Warum ich nicht Diablo III spiele
Dieser Artikel wurde später von golem.de übernommen. Achtung, erfolgreiches Trollbaiting plus einige fragwürdige Komplimente an mich in den Kommentaren.
Zwölf Jahre Wartezeit, eine seit Monaten auf Hochtouren laufende PR-Maschine, eintrudelnde Fan-Lobeshymnen, alle Medien voll mit Berichten und Werbung: An Diablo III kommt man heuer nicht vorbei als Computerspieler. Zweimal war ich beim Online-Kauf schon nur Sekunden davor, mir per Preorder den Zugang zu Blizzards neuen Dungeons zu sichern, heute vormittag bin ich mit zusammengebissenen Zähnen am Elektroriesen vorbeigefahren, der das Objekt der kollektiven Hysterie sogar um nur 49 Euro anbietet. Ich habe standgehalten.
Ich verweigere. Und zwar aus guten, wohlüberlegten Gründen.
Ja, ich habe Diablo 1 und 2 gespielt, den ersten Teil mit ungebrochener Begeisterung bis ans Ende, Teil 2 bis irgendwohin ins letzte Drittel. Und schon beim zweiten Teil, trotz all seiner Detailverbesserungen zum Vorgänger, machte sich bei mir leises Unbehagen breit. Unbehagen, hier Opfer einer perfekt optimierten Stimulus-Response-Maschine zu sein, die in exakt berechneten Abständen Belohnungen und Endorphine produziert, um mich bei der Stange zu halten. Unbehagen an einem Spielkonzept, das seine so verlockend oberflächlich angebotenen Optimierungsstrategien - das Sammeln von Sets, Unique Items, der Horadric Cube - freimütig nur durch repetitives Grinding verfügbar machte. Unbehagen, dass so viele meiner Freunde dieses Grinding ungefragt und mit starrem Glanz in den Augen als selbstverständlich ansahen und in tage- und wochenlangen Runs dem Fluch von Diablo verfielen.
Diablo 3 ist letztlich nichts anderes als ein wahnsinnig komplexer einarmiger Bandit
Man bedenke: Das war noch Jahre bevor mit World of Warcraft das fast verboten perfekte Potpourri aus Kampf, Leveln und Inventory-Management die Lebenszeit ungezählter Spieler in Beschlag nahm, und dennoch war es ein Vorbote. Man muss es als höchste Leistung von Blizzard ansehen, diese Wechselwirkung von Herausforderung und Belohnung, von Routine und Endorphinstoß, von Grinding und kleinem Glücksgefühl perfekt wie wenige andere zuvor verwirklicht zu haben.
Und nun: Diablo III. Zweifellos keine Neuerfindung des Spielprinzips. Zweifellos grafisch keine Offenbarung. Sicherlich nicht ein Spiel, das das Medium voranbringt, das die Grenzen erweitert oder neue Gruppen zum Spielen bringt. Stattdessen ein wahnsinnig komplexer einarmiger Bandit, in dem man auf Monster klickt, Prozentbalken beim Steigen beobachtet und per Zufallsgenerator benannte Gegenstände hortet.
Das klingt zu negativ? Okay: Außerdem eine einzigartige Faszination, ein perfekt wie aus einem Guss gemachtes Spielerlebnis, das auf unserem Belohnungszentrum im Gehirn wagnerianische Symphonien spielt, uns die Nachtruhe raubt und unsere Tage mit dem nagenden Gefühl erfüllt, lieber wieder in den Dungeons sein zu wollen.
Ich verweigere mich diesem Sog wie ein trockener Alkoholiker dem Rückfall, auch wenn meine Abhängigkeit bei weitem nicht so stark war wie bei vielen anderen. Ich verweigere mich, weil ich mit demselben Spielprinzip schon hunderte, im Verlauf der Sucht immer zwanghafter und freudloser werdende Stunden mit Diablo 1 und 2 verbracht habe und weil für mich "Spielspaß" und eine zugegeben meisterlich herbeigeführte Zwang- und Suchtspirale zwei verschiedene Dinge sind.
Ich verweigere mich, weil meine Zeit kostbar ist, weil ich sie nur in Ausnahmefällen in rauen Mengen in einzelne Spielerfahrungen investiere statt in viele kleinere, die mir nach zehn Stunden ein gnädiges "The End" gönnen statt der nagenden Ungewissheit, ob nicht beim vierzehnten Run doch noch "Gorls Goldener Armschutz des Lichts +5" zur Komplettierung meines Rüstungssets abfallen könnte. Ich verweigere mich dem Sog der freiwilligen Zwanghaftigkeit, der ein Ergebnis der widerhakenbewehrten Psychologie des Nur-noch-bis-zum-nächsten-Levelaufstiegs ist.
Kurz: Ich verweigere mich aus Angst. Diablo III, das traue ich mir auch aus der Ferne zu beurteilen, ist wie ein meisterhaft ausgetüftelter Mechanismus, in dem das Gehirn des Spielers in einem minutiös perfektionierten Wechselbad von gekonnt abgestimmten Emotionen manipuliert wird: Neugier, Meisterung, Routine - Belohnung. Repeat. Repeat. Repeat. Repeat.
Dieses Mal: Ohne mich, Diablo III. Leider. Das Leben ist zu kurz.
Und außerdem: So leer wie jetzt waren die Parks und Gastgärten schon lange nicht. Genau die richtige Jahreszeit, um wieder mehr Alkohol zu trinken. Oder Crystal Meth auszuprobieren.