Small is beautiful: Microscopic Gaming
Unendliche Galaxien, gewaltig weite Landschaften, riesige Maschinen: In Spielen wird schnell mit Superlativen der Größe herumgeworfen. Manche Spiele aber wenden sich nach innen und zeigen uns eine Welt, die ganz, ganz winzig und gerade deshalb wunderschön und anders ist. Ein kleiner Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit, der eigentlich (fast) alle Genres abdeckt.
Microsia
Bevor Andreas Illiger mit "Tiny Wings" zum Millionär wurde, hat der kreative Bastler mit "Microsia" ein verschrobenes Sound-Tool mit spielerischen Elementen geschaffen; als "Spiel" kann man den faszinierenden, aber zum tatsächlichen gezielten Soundbasteln für jedermann eher weniger praktikablen Klangkleinraum eher nicht bezeichnen.
Obwohl: Manche Tüftler bringen durchwegs Sessions zustande, die auch Mouse on Mars zumindest an verkaterten Sonntagvormittagen nicht peinlich wären.
flOw
Jenova Chens Abschlussarbeit an der USC zum Games-relevanten Flow-Erlebnis wurde zuerst 2006 als kostenloses Flash-Spiel veröffentlicht und ein Jahr später erweitert für die PlayStation3 erneut releast. Das ist schon einige Jahre her, und trotzdem sieht der minimalistische, meditative Mikrokosmos auch heute noch frisch aus wie eh und je. Vom unmittelbaren Einstieg ins Spiel bis zur freien Erforschung der Spielmechaniken ist Chens Spiel ein absoluter Klassiker geblieben.
"flOw" ist wunderschön und schafft es tatsächlich, den flüchtigen Flow-Moment herbeizuführen. Achtung: Das Zeitgefühl kann durch "flOw"erheblich gestört werden.
Osmos
Ästhetisch ebenso spektakulär und spielerisch einzigartig, schwebt Hemisphere Games' 2009 releastes "Osmos" auch dank seines fantastischen Ambient-Soundtracks irgendwo zwischen Puzzle und eher meditativem Geschicklichkeitsspiel. Groß frisst Klein, und Bewegung kostet Substanz, also Größe - mehr braucht das simple, aber geniale Spielprinzip nicht, um nebenbei zu einem der schönsten Spiele aller Zeiten zu werden.
Besonders auf dem iPad 3 läuft der Ausflug in die kleinsten Zellwelten zur optischen Höchstform auf - und hin und wieder kippen die Größenverhältnisse und man sieht sich staunend an ganze Galaxien erinnert, die hier ihre Runden ziehen.
Eufloria
Auch "Eufloria", in der Entwicklungszeit auch als "Dyson" bekannt, lässt uns im Unklaren, ob die Größenverhältnisse im ganz, ganz Kleinen oder aber galaktisch Großen liegen, doch die organische Anmutung der Zellen und Gewächse, die in diesem Ausnahme-Strategiespiel Dreh- und Angelpunkt sind, lässt auf einen Blick durchs Mikroskop schließen.
Der Minimalismus ist auch spielerischer Natur, und doch ist "Eufloria" kein Kinderspiel: Die Eroberung naheliegender "Zellen" will ganz im Stil klassischer Echtzeitstrategie geplant und ausgeführt sein. Ein meditativer Kampf mit überraschender Tiefe.
Fly'N
Letzter Neuzugang und irgendwie auch Anlassgeber für diese Kompilation des Kleinen: Ein zehn Mann starkes unabhängiges Entwicklerteam im Bauch des französischen MMO-Riesen Ankama hat mit "Fly'N" erst vor kurzem via Steams Greenlight einem Puzzle-Plattformer das Leben geschenkt, der vor Charme und Farbenpracht nur so sprüht.
Gar so mikroskopisch klein wie etwa in "flOw" ist die Baumwelt in "Fly'N" wohl nicht, doch auch hier wird statt beeindruckender Größe der Reiz des Kleinen gefeiert: Als winzige "Baumknospe" klettert und gleitet man durch eine Pflanzenwelt, die trotz forderndem Schwierigkeitsgrad gute Laune macht. So klein - und schon so tricky.
Botanicula
Muss man das wohl schönste Spiel des Jahres noch einmal vorstellen? Amanita Designs "Botanicula" vesetzt uns dank liebevoller Grafik und exzeptionellem Soundtrack in eine Welt ähnlicher Größe wie "Fly'N", stresst uns aber nicht mit Geschicklichkeitseinlagen, sondern lässt uns so entspannt per Point & Click rätseln, dass auch Großeltern oder ganz kleine Nichten und Neffen ihre Freude daran haben. Im Ernst: Schenkt dieses Spiel euren Nicht-Gamer-Verwandten! Weihnachten und so!
Achja: Die Vorgänger im Geiste, "Samorost" 1 und 2, waren auch schon ziemlich klein.
Bonustrack: Coil
Moment, aber einen hab ich noch: Um nicht gar zu familientauglich zu enden, sei hier noch ein Verweis auf ein absolut außergewöhnliches Frühwerk von Mr. "Super Meat Boy" Ed McMillen erlaubt: Das gemeinsam mit dem Tiroler Florian Himsl bereits 2008 als Gratisspiel releaste "Coil" zeigt uns allerhand Zellteilungsvorgänge und ist so offen für Interpretation, dass sich Software-Archäologen der fernen Zukunft wohl garantiert daran die Zähne ausbeißen werden.
Was solls: Wer schon immer mal als Spermium eine Eizelle attackieren wollte, sollte sich die 15 Minuten pures WTF auf jeden Fall nicht entgehen lassen.