Games from another dimension: 868-Hack

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Bevor Christof und ich uns auf der Spur des Rogue-likes wieder in Mille Cavernes begeben, ein kurzes Zwischenspiel - kein Game That Never Was, sondern Games Speculation von der anderen Seite.

Der große Greg Costikyan hat schon 2007 in seinem Text zu Dwarf Fortress auf dem tollen, leider inzwischen eher stillen Blog Play This  Thing ein wunderbares Bild gefunden:

Dwarf Fortress is a game from an alternate universe. Clearly, no one in his right mind would have created it in our own. I deduce this from its main characteristics, and I think can very clearly describe the alternative universe it came from--let us call it "Earth B." ... In Earth B, computer games have existed since the inception of the computer revolution, as on our own world; but lacking the need to spend the vast bulk of their processing power pushing pixels to display pretty images on the screen, game developers have instead harnessed their power to produce incredibly detailed and sophisticated simulations that are presented to the players thereof entirely in ASCII.

Michael Broughs 868-Hack, das in den letzten Tagen mein Gehirn infiziert hat wie wenige Spiele in letzter Zeit, ähnelt Dwarf Fortress nur in dieser Hinsicht. 

868-Hack ist nicht von hier. Es kommt von woanders.

1342Blick auf den Temple von Donkey Kong

Man stelle sich eine parallele Welt vor, in der Spielen mehr ist als nur Unterhaltung oder ein Geschäft. Der homo ludens ist in dieser Welt das von allen angestrebte spirituelle Ideal des völlig in sich ruhenden, perfekten Menschen, der ludische Bodhisattva; im Alphazustand des perfekten Spielflows erreichen die ernsthaftesten Spieler den Zustand höchster Konzentration, Gelassenheit und Transzendenz.

In zahllosen Tempeln, Klöstern und Universitäten arbeiten die größten Geister daran, sowohl ihre Fertigkeiten in den klassischen Disziplinen zu vervollkommnen als auch neue Spiele zu erfinden, die wie Atemübungen, Mantras, Gebete oder Koans ihre Spieler zugleich entrücken als auch diamantgleich sammeln sollen. Schach, Go sowie klassische analoge Spiele werden natürlich noch verehrt, doch der Fortschritt hat digitale Spiele ermöglicht, die die Erfahrungen der alten Kulte erweitern.

1344Novizen machen Pause vor dem Tekken-Dojo

Der heiteren, gelassenen Meisterung von Tetris verschreiben sich tausende Mönche und Nonnen in ihren Klöstern; der Kult von Super Hexagon predigt den kurzen, steilen Pfad zur Erleuchtung. Zahllose Anwärter sammeln sich im November, wenn die Kampf-Dojos neue Novizen zum Studium von IK+, Street Fighter und Tekken aufnehmen. In riesigen Bibliothekstürmen haben sich die verfeindeten Sekten einer seit Jahrhunderten andauernden Partie EVE Online streng von der Außenwelt abgeschlossen. Einfache Menschen treffen sich zur Abendmeditation auf riesigen Community-Servern, um in Minecraft ihre Gemeinschaft zu feiern. 

Michael Brough hat den Tempel des Rogue-likes verlassen, um störrisch seinen eigenen Pfad zur Erleuchtung zu verfolgen. 

Diplomatische Konflikte werden rituell in großen MOBA-Arenen oder aber Quake Classic ausgetragen; seit Jahrzehnten dominieren die südlichen Stadtstaaten das ansonsten friedfertige globale Parlament. Die Politische Universale Spieltheorie hat als politisches und wirtschaftliches Modell beispiellosen Frieden und Wohlstand für die größtmögliche Zahl an Menschen gebracht, die neben ihrer täglichen Verrichtungen das Spiel als spirituellen, sozialen und kreativen Ausgleich als Zentrum ihrer Kultur begreifen.

Michael Brough ist ein Sadhu in dieser Welt. Als Wandermönch hat er den Tempel des Rogue-likes verlassen, um störrisch seinen eigenen Pfad zur Erleuchtung zu verfolgen. Mit 868-Hack hat sein kauzig-humorvoller Geist ein Instrument erschaffen, das die Tugenden seiner Schule - prozedurale Generierung, strenge Härte im Permadeath, eine verwirrende Anzahl an Optionen - mit der Gnosis der großen Puzzle-Traditionen verbindet: eine kristallklare Risk-Reward-Mechanik, strengste formale Beschränkung, leicht erlernbare Spielmechanismen, die erbarmungslos logisch bleiben. Das Würfelglück als Meditationsaufgabe, der Highscore als abstraktes Ziel.

1345Auf der Suche nach dem perfect run: Sadhus vor dem Rogue-like-Schrein

868-Hack ist hässlich, doch das ist in dieser parallelen Dimension kein Makel, sondern Absicht. Sein behelfsmäßiges Äußeres verstellt so den Blick nicht auf die Erhabenheit seiner Mechanik, die Strenge seiner Meisterschaft. 

Dass 868-Hack aus dieser Welt gefallen ist und hier, bei uns, gelandet ist, ist ein Glücksfall. Michael Brough, dieser schottische Hippie mit dem komischen Bart und den langen Haaren - hier vom unnachahmlichen Dominik Johann perfekt porträtiert - hat uns sein Gepäck aus dieser anderen, der ludischen Dimension mitgebracht, die zu gleichen Teilen mit Neal Stephensons mönchischer Vision Anathem als auch mit Hermann Hesses Glasperlenspiel zu tun hat. 

Dass Brough für 868-Hack auf iOS-Geräten die angesichts der "Grafik" schier unverschämte Summe von 5,49 Euro verlangt, die das Spiel tatsächlich unbedingt wert ist, während zugleich der PC-Prototyp gratis ist, ist ein weiterer Hinweis auf den Ausnahmestatus des Spiels sowie seines Schöpfers.

Denn so ist das mit Sadhus: Sie sind ein bisschen ver-rückt. Schön, dass er hier ist. Und jetzt gebt ihm Geld.

 

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