Von einem, der abstieg, das Fürchten zu lernen: SCP 087

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Die SCP-Foundation ("Secure, Contain and Protect") ist ein Wiki, das auf den ersten Blick eine wissenschaftliche Protokolldatenbank darstellt. Die Pointe: Die Artefakte und Lebewesen, die darin beschrieben werden, existieren nur in der lebhaften, oft recht düsteren Fantasie der Community und sollten ausreichen, Generationen von zukünftigen SF- und Horror-Autoren wunderbarst zu beschäftigen.

Mit einem Satz beschrieben: Sollte es auf diesem Planeten so etwas wie Area 51 oder die paranormale Abteilung des FBI tatsächlich geben, wäre SCP wohl das trockene Aktenarchiv.

SCP 087 ist einer der populärsten Einträge in diesem Archiv des virtuellen Grauens. Und SCP 087 lässt sich betreten. SCP 087 ist weniger Spiel als vielmehr ein faszinierend subtiles Experiment in Sachen Furcht. Hier herunterladen, spielen und dann unten weiterlesen.

Immer weiter runter, langsam, nur spärlich beleuchtet. Ein Stiegenhaus aus Beton und rostigem Metall, kein Ausgang, ganz oben, hinter uns, fällt die Tür ins Schloss. Die Taschenlampe erhellt armselig wenig; unten gähnt das Schwarz. Und je tiefer wir steigen, desto lauter werden die Geräusche, die uns umgeben, bis wir irgendwann nicht mehr wissen, ob das regelmäßige Atmen von uns kommt oder von etwas anderem. Abwärts.

Schon bald wird jedem klar: Hier passiert nichts. Hier werden keine Gegner auftauchen, hier gibt es kein Spielziel, hier wartet kein Rätsel, das zu lösen wäre. Trotzdem gehe ich wie hypnotisiert weiter nach unten, erschrecke mich in unregelmäßigen Abständen vor sich plötzlich verdichtenden Schatten und bilde mir ein, in den Texturen an der Wand Augen auszumachen, die meinen Abstieg verfolgen. Warum steige ich geschlagene 40 Minuten immer tiefer hinab? Warum diese monotone Selbstbestrafung? Warum tu ich mir das an? Because it's there?

SCP 087 ist weniger klassisches Spiel als vielmehr eine Installation, eine virtuelle Architektur, die einzig und allein dazu erbaut wurde, Furcht auszulösen. Es geht nach unten, und der monotone Abstieg wird bei abgedunkeltem Licht und aufgedrehtem Sound zu einer körperlichen Angelegenheit. Ich sollte mich nicht mehr jedes Mal erschrecken, wenn die per Zufallsgenerator ausgelösten unheimlichen Mini-Ereignisse die Monotonie des Abstiegs unterbrechen. Aber ich kann nicht anders: Es läuft mir kalt den Rücken runter. Instant-Gänsehaut. Rational weiß ich, dass das absurd ist. Aber mein Körper, der alte Verräter, glaubt meinem Hirn wieder mal kein Wort.

Das fantastische Sounddesign spielt die Hauptrolle in diesem kleinen Meisterwerk; subtil bedrohlich, beeindruckend anschwellend, beunruhigend. Wenige Geräusch-Highlights, ein Ambientteppich, der an Trent Reznors Soundtrack zu Quake erinnert, oder aber an Aphex Twins Jahrhundertalbum Selected Ambient Works II, aber viel minimalistischer, eintöniger, bedrohlicher ist. Ein "Drone", der mein Hirn ausfüllt, und in dem ich mich unweigerlich der Kakophonie nähere. In der nötigen Lautstärke reicht schon diese Soundkulisse, um die Angst zu beschwören.

Dass es der Zufall ist, der meine Begegnungen auf dem Weg nach unten festlegt, ist ein ebenso genialer Schachzug der Macher dieses Stücks Software, das irgendwo an der Grenze zwischen Insiderwitz und ernstzunehmender Installationskunst changiert. Alles ist ungewiss an diesem Stiegenhaus ins Nichts, sogar das Ende. Ein Freund von mir begegnete im 45. Stock jenem Grauen, das den Abstieg beendet; ich hingegen bin bis zum 113. Stockwerk abgestiegen, ohne auf diesen finalen Bewohner zu treffen. Und das macht es nicht weniger furchterregend: Die Angst vor dem, was man nie zu sehen bekommt, ist bekanntlich schlimmer, als seinem Dämon gegenüberzutreten.

Es wäre ein interessantes Projekt, SCP 087 gemeinsam mit anderen spielerischen Experimenten in einem Ausstellungskontext in gebührendem Rahmen zu präsentieren. SCP 087 ist vielleicht gar kein Spiel; aber es ist auf jeden Fall ein Erlebnis. Und es zeigt, wie wenig es braucht, damit ganz tief hinten in unserem angeblich so rationalen Kopf das Tier die Haare sträubt.

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