Krieg spielen: "Shogun 2: Fall of the Samurai"
Dieser Text ist eine Wortspende von Reinhard Zierhofer, der manchen vielleicht von der VGT-Schwesterseite tamtamvienna bekannt ist. Vielen Dank!
Full Metal Jacket ist ein Anti-Kriegsfilm. Im Westen nichts Neues ist ein Anti-Kriegsbuch. Beide zeigen auf eindringliche Weise und ohne erhobenen Zeigefinger die Schrecken eines modernen Krieges. Nur im Medium Games scheint es problematisch zu sein, Krieg so darzustellen, dass man eine Ahnung von seiner gewalttätigen Sinnlosigkeit bekommt - wer Krieg spielt - und das ist immer noch in einem großen Prozentsatz aller Spiele der Fall - will gewinnen, will eine Aufgabe, die lösbar ist, will Spaß haben.
Es ist kein Zufall, dass es viele Kriegsspiele, aber so gut wie keine Antikriegsspiele gibt. Shogun 2: Total War – Fall of the Samurai ist eines.
Alles fängt so schön an, wie immer eigentlich. Jeder, der ein Total War gespielt hat, kennt das Prinzip: Rundenstrategie auf Landkarte, in dem Fall von Japan, Echtzeitkämpfe in den episch inszenierten Schlachten. Jeder Teil der Serie war einer anderen Epoche gewidmet, von den alten Römern bis zur Kolonialzeit war schon alles dabei, das Mittelalter und das Japan der Samurais sogar schon zweimal. In jedem der Teile bisher tüftelte man an der Armeenzusammenstellung, der richtigen Taktik und freute sich, wenn man beim Aufeinandertreffen von zwei Armeen die eigene zum Sieg führte.
Das sind keine heroischen Schlachten, es sind Mühlen des Todes
Schlachten waren in Total War bisher die Verwirklichung von Bubenträumen. Ritter in glänzenden Rüstungen treffen in offener Schlacht aufeinander, der klügere Stratege, der bessere Flankenangriffe ausführt oder seine Bogenschützen besser einsetzt, gewinnt. Der Tod am Schlachtfeld von Total War ist heroisch, ehrenhaft. Im Falle von Shogun 2 war es das spätmittelalterliche Feudalwesen der Samurai des 16. Jahrhunderts, das die romantisch-heroische Kulisse abgab.
Nun hat Creative Assembly, die Schöpfer der Total War-Reihe, ein Addon zu Shogun 2 veröffentlicht, welches in der Zeit der Meiji-Restauration spielt. Bekannt ist diese Epoche in Europa durch den Tom-Cruise-Film The Last Samurai. Nach über 200 Jahren in Frieden und Abgeschiedenheit vom Rest der Welt unter der Herrschaft der Shogune (Militärmachthaber) des Takegawa-Shogunats landet eine amerikanische Flotte in Japan. Der Tenno, bisher eine Marionette des Shoguns, erkennt seine Chance, wieder an die Macht zu kommen und verbündet sich mit den Westmächten. Deren moderne Technik verspricht den entscheidenden Vorteil gegenüber den traditionellen Anhängern des Shogunats. Genau hier beginnt Fall of the Samurai.
Alles fängt schön an, so wie immer. Man stellt seine Armeen auf und zieht mit ihnen durch Japan. Erste Schießpulvertruppen sind dabei und erste Holzkanonen. Diese sind ungenau und harmlos, und die ersten Linieninfanterieeinheiten haben keinerlei Chance gegen die Samurai. Wenn man sich auf die Seite des Tennos schlägt, ist es früher oder später so weit: Die erste westliche Artillerie ist da. Man baut drei, vier Stück von ihnen, gibt sie in eine Armee und irgendwann wird diese Armee in eine Schlacht verwickelt.
Zuerst ist es schön zu sehen, wie effizient diese Artillerie ist. Sie trifft, sie tötet zuverlässig. Man gewinnt die Schlacht.
Man gewinnt die nächste Schlacht.
Man gewinnt Schlachten, in denen man tausende Gegner tötet, ohne dass man eigene Männer verliert.
Irgendwann, spätestens wenn man dann noch sein erstes Gatling-Geschütz live erlebt hat, beginnt es unheimlich zu werden. Das sind keine heroischen Schlachten mehr, wo Mut und Taktik entscheiden, sondern Mühlen des Todes. Inzwischen ist man auch auf Gegner getroffen, die ebenfalls moderne Geschütze einsetzen. Die Strategien ändern sich: Man beschützt seine kostbaren Einheiten nicht mehr, sie werden entbehrlich. Den Sachzwängen des Schlachtfeldes folgend treibt man nun seine Infanterie gegen die Stellungen des Gegners, Hauptsache, sie können sie überrennen und irgendwie den Sieg sichern. Es ist die Logik des maschinellen Krieges, wie sie sich in der Realität im 19. Jahrhundert und schließlich in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges dargestellt hat: Materialschlachten, maschinelles Töten.
Keine edlen Samurai mehr am Schlachtfeld, sondern Menschenmaterial, das man tausendfach verheizt. Das Spiel hat aufgehört, Spiel zu sein, es ist zu irgendwas anderem geworden. Es macht nicht mal mehr wirklich Spaß, es strahlt eher eine morbide Faszination aus.
Man muss Creative Assembly ein großes Kompliment für ihren Mut machen. In vielen Foren beschweren sich die Spieler, dass das Spiel keinen Spaß mehr macht - die Artillerie sei zu stark. CA ist diesen Schritt bewusst gegangen und hat somit eigentlich eine Todsünde des Spieldesigns begangen: Ja, Fall of the Samurai ist „unbalanced“. Dafür bleibt es aber einer anderen Tradition treu: der eines historischen Realismusanspruchs, wie er in Table-Top-Kreisen traditionell groß geschrieben wird.
Damit hat Creative Assembly aber mehr geschaffen als ein Spiel. Fall of the Samurai ist ein Lehrstück über die Grausamkeit des modernen Krieges, ein Abgesang an den von ihnen selbst propagierten Heroismus des Kampfes Mann gegen Mann.
Fall of the Samurai bleibt seinem historischen Anspruch treu und führt die historischen Schlachten der Vergangenheit über in das ebenso historische Schlachten des modernen Krieges. Schon dadurch ist es ein Anti-Kriegsspiel, ganz ohne erhobenen Zeigefinger