Was man spielen soll: Kero Blaster

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Keine Reviews, aber: Wir sagen ab sofort, Was man spielen soll.

Was: Kero Blaster, Windows, 7,99$/iOS, 4,99$

Kero Blaster ist Daisuke "Cave Story" Amayas zweites grösseres Spiel und eine offene Tür zu einer Vergangenheit, in der die Zukunft des Weltfriedens von einem Helden mit mächtigen Waffen und noch mächtigeren Sprunggelenken abhing. Das alles spielt allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist: Liebe.

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Wie:

Es wäre so einfach wie einfältig zu sagen, Kero Blaster sei lediglich ein weiteres Abtauchen in den Hintern der 8-Bit-Nostalgie, eine Rakete im Umkehrschub, die auf das Rückenmark unserer Erinnerung an die NES-Ära gerichtet sei. Das wäre nicht falsch, aber es hiesse, eine grössere, brutalere Wahrheit zu verschweigen. Die nämlich, dass die meisten Spiele dieser Epoche Arschlöcher waren. Man brachte ihnen die hündische Liebe eines Kindes entgegen, das ein Jahr geballte Emotion in die graue Plastikschatulle packt, die sich an Weihnachten widerspenstig aus dem Geschenkpapier schält, unwissend, das im Cartridge vor allem eines steckt: Stockholm-Syndrom. Denn in einer Zeit, in der die Spreu noch nicht retrospektiv vom Weizen getrennt war, erwiderten die meisten Spiele der 80er und frühen 90er Jahre unsere Liebe mit Hohn und Verachtung. Sie stürzten uns von Klippen, traten uns in den Staub und lachten in Piepstönen darüber. Kero Blaster ist, um es kurz zu fassen, der späte, seltene Fall eines NES-Spiels, dass wir nicht schönlieben müssen, sondern dass im Gegenzug uns lieb hat.

Um ausführlicher zu werden, muss zuerst festgehalten werden, was Kero Blaster nicht ist: es ist nicht Cave Story 2, natürlich nicht. Cave Story war schliesslich, in den Worten Tim Rogers, ein perfektes Spiel, und (in meinen) ein aus den Umständen geborener Mythos: die Verkörperung der ewigen Underdog-Erfolgsstory, ein in fünf Jahren Feierabend einem seelenlosen Job abgerungenes Stück Wärme und Zuneigung, ein Vorläufer der Indie-Explosion und ein Hoffnungsträger für die japanische unabhängige Spieleentwicklung. Kero Blaster ist demgegenüber ein bescheidenes Projekt, ein kurzer Sprint von A nach B, wo Cave Story ein Orientierungslauf kreuz und quer durch einen ausufernden Nintendo-Vergnügungspark war, in dem alle Maskottchen unter ihren Plüschkostümen kettenrauchende Existenzialisten geben.

Dies ist, mit Verlaub, kein Problem. Die kürzeste Strecke von Punkt A nach Punkt B verläuft bekanntlich gerade durch die Gefühlsorgane. Und auch wenn Kero Blaster das sprichwörtliche „schwierige zweite Album“ ist, ein einziges Atemholen, ist das nebensächlich. Denn wenn jemand wie wir Pause macht und innehält, dann schlurft er zum Kühlschrank, kratzt sich am Arsch, oder spielt ein Spiel, dessen wichtigste Qualität darin besteht, Zeit und Gedanken töten zu helfen. Daisuke Amaya dagegen gehört zu den Sonnengeküssten, die selbst im Kriechgang und auf dem Zahnfleisch noch vorwärtskommen.

Kero Blaster ist insofern simpel, aber schlicht gut, und sogar sehr gut darin, was es sein will: ein auf portablen wie stationären Geräten gleichermassen beheimatetes Run 'n' Gun- als Feel good-Spiel. Wie Cave Story fühlt es sich schlicht richtig an, im amphibischtsten aller Sinne: Input-Output-Wohlgemut. Beschleunigung, Geschwindigkeit, Widerstände von Figuren und Geschossen sind schlicht korrekt,  jeder Kontakt mit dem Keyboard ein Druck auf den Awesome-Button. Und auch sonst erