede so mit ihm und gebe ihm einen Flyer vom Club, und er sagt: Wow, Captain Joghurt, das ist so ein super DJ-Name, und ich sage: Ja, das bin ich. Und er meinte, ja, so einen super DJ-Namen hat er noch selten gelesen. Man kann sich selbst nicht so wichtig nehmen, wenn man sich so nennt. Und es war immer ein Credo im Club, dass der DJ nicht der Star ist. Das kommt aus der klassischen Techno-Bewegung: Der DJ ist "Underground Resistance"-mäßig einer in der Masse. Er sticht nicht heraus, sondern die Musik spricht für sich und das Gesicht ist nicht wichtig bzw. gilt es, es zu verdecken – also darum, anonym zu bleiben. Das habe ich im Club auch immer so gehalten, dass nie der DJ auf der Bühne aufgelegt hat - außer, es waren irgendwelche englischen Stars da. Sondern man ist im Publikum gestanden mit dem Mischpult. Das zieht sich bis heute fort: Ich stehe auf diese mexikanischen Lucha-Libre-Masken, die ich hier verkaufe. Verschiedene Identitäten. Das ist für mich auch etwas Grundlegendes in digitalen Spielen, andere Identitäten annehmen, ausprobieren können. In andere Welten eintauchen und jemand anderer sein. Ein Astronaut, ein U-Boot-Kapitän, you name it – irgendetwas. Anonymität. Und die Anonymität garantiert Narrenfreiheit. Das finde ich extrem wichtig. Wobei, jetzt habe ich neulich gelesen, dass, wenn man eine Maske anzieht, man überhaupt nicht anonym ist, sondern man ein starres, fixes Gesicht hat, das total heraussticht. Also ist man dann überhaupt nicht anonym – im Gegenteil, man ist total greifbar, weil man genauso aussieht und nicht anders aussehen kann.
Außer alle tragen die gleiche Maske.
Dann ist es wieder etwas anderes, natürlich.
Abgesehen von Konsolen und Spielen lebt der SUBOTRON-Shop von Merchandise-Produkten, von Spielkultur- und Kunstgegenständen, die oft auch einzigartig sind und von österreichischen Künstlern stammen. Wie oft kommt es vor, dass du Menschen triffst, denen Videospielkultur in dieser Form, in der du sie repräsentierst, wirklich wichtig ist? Denn häufig ist die Reaktion ja Verblüffung, dass es so etwas überhaupt gibt. Wie oft ist es, dass Menschen kommen, die sagen: Super, es gibt noch jemanden, der das auch so sieht wie ich.
Dass Menschen Videospiele als in gewisser Weise lebenswichtig und prägend für ihre Sozialisation sehen – das gibt es schon relativ oft. Aber öfter aus einer Konsumperspektive und nicht in Bezug auf eine weiterführende kulturelle, wissenschaftliche Ebene. Was selten vorkommt, ist, dass Leute hereinkommen, kurz eine Runde drehen, keine Ahnung haben, was das soll und wieder gehen. Ich würde behaupten, dass bestimmt 80% der Besucher irgendeinen Bezug dazu haben und sich deshalb auch länger umschauen und – wenn sie zu mehrt sind – sagen: „Schau, das hab‘ ich gehabt!“, oder: „Das hat damals mein Nachbar gehabt!“. Es hat jeder irgendeinen Bezug dazu, auch wenn es für einen selbst überhaupt nicht wichtig war oder auch nicht begleitet hat über irgendwelche Jugendjahre. Aber irgendeine Geschichte oder Erinnerung löst es in fast jedem aus, der zufällig hereinkommt.
Wie ist die Vorplanung zum SUBOTRON-Shop abgelaufen? Oder war das wirkliche eine Spontanentscheidung?
Es hat keine Vorplanung gegeben. Ich habe den Kurator vom quartier21 des Wiener Museumsquartiers über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt. Ich selbst war öfter hier, als es den Cheap-Musikladen noch gab - zum Flyer herbringen oder mit den Jungs abhängen oder mal eine Platte kaufen. Dann habe ich dem Kurator das einfach mal aus dem Blauen heraus vorgeschlagen - weil ich auch nach einer neuen Perspektive nach meiner Veranstalter- und DJ-Karriere und mit der jungen Vaterschaft gesucht und neuen Input und frische Ideen gebraucht habe. Ich habe diese Sammlung zu Hause, die möchte ich öffentlich zugänglich machen, ich möchte einen Shop damit machen – gibt es dafür einen Platz? Dann meinte er: Ja, es zieht in zwei Monaten eine Mieterin aus. Klingt interessant, ich solle ein Konzept schreiben. Ich habe dann zwei Seiten zusammengeschrieben: was ich habe, was ich tun möchte, und er hat gesagt: Ja, super, passt, du kannst einziehen. Und ich habe dann den Opel Kombi gefüllt mit meiner Sammlung, bin hergefahren, habe aufgesperrt und noch ein paar Leiberln eingekauft, Bücher und Merchandising-Kleinkram.
