Ein offener Brief zum schockierenden Zustand spielerischer Sittenlosigkeit

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An die zuständigen Behörden, Stellen öffentlichen Interesses, Eltern, kirchliche Vereine.

Betrifft: "Luxuria Superbia"

Werte Leserinnen und Leser, 

ich wende mich in dieser Form an eine Öffentlichkeit, die ahnungs- und tatenlos einem Skandal widerwärtigsten Ausmaßes ausgesetzt ist, ohne sich dessen bewusst zu sein. Man ist ja einiges gewohnt als Beobachter des ekelhaften Unterhaltungsmediums Videospiele, und auch wenn ich hier, auf diesen Seiten, stets aufs Neue versuche, den Geist, ein gewisses Niveau und vor allem jenen sonst überall mangelnden Esprit wahrer Frömmigkeit und Sittenhaftigkeit vorzuleben, der sonst nirgends im Medium und seinem angeschlossenen Journalismus manifest wird, gestehe auch ich eine Fassungslosigkeit über die Untiefen, die das Medium in der zu berichtenden Frivolität als neuen Tiefpunkt erreicht hat.

Die Rede ist selbstverständlich von Luxuria Superbia, einem jüngst von zwei berüchtigten belgischen "Künstlern" veröffentlichten "Spiel", mit dem die unschuldigen Psychen zarter Kinder, anständiger Jugendlicher und frommer Erwachsener aufs Laszivste, Verruchteste und Perverseste geschändet werden.

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In aller Unschuldsheuchelei verzichtet dieses Machwerk perfide auf Hinweise auf seine abgründige, gottlose Versautheit und behauptet frech eine botanische Metapher: Eine Blume sei es, der man sich als Spieler mit zitternden Fingern, schwitzenden Händen und stoßweisem Atem nähere. Zu sehen ist eine hypnotische Tauchfahrt in ein psychedelisch buntes, fleischig warmes, feucht und heiß umklammerndes Inneres, das einen förmlich in sich hineinzieht, rhythmisch pulsierend, sinnlich auf jede Berührung reagierend.

Hier verlangt dieses perfide Stück subtilster Gehirnwäsche ein zartes, fragendes Berühren der kaum erblühten Knospen, dort ein nur scheinbar zufälliges Streicheln über sich willig öffnende Blütenkelche voll süßestem Nektar, antwortet devot und sich ergebend unserem erst vorsichtigen, schließlich immer stürmischer werdenden Kosen, Reiben und Umfassen; schamlos stachelt uns Luxuria Superbia mit neckisch-fordernden Worten, halb geflüsterten Aufforderungen und gehauchtem Stammeln immer weiter dazu auf, vorzudrängen, zu erforschen, auszuprobieren, mit Händen, Fingern und weit geöffneten Augen und Mündern das schamlose Schauspiel nicht nur zu erdulden, sondern es voranzutreiben, immer weiter, zuerst langsam, mit Bedacht und Vorsicht, jedoch dann stürmischer, immer schneller, heftiger, rhythmischer, in hartem Vor und Zurück, Hinein und Hinaus, Vor und Zurück, Auf und Ab, bis plötzlich --

-- ahh --

-plötzlich -

- überwältigend, in einer unnachahmlichen heißen Woge reinster und zugleich verderbtester Süße, und Hilflosigkeit, und Schwere, und Leichtigkeit, und Benommenheit, und weicher, weißer Ohnmacht uns die Nebel eines Endes umfangen ...

... das uns nach kurzem Dialog zurückwirft in ein Menü, in dem uns schamlos die Auswahl weiterer Erfüllungen präsentiert wird, komplett mit Highscoreliste, lockender Vorschau und lasziv täuschendem Weiß, das Unschuld vorgaukelt, wo Verruchtheit versteckt liegt!, wahnsinniges Verlangen!, bewusslos zurücklassendes Begehren nach erneutem Eintauchen in den Strudel aus Farben, Berührungen und leise lockenden Lauten,

zartem Gelächter,

heißem Atem auf sich beschlagenden Touchscreen-Oberflächen,

schwitzenden Händen,

geöffneten Hemdkragen, Lippen und ... ahhh ...

öhm. Wo war ich?

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Jedenfalls: Luxuria Superbia ist schamlos. Es verführt nicht nur unsere Jugend, sondern uns alle; niemand kann sich angesichts seiner mit verruchter, erotischer Eleganz hingeworfenen Reize sicher sein, nicht jenem sirenenhaften Sog zu verfallen, der lockt und flüstert, heiß und feucht seine Lippen an unsere Ohrmuscheln schmiegt und uns bis in die Nächte verfolgt, in denen wir dann, mit stockendem Atem, mit Kopfhörern und schlechtem Gewissen, unter den Decken heimlich der ungesunden Leidenschaft zu diesem gottlosen Machwerk aus Bits, Bytes und sündigen Fantasien verfallen. Pfui, sage ich! Pfui!!

Es ist mir ein Anliegen, mit diesem offenen Brief vor dieser Gefahr zu warnen. Luxuria Superbia krallt sich in Seelen, Gehirne und Höschen. Es erfüllt seine Spieler mit dem schwindlig machenden Duft von Hormonen, Schweiß und Zungenküssen, klebt wie Honig und Speichel, macht leise, zärtlich lockende, kehlige Geräusche, betrachtet uns mit faulem, satt-hungrigem Blick ...

Fangen Sie gar nicht erst damit an.

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Kommentare

Den Rainer macht das geil.

Ich find's fad. Diese Sinnlichkeit, die du hier so überschwänglich beschreibst, habe ich in dem Game nicht gefunden. Auch soundtechnisch ist es ziemlich schwach. Die Herzchen und bunten Schmetterlinge nerven auch. Von Punkten und Statistiken haben sie sich auch nicht lösen können, was gerade bei einem Thema wie weiblicher Orgasmus einigermaßen enttäuschend ist.

Wer glaubt, dass das Thema "weiblicher Orgasmus" ist, irrt. :-D siehe die Diskussion hier: http://superlevel.de/spiele/indie-spiele/luxuria-superbia/#comments

Ist das so? Der Artikel von Dennis bestätigt eigentlich nur meine Meinung. Und nachher herzugehen und kichernd fingerzeigen mit "hihi, das tust du ja nur reininterpretieren" ist nicht. Das Game war von Anfang an promotiontechnisch so angelegt, dass jede/r ziemlich direkt zu dem Thema hingeleitet wurde. Vielleicht stört mich das auch an ToT allgemein, dass sie negative Kritik oft insofern zurückweisen, dass sie sagen: Du hast es nicht verstanden oder dir von deinen Vorurteilen einen Streich spielen lassen. So macht man es sich zu einfach, und das Spiel wird dadurch auch nicht besser.

Fakt ist, dass die eindeutige interpretation der blume als Vagina sehr, sehr nahe liegt, aber tatsächlich nirgends explizit vom Spiel erwähnt wird. Und sorry, aber rein mechanisch liegt ein Vergleich mit dem männlichen Orgasmus viel näher - zur Erinnerung: Blumen haben ja beide Geschlechtsorgane. 

ToT also hier auf eine einzige Interpretation festzunageln und dann für diese eine Variante zu kritisieren, greift auch zu kurz. hohes Ross: mag sein. ich finde im Gegenzug, dass Gameskritiker sich schwer tun, mit interpretationsoffenen Werken umzugehen - siehe Christofs Text zu gone home und meinen zu Amnesia.

[...] talk about possible other interpretations. Critics like Leigh Alexander, Joe Köller, Rainer Sigl) have argued that Luxuria Superbia is about the fetishization of our devices. Rainer Sigl quipped [...]

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