Riders on the Shitstorm: Kurzer Nachtrag

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Dass die Veröffentlichung meines Artikels "Warum ich nicht Diablo III spiele" so viele Spieler auf die Palme getrieben hat, war eigentlich abzusehen und vermutlich auch Kalkül vonseiten Golem.de: Kontroverse bringt Quote, Provokation generiert Klicks. Ich überlasse es bei derartigen Stürmen in den jeweiligen virtuellen Wassergläsern den Lesern selbst, meine Texte zu verteidigen, und siehe da: Es gab doch einige, die meiner bescheidenen Einschätzung von Diablo III etwas abgewinnen konnten. Über 700 Mal wurde der Text auf Facebook geliket - nachdem's keinen "Dislike"-Button gibt zwar keine verlässliche Statistik, aber immerhin.

Einen Kritikpunkt der Kommentatoren nehme ich ernst: Tatsächlich habe ich in meiner kleinen Polemik nicht erwähnt, was für mich persönlich denn Spielspaß bedeute, wenn ich ihn in Diablo III schon nicht zu finden glaubte. Stattdessen habe ich nur verraten, was für mich Spielspaß nicht ist:

Ich verweigere mich, weil für mich "Spielspaß" und eine zugegeben meisterlich herbeigeführte Zwang- und Suchtspirale zwei verschiedene Dinge sind.

Drum kurz fürs Protokoll: Es folgen einige Definitionen dessen, was für mich Spielspaß bedeuten kann - und was ich unter Umständen stattdessen in all der Zeit mache, die ich nicht in den Dungeons von Diablo III verbringe.

 Spielspaß ist für mich:

... in Day Z im Morgengrauen den Banditen in den Rücken zu fallen, die mich gestern abend eine halbe Stunde lang in einem Bauernhaus belagert haben, um mir meine Bohnen und meine Medikamente zu stehlen. Die Flucht durch den nächtlichen Wald war halsbrecherisch und denkbar knapp, doch heute weiß ich, wo sich die Mistkerle aufhalten. Rache ist süß.

... in Portal 2 hirnverknotende Teleporträtsel zu lösen, während mich GladOS per subtiler psychologischer Manipulation dazu bringen will, mich mies zu fühlen. Humor, wenn er denn in Spielen vorkommt und gut gemacht ist, ist ein noch rareres Gut als das legendärste Item. Echt ehrlich.

... in The Walking Dead die schwierige Entscheidung treffen zu müssen, ob ich die verzweifelte junge Dame in den Suizid gehen lasse oder nicht. Ich habe es getan, ihr meine Waffe gegeben und mit dumpfem Schmerz in der Magengrube zugesehen, wie sich meine Entscheidung in digitale Realität verwandelte. Hier ist eine Welt, in der ich Entscheidungen mit ihren Konsequenzen erlebe; es gibt noch andere, rarere Stoffe als Endorphine, die Spiele in uns erwecken können.

... zuzusehen, wie in Dwarf Fortress meine in stundenlanger Kleinarbeit durchkonstruierte und, okay, ich geb's zu, vielleicht größenwahnsinnige Magma-MassenvernichtungswaffeVerteidigungswaffe endlich zum Einsatz kommt. Oh, der Zwerg, der den Hebel gedrückt hat, um meine mich belagernden Feinde mit heißem Tod zu überraschen, wird durch einen bisher unbemerkten Konstruktionsfehler miteingeäschert? Wär nicht so schlimm, wenn er nicht siebzehn enge Freunde hätte, die angesichts dieser Tragödie in Berserkerwut verfallen und im Festsaal randalieren. Uh-oh.

Spielspaß ist subjektiv. Drum hieß mein Artikel ja auch nicht "Warum du nicht Diablo III spielen solltest".

... in Tiny Wings mit einem perfekt gelungenen Perfect Slide die siebte Insel zu verlassen und mich ganz im Flow von Schwung, Bewegung und sich endlich auszahlender geduldiger Übung in die Lüfte zum Anflug auf Insel 8 zu machen, während hinter mir die Sonne im Meer versinkt. juchhuuuuuuuu.

... in Skyrim bei Vollmond die höchsten Gipfel zu erklimmen, ganz ohne den Blick auf die endlose To-do-Liste, und im Tal einen majestätischen Elch vor dem gespannten Bogen zu erblicken - und ihn dann zu verschonen. Hinter diesem Berg dort war ich immer noch nicht - auch nicht nach über 100 Stunden Spielzeit.

... in Super BomberMan mit höchster Geschwindigkeit und größtem Bombenradius auf leergefegtem Feld gegen meine Freundin ein Bombengewitter zu entfachen, dem ich dann meistens selbst zum Opfer falle.

... in Nethack, jawohl Nethack, diesem Uropa von Diablo III, diesem hässlichen, kleinen, uralten Spiel mit einem Barbaren auf Level 7 dem jämmerlichen Hungertod zum Opfer zu fallen, nur weil ich so unvorsichtig war, meine Futterrationen gegen diese vermaledeite Plattenrüstung einzutauschen, die noch dazu verflucht ist und mich nur mehr zwei Felder sehen lässt. Und nein, bei Roguelikes ist nix mit Saven oder Respawn: Try again - ist es zu hart, bist du zu schwach. 

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, denn ja: Ich spiele gern. Und nein: Ich habe selten die Zeit bereut, die ich mit Spielen verbrachte. Selten, aber doch manchmal. Die mechanische Abgrasung von Kerkern zur Charakteroptimierung empfinde ich dagegen durchaus als weniger prickelnd als, sagen wir mal, einen netten Spaziergang, einen Abend mit Freunden oder ein gutes Buch.

Aber hey - that's just me. Spielspaß ist wohl subjektiv. Drum hieß mein Artikel ja auch nicht "Warum du nicht Diablo III spielen solltest". Mit seiner Lebenszeit, so viel ist klar, darf jeder anfangen, was er will.

Das Leben, so habe ich auch meinen ersten Text beendet, ist zu kurz. Für mich persönlich zu kurz für Item-runs. Und weil Blizzard weiß, dass auch viele, die Diablo III gekauft haben, das so sehen, gibt's bald das Auktionshaus, in dem man die geilsten Items dann einfach kaufen kann. 15% der Gelder bleiben dabei bei Blizzard.

In diesem Zusammenhang verweise ich dann auch mal auf den Begriff der "fun pain" als Monetisierungsstrategie im Spieldesign: 

Tactics for Game Monetization.

Huch - ich glaube, das ist aber fast schon wieder ein Grund mehr, warum ich nicht Diablo III spiele.

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