Sex: Der Sex des Sieges

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Das ist ein Beitrag zu Zockwork Oranges "52 Games"-Projekt, in dem pro Woche ein Text zu einem bestimmten Thema zu einem frei wählbaren Spiel gefragt ist. Thema Woche 7: Sex.

Das Problem mit Sex in Spielen ist der Versuch, sexuelle Gefühlszustände und Handlungen verlustfrei von der physischen Welt in den Videospielraum übertragen zu wollen. Dieses Bemühen war und ist grundsätzlich zum Scheitern verurteilt. Games können durch ihre starken visuellen Reize zwar sexuelle Erregung hervorrufen, diese Methode funktioniert aber wegen abstrakter Darstellungswerkzeuge - Pixel und Polygone - sowie unnötiger Ablenkungen durch Narration und Gameplay nicht mal annhähernd so gut wie das Produzieren einschlägiger Fotos und Filme. Wer dennoch die direkte Übertragung von Sex in Videospiele wählt, muss einen integrativen Ansatz verfolgen. Denn Games können durchaus vielschichtige Geschichten über Erotik erzählen. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: die Zeichnung lüsterner Figuren (Leisure Suit Larry), das Integrieren sexueller Annäherung und/oder Ausübung in die Hintergrundgeschichte (Mass Effect) oder die Darstellung zwischenmenschlicher Probleme, die durch Lust und Trieb hervorgerufen werden (Catherine).

Interessanter als diese Varianten ist aber die Frage, wie und wo sich sexuelle Erregung und der Geschlechtsakt als (ähnliches) Prinzip in der Videospielkultur wiederfindet. Bricht man das Wesen von Sex auf die kathartische Wechselwirkung zwischen Anspannung und Erleichterung herunter, wird man bei quasi jedem Game fündig. Spannung in Spielen basiert grundlegend darauf, Spielerin und Spieler in einen Erregungszustand zu versetzen und sie oder ihn nach ausgiebiger Tätigkeit schließlich mit einem erleichternden Höhepunkt zu belohnen. Nun kann man hier anmerken, dass dieses Prinzip ebenso auf andere Erzählformen wie Theater, Literatur oder Film übertragen werden kann. Doch nirgendwo ist die Abwechslung zwischen Anspannung und Erleichterung so eindeutig vorhanden wie beim Benutzen eines digitalen Spieles - zumal Games im Vergleich zu nicht-interaktiven Medien auch eine besonders starke Unmittelbarkeit und Viszeralität für sich verbuchen können. Videospiele und Sex hätten somit mehr grundsätzliche Gemeinsamkeiten als man vermuten würde. Ein markanter Unterschied wäre, dass man beim Sexualakt üblicherweise nicht mehrfach scheitert, bis man endlich zum Höhepunkt kommen darf. Doch auch hier würden unterschiedliche Menschen unterschiedliche Geschichten von unterschiedlichen Situationen erzählen, ebenso spielt das jeweilige Geschlecht bei dieser Frage keine unwesentliche Rolle.

Über die einfache Erlösung des Sieges hinaus birgt das erfolgreiche Spielen von Videospielen eine weitere Ebene, die der Einlösung sexueller Lust zwar nicht gleichkommt, aber definitiv sexy ist: Wer nicht nur das Spiel, sondern auch (menschliche) Spieler/innen bezwingt, kommt in den Genuss eines Überlegenheitsgefühls, das einen ähnlichen Reiz ausübt wie sexuelle Unterwerfung etwa in einem intimen Rollenspiel. Wer also etwa Command & Conquer so gut beherrscht, dass er alle anderen dabei "ownt", lässt sich schon mal zu eindeutigen Posen und Gesten hinreißen, die zwar lächerlich und damit unterhaltsam sind, in jedem Fall aber hochsexuell. Nachzusehen ist dies an mehrfachen Stellen der ehemaligen Web- und TV-Serie "Pure Pwnage". In Anbetracht der satirischen Überhöhung könnte man kompetitives Videospielen mitunter als puren Sex bezeichnen.