Im Prinzip habe ich einfach 95% von meiner privaten Sammlung in IKEA-Vitrinen ausgestellt – fertig. Kein Business-Plan, keine Überlegungen, wie viel muss ich in einem Monat verkaufen, damit ich die Miete zahlen kann – das habe ich alles nicht überlegt. Ich habe es einfach gemacht, damit ich meinen Fuß in einer neuen Tür drinnen habe. Wenn es nicht hingehaut hätte nach drei Monaten, hätte ich eben wieder zugesperrt. Aber dann ist bald die Idee mit den Vorträgen gekommen. Der erste war schon im Jänner 2005 – zwei, drei Monate nach dem Aufsperren. Dann habe ich mich erst mit den organisatorischen Dingen auseinandergesetzt , zum Beispiel einen Verein gründen. Es waren oft Dinge, die mir komplett zuwider waren bis zu diesem Zeitpunkt. Auch Bittsteller zu sein bei irgendwelchen öffentlichen Stellen, bei der Politik, bei Wirtschaftsinstitutionen – das ist etwas, was ich immer tunlichst vermieden habe um meines eigenen Glückes Schmied zu sein. Nach dem Motto: Ihr lasst mich in Ruhe, ich lasse euch in Ruhe. Doch auf einmal habe ich einen Verein gründen müssen und war auf Geld angewiesen und auf das Wohlwollen von irgendwelchen Institutionen. Das war ein harter Lernprozess. Aber jetzt fällt mir da überhaupt kein Zacken mehr aus der Krone wenn ich Bittsteller bin. Weil ich weiß, dass ich einen Mehrwert generiere. Das hat dann auch funktioniert und ist jedes Jahr mehr oder weniger gewachsen.
Nach über zehn Jahren ist es weiterhin so, dass SUBOTRON-Veranstaltungen und der Shop in dieser Kombination im deutschsprachigen Raum relativ einzigartig sind. Wie sieht das Feedback von Experten und Fachleuten aus?
Wenn ich jemanden anfrage, ob sie oder er einen Vortrag halten möchte, ist es manchmal beinahe so, dass die sagen: „Na endlich fragst du mich einmal!“ Ich beginne den Kontakt immer mit: „Ich bin der und mache das, und hier ist der Link zu dem, was wir bisher gemacht haben.“ Dann ist die Antwort fast immer: "Ja, kenne ich eh, habe ich schon gehört davon. Ich weiß, um was es geht. Gerne. Was, ihr bezahlt auch Flug und Hotel? Super! Gage, da schauen wir mal ...". Die Leute kommen wirklich gerne – vor allem auch, wenn sie Partner und Familie mitnehmen können um ein Wochenende im schönen Wien verbringen zu können im Anschluss an den Vortrag.
In den vielen Jahren, in denen du das hier nun schon machst, den Shop leitest, die Lectures veranstaltest: Gibt es besonders markante Dinge, die sich in der öffentlichen Wahrnehmung verändert haben, was Videospiele betrifft?
Es wird gerne von einschlägiger Seite behauptet, dass Games in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind – das glaube ich nach wie vor überhaupt nicht. Aber was sich bestimmt geändert hat, und auch zu Gute kommt, ist, dass es in der Politik ein Umdenken gibt. Ich sehe das in den Fördersystemen. Es ist noch eine sehr junge Entwicklung, dass etwa die Wiener Wirtschaftskammer bezüglich der neuen Veranstaltungsreihe "SUBOTRON Pro Games" auf mich zukommt und sagt: Bei der Förderung der Creative Industries lag unser Fokus bisher auf Mode und Design, doch jetzt wollen wir uns auch in dieses große, unbekannte Gebiet Games vorwagen und Geld in die Hand nehmen. Auch bei anderen Fördersystemen, wie im Raum Wien die Wirtschaftsagentur – da bekommen digitale Spiele langsam einen ähnlichen Stellenwert wie mehr etablierte Kulturformen. Im Shop-Alltag bekomme ich diese Entwicklung aber nicht so mit, da habe ich mit Leuten aus aller Welt täglich zu tun, die entweder einen Bezug zum Thema haben oder eben nicht.
Was war eine der verblüffendsten Begegnungen mit Kunden? Ferne Länder und kuriose Anekdoten?
Für mich ist immer verblüffend, dass wirklich aus jeder Ecke der ganzen Welt Menschen einen Bezug zum Thema Videospielkultur oder zu Spielgeschichte haben, zu bestimmten Konsolen, zu bestimmen Produkten. Jeder hat – egal, ob sie oder er aus Argentinien oder Kasachstan kommt – irgendeine Assoziation. Das ist das Schöne und der Grund, warum ich – obwohl ich so ein Eigenbrötler bin – mich dem öffentlichen Raum aussetze. Zwar muss ich mich oft ärgern, wenn den ganzen Tag nur fünf Leute nach dem Klo fragen und dabei niemand auch nur einen Button kauft. Aber wenn ich dann wieder mit einem Touristen ins Gespräch komme, der mir etwas Interessantes erzählt, gleicht sich mancher Frust wieder positiv aus. Der Aufhänger jedes Gespräches ist natürlich fast immer der Shop und sein Inhalt. Aber sehr oft kommt man dann auf ganz andere Sachen zu sprechen. Da kann ich sehr viel über die Welt erfahren: Wie ist die politische Situation in Kasachstan oder was kostet die Miete in Buenos Aires? So bin ich eigentlich jeden Tag irgendwie auf Urlaub und erfahre ganz verschiedene Dinge aus aller Welt.