#stayathome 03: Der Streichelzoo von Christoph Niemann

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Zu Hause bleiben und trotzdem andere Welten bereisen? Diese Serie will auch Neueinsteigern einen Weg zu den Welten hinter dem Bildschirm zeigen - ein Reiseführer in die Welt der Videospiele, für Menschen mit und ohne Kindern. Eugen Pfister zu einem heilklen Problem.

Also schwieriges Thema: kleine Kinder und Computerspiele. Irgendwann müssen wir ja darüber reden, auch wenn wir natürlich alle, eigentlich durchgehend – und vor allem während der Ausgangssperre – nie auf die Idee kämen unsere Allerliebsten mit Computern, Konsolen und Handys spielen zu lassen. Wir hätten bei all den Basteleien und Kuchenbacken und Turnübungen und Puppentheaterspielen und Gärtnerarbeiten ja auch gar keine Zeit dafür, oder? Und wir fanden sie ja auch immer so schrecklich, diese anderen Eltern, die in den Wirtshäusern und Cafés ihre Kinder mit ihren Handys ruhigstellten, aus denen dann nervtötende Quietschgeräusche erschallten.

Jetzt ist es aber so, dass man sich beim besten Willen nicht den ganzen Tag nur auf sein(e) Kind(er) konzentrieren kann. Irgendwann muss man auch arbeiten oder nachdenken oder beides. Irgendwann sollen sich die Kinder zumindest für ein paar Minuten selbst beschäftigen. Meine Mutter hat mich damals in den Garten gestellt mit den pädagogisch wertvollen Ratschlag: „Mach irgendwas.“ Das ist natürlich schön und gut für die Lunge und so, aber man braucht auch einen Garten dazu. Und ob man jetzt die kleinen Isadora vor Netflix oder eine PS4 setzt, ist qualitativ kein Unterschied an sich. Beides kann ebenso gut hochwertige Unterhaltung wie auch Schund bedeuten. Es bleibt uns also in beiden Fällen nichts anderes übrig, als uns etwas ausführlicher mit dem Angebot auseinanderzusetzen.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus finde ich es vor allem wichtig, dass die Kinder selbst eine gewisse Medienkompetenz entwickeln sollen. Ebenso wie einen persönlichen Geschmack übrigens, also eine eigene Meinung dazu, was ihnen gefällt und was nicht. Wenn sie das dann auch argumentieren können, auch wenn sie aus unserer Sicht eindeutig im Unrecht sind, sind sie eigentlich auf einem ganz guten Weg. Ich finde, das hat immer dann gut funktioniert, wenn ich viel mit ihnen gemeinsam gespielt habe.

Das ist jetzt natürlich gegenintuitiv, weil dann verbringt man ja erst recht wieder mehr Zeit mit Kindern. Geht aber nicht anders, wenn man will, dass die Kinder auch in Zukunft was Gescheites spielen. Denn ein erster Blick auf die App-Zentren unserer Handy ist eher ernüchternd: dämliche, übertrieben bunte Apps und Spiele mit unerträglicher Musik, Werbung und den gefürchteten In-App-Käufen. Um Spiele zu finden, die man selbst gerne mit den Kleinen spielt muss man dann schon länger suchen, Freund*innen fragen und auf einschlägigen Seiten – wie dieser – nachlesen.

Und das kann ich nicht oft genug wiederholen: Wenn ich mit meinem Dreijährigen etwas am Handy oder Tablet spiele, muss es mir auch Spaß machen, weil mein Selbstkasteiungstrieb trotz katholischen Religionsunterrichts unterentwickelt geblieben ist. Spiele mit Werbung und In-App-Käufen gehen da gar nicht. Hässliche Ästhetik und unerträgliche Musik auch nicht. Bei mir kommt dann noch erschwerend hinzu, dass ich die meisten populären Kleinkinder-Franchises mit Hundepolizisten, sprechenden Hämmern und Lokomotiven leider nur ganz schwer aushalte und schon schrumpft das Feld potenzieller Spiele auf eine übersichtliche Größe.

Zum Glück gibt es aber trotzdem noch genug: die Spiele von Fox and Sheep zum Beispiel. Aufmerksam bin ich auf die Entwickler über den Streichelzoo von Christoph Niemann geworden, einen Designer und Grafiker, dessen Arbeit ich sehr bewundere. (Es gibt sogar eine Netflix-Doku mit einer Episode zu ihm).

Und das Spiel ist eben einfach wunderschön und zugleich wundervoll unsinnig. Abwechselnd dürfen wir die elegant gezeichneten Tiere Unsinniges machen lassen, ein Elefant in der Badewanne spritzt Wasserfontänen aus seinem Rüssel, Basketball spielende Affen werfen einander den Ball ins Gesicht, die Mähne eines Löwen darf in unterschiedliche Richtungen geföhnt werden, ein Bär quetscht sich etwas unbequem auf unseren Bildschirm. Mein persönlicher Liebling ist übrigens der Dackel.

Die Tiere sind jeweils nur mit wenigen Strichen gezeichnet. Die Kurzspiele extrem einfach. Zu gewinnen gibt es nichts. Auch einen High-Score oder eine Hintergrundgeschichte sucht man vergebens. Der Hintergrund ist einfarbig, die Übergänge von Tier zu Tier sind in ihrer Traumhaftigkeit hypnotisierend. Am ehesten erinnern die Spiele vielleicht an die Tiergedichte von Jacques Prévert. Vielleicht aber auch nicht. Das ist jetzt auch wirklich nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man dem Spiel anmerkt, dass es bewusst dafür designt wurde, uns und unseren Kindern zu gefallen: kein unangenehmer Ton, keine grellen Aufmerksamkeitsschreie.

Vielleicht ist es in diesen Zeilen schon etwas durchgeklungen. Das Spiel wird uns und unsere Kinder nicht über Stunden mit pädagogisch wertvollen Inhalten beschäftigen, aber es zieht doch für einige Minuten unsere Aufmerksamkeit in seinen Bann. Und manchmal können in diesen Wochen ja schon ein paar Minuten sehr helfen.

Der Streichelzoo ist für iOS und Android erschienen.

Autor: 
Gast
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