#GamerGeddon

Dieser Text möchte nicht jene verhöhnen, die unter dem Hashtag #GamerGate in den letzten 24 Stunden aus ihrer Sicht untragbare Zustände im Games-Journalismus anzuprangern glauben. Stattdessen will ich mal erklären, warum dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist.

Viele der empörten Spieler, die sich unter der Fahne von #GamerGate zusammenfinden, glauben fest daran, dass gerade eine Vertuschungsaktion epischen Ausmaßes im Gange ist. Sie glauben, dass die etablierten Spielemedien - Print ebenso wie Online - mit aller Gewalt dabei sind, ihre eigene Verkommenheit und Bestechlichkeit zu vertuschen. 

Der Skandal, der aus der Sicht der #GamerGater nur der Gipfel des Eisbergs ist, ist jener um Zoe Quinn, die angeblich Sex gegen positive Berichterstattung geboten hätte. Doch in Wirklichkeit, so ist der Konsens der Empörten, geht es um viel mehr: eine ideologische Umerziehungsaktion Orwell'schen Ausmaßes, um die Seele dessen, was es heißt, "Gamer" zu sein.

#GamerGater glauben, dass es eine Agenda gibt, die mit aller medialer Gewalt der korrupten Spielemedien den Spielern aufs Auge gedrückt werden soll. Der Feind: "Social Justice Warriors", Kämpfer einer "Ideologie" der "Social Justice", die zu Lasten der männlichen, weißen Spielerschaft nur vermeintliche Randgruppen bevorzugt: Frauen, Behinderte, Schwarze bzw Nicht-Weiße, "Casuals", "Fake Gamers".  Diese Randgruppen würden bevorzugt, in der Berichterstattung hochgefeiert, während - wie etwa um Fall Sarkeesian - bei nichtigsten Anlässen sofort die Sexismus- und Misogynie-Keule ausgepackt wird, um die eigentlich inzwischen benachteiligte Gruppe, nämlich die "Gamer", im Selbstverständnis eben jene weißen, männlichen Spieler, aus denen sich #GamerGate rekrutiert, ungerecht zu beschuldigen und zu verdrängen.

Kein ernstzunehmedes Medium, Print oder online, wird sich der Forderungen von #GamerGate annehmen, ohne sich lächerlich zu machen.

In vielen Redaktionen, so glauben die zornigen #GamerGater, sitzen inzwischen solche "Social Justice Warriors", die durch die Macht ihrer Position den weißen, männlichen Spielern, die sich seit jeher als wahren Kern des Mediums betrachten, alle möglichen Gemeinheiten antun. Das fängt vom korrupten Pushen obskurer Pseudospiele wie etwa "Gone Home" an, geht über die atemlos genau bis ins Detail wiedererzählten Sexkapaden von Feminazis wie Zoe Quinn bis hin zu Anita Sarkeesian, die - das wird jedes mal verbittert betont - sich Unmengen an Geld erschlichen habe, um dann Männerbashing zu betreiben.

Das Ziel der "Social Justice Warriors", das fürchten die #GamerGater aus Erfahrung, kann nur eines sein: ihnen etwas wegzunehmen, Spiele  zu zensieren, zu verbieten und als Moralapostel sie, die gesamte "gamer culture", zu Unrecht als misogyne Sexisten hinzustellen.

Das ist in etwa der Kern dessen, was #GamerGater als den eigentlichen Missstand betrachten. Der aber darauf aufsetzende, jetzt sogar noch größere Skandal in ihren Augen: Dass keiner in den Medien über diesen doch für jeden jetzt in YouTube-Videos und endlosen 4chan-Picture-Posts "bewiesenen" Korruptionssumpf samt Umerziehungsagenda berichten will.

Die Korruption, so wird deshalb geschlussfolgert, ist systemisch. Alle machen mit. Alle sind korrupt. Alle haben sich verschworen, und nur ein Massenaufstand der "Gamer" kann etwas bewirken. Dann müssen auch die anderen Medien aufwachen und von diesem Skandal, von dieser beispiellosen Verschwörung in der Gamespresse Notiz nehmen.

Sorry, aber: Das wird nicht passieren.

