Pulsierende Punkte, konsequentes Klangdribbling

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Das ist ein Beitrag zu Zockwork Oranges "52 Games"-Projekt, in dem pro Woche ein Text zu einem bestimmten Thema zu einem frei wählbaren Spiel gefragt ist. Thema Woche 9: Klang.

Jahre, bevor es ausgewiesene Musikvideospiele gab, bevor der Flow des Gameplay mit dem Rhythmus eines Beats verschmolzen ist und Wortkreationen wie "synästhetische Erfahrung" und "immersives Eintauchen" noch nicht in den Wortschatz von PR-Menschen Einzug gehalten haben, war Musik bereits ein besonders markanter Bestandteil vieler Videospielerlebnisse. "When you think of game music, how many of the songs you can hum were released in the the past few years, and how many are rooted in the Nintendo Entertainment System, or another nostalgic canvas?", fragt Patrick Klepek in der aktuellen "Sound Issue" der Kill Screen. Er kennt bereits die Antwort: Menschen können die Melodien von "Super Mario Bros." nachsingen und die von "Bubble Bobble". Aber keiner merkt sich die vielen austauschbaren Orchester-Soundtracks durchschnittlicher Triple-A-Spiele anno 2012. Früher haben wir uns die Melodien von Videospielen eher gemerkt, weil die kruden Sounds der alten 8-Bit-Maschinen und die zwei Jahrzehnte später daraus resultierende Chipmusik musikalisch simpel, dafür von der Klangfarbe umso eindringlicher (Kritiker/innen würden sagen: nervtötender) waren und sind.

Der unverwechselbaren Klang der Soundchips alter Computersysteme und Platinen hat oft dem frenetischen Spielprinzip die Hand gereicht. Vor allem in der Arcade waren die Games nicht nur laut und fiepsend, sondern sie haben auch heftig geblinkt und geflimmert. Dementsprechend hektisch mussten auch die Eingaben von Spielerin und Spieler sein, wenn man im jeweiligen Game Erfolge einfahren wollte. Zen-Stimmung, Kontemplation oder einfach mal ein Päuschen zwischendurch haben zwar in der heutigen Spielkukltur durchaus ihre Berechtigung. Doch mit der Anmutung von Spielen wie "Flower" und "Journey" hätte sich 1980 kein Quarterdollar verdienen lassen. Abgesehen davon hätte es einfach nicht zum damaligen Stand der Technik und in weiterer Folge dem distinkten audiovisuellen Wesen dieser archaischen Spiele gepasst. Jenova Chen hätte darob den Kopf geschüttelt und konstatiert: Alles Arschlöcher.

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Nicht nur die Spielhalle hatte ihre Aufmerksamkeit heischenden Titel, auch für die Heimkonsolen haben die Hersteller so gut es ging versucht, das krude Bling-Bling der Arcade-Monster zu übertragen. Wer Mitte der 1980er ein Kind war, wusste über diese chronologische Reihenfolge aber oft nicht bescheid. So war für mich am Philips Videopac G7000 "Munchkin", dieser dreiste "Pac-Man"-Klon, einige Jahre über der wahre Star. Das Original, die gelbe Kugel, kannte ich noch gar nicht. Stellt man heute beide Games nebeneinander, stinkt die "Munchkin"-Cartridge der schwachbrüstigen Videopac-Konsole gegenüber der teuren "Pac-Man"-Platine natürlich ab. Nicht so aber bei den Klängen. Die Soundeffekte waren hinsichtlich Qualität und Anmutung da und dort circa gleich. Und womöglich ist es pure Nostalgie, doch auch in der heutigen Gegenüberstellung hat "Munchkin" ein packenderes Design als "Pac-Man". Denn ebenso wie die dümmlich grinsende Spielfigur, die im Gegensatz zu Pac-Man micht bloß Mund sondern auch Augen und Fühler hat, wirkt das gesamte Spiel reichhaltiger, wie eine seltsam-geniale Mischung aus Klamauk, Kinderbuch und purem Stress. Punkte gibt es bei "Munchkin" zwar bei weitem nicht so viele zu fressen wie bei "Pac-Man" - es sind pro Level nur insgesamt 12 Stück -, doch diese bewegen sich dafür andauernd. Der allerletzte Punkt jedes Levels wird sogar stets so schnell, dass ihn Munchkin ohne schlaue Abkürzungen nicht fangen könnte.

Die mantraartige Klangkulisse von "Munchkin" tönt ohne Unterlass. Munchkin sendet bei jeder Bewegung ein pulsierendes, digitales Dribbeln aus, egal, ob er gerade etwas mampft oder nicht. Bleibt er stehen, pluckert es weiter und manchmal werden kuriose, hochfrequente Noten ausgespuckt. Wird ein bunter Punkt verschluckt, darf - ganz "Pac-Man" - Munchkin für kurze Zeit die drei ansonsten ihn jagenden Geister fressen. Wenn das passiert, reißt ihnen Munchkin quasi die Kleider vom Leib - und genau so klingt das dann auch. Allerdings klingt nicht immer alles gleich, manchmal machen sich die Soundeffekte auch selbstständig, werden verschluckt oder bleiben überhaupt aus. Nicht nur wir, sondern auch das Game kann von sich gestresst sein. Es ist wohltuend zu beobachten, dass alte Computer- und Spielkonsolensysteme manchmal inspirierende Fehler und Bugs produzieren. Bei modernen Geräten stürzt das Spiel eher ab, doch bei den alten Kisten machen sich stattdessen Figuren selbstständig oder es werden eben manche Sounds in einer andere Weise abgespielt als es in der vorigen Partie der Fall war. Nichts ist unmöglich. Verlassen kann man sich nur auf Munchkins konsequentes Klangdribbling.