Zuerst: Kein ernstzunehmendes Medium wird über den "Fall" Zoe Quinn anders berichten als im Zusammenhang mit der beispiellosen Hexenjagd gegen sie, die die überall - face it: nicht zu Unrecht - bekannten Vorwürfe der Misogynie der "gamer culture" nur bestätigt. Die Aussagen eifersüchtiger gehörnter Exfreunde sind keine Beweise für "Korruption". Es GIBT im "Fall" Zoe Quinn keine Beweise für "Korruption": Keine mit Sex oder sonstwie gekauften Reviews, keine finanziellen oder sonstigen Vorteile für Zoe Quinn.

Ihr Spiel wurde - das mag für die Verfechter des "true gaming" schwer vorstellbar sein - deshalb in vielen Medien erwähnt, weil es etwas Neues macht, ein soziales Problem mit der Welt des Spielens verknüpft, Relevanz über die stickigen Games-Kanäle hinweg hat. 

Ebensowenig gibt es eine "Verschwörung" von "Social Justice Warriors". Kein ernstzunehmendes Medium wird über die krude Theorie, dass es eine "Agenda" der "Social Justice" geben soll, die hier gewaltsam gegen die arme Spielerschaft zum Einsatz gebracht wird, jemals wiedergeben, außer um sich über jene lustig zu machen, die daran glauben.

Der Grund: Soziale Gerechtigkeite anzustreben, ist keine "Agenda" irgendwelcher Verschwörer. Soziale Gerechtigkeit ist, im Grunde genommen, das Ziel JEDES politisch oder gesellschaftlich sich äußernden Menschen, egal welcher politischen Richtung. Wer sich - wie #GamerGate - ungeschickterweise das in rechten Kreisen beliebte Gespenst der "social Justice" als bösen, verschwörten Feind ausgesucht hat, MUSS überall, wo noch zwei Gehirnzellen zusammenfunken, als überprivilegierter Spinner abgeurteilt werden.

Und: Es ist auch kein Skandal, wenn Plattformen wie VICE unter Artikeln zu Quinn und/oder Sarkeesian "kritische" Kommentare zu Dutzenden oder auch zu Hunderten löschen. Es mag sein, dass manche #GamerGater sich von Sexismus distanzieren, doch dieser Teich ist bereits so vergiftet, dass keiner unbeschadet darin schwimmt.

Die Schreihälse, Bombendroher, Vergewaltigungs-Tweeter und simplen Demonstrativsexisten verseuchen die Ränge bis ganz hinunter. Die Strategie, in möglichst großer Zahl möglichst viel Wirbel zu schlagen, lässt #GamerGate aussehen wie einen Mob, der mit den immerselben "Argumenten" überall, wo er auftaucht, inhaltsleeren Wirbel erzeugt und nur von einem getrieben ist: irrationalem Hass. Dass dann Kommentare gelöscht werden, ist keine Zensur, sondern Zivilisation. Nennt es Hygiene.

Es gibt wirklich #GamerGate-Aktivisten, die die unfassbar mühsame Aufgabe auf sich nehmen, Dutzende Medienvertreter anzuschreiben, mit der atemlosen flehentlichen Bitte, den vermeintlichen "Skandal", die angebliche "Korruption", die gewaltige "Vertuschung" ernstzunehmen, darüber zu berichten. Sie tun mir leid. 

Kein ernstzunehmedes Medium, Print oder online, wird sich der Forderungen von #GamerGate annehmen, ohne sich lächerlich zu machen. Was als Machtdemonstration "der Spieler"  gedacht ist, wirkt nach außen wie ein Tobsuchtsanfall eines unreifen, irrationalen, hasserfüllten, frauenfeindlichen Mobs, der alle Vorurteile der spieleignoranten Öffentlichkeit bedient.

Die Drohung der #GamerGater, die ihrer Ansicht nach "korrupten" Medien zu boykottieren, ist für viele, auch mich, ein Grund zur Hoffnung: Wenn sich dieser sich selbst für so groß und für "das Gaming" wichtig haltende Bestandteil der Spielerschaft tatsächlich vom seiner Ansicht nach "korrupten" Rest des Mediums absprengen möchte, so soll er es gerne tun. 

Die Zeit der "Gamer", der in der Selbstwahrnehmung hier so ungerecht behandelte weiße, männliche Teil der Spielerschaft,  als Gatekeeper eines Mediums, das nur für sie da zu sein hat, nur ihre Wünsche, Weltbilder, Vorlieben zu bedienen hat, ist vorbei.

So gesehen ist der Begriff #GamerGate doppeldeutig zu verstehen: Es ist vielleicht wirklich jenes Portal, vor dem sich die Wege trennen.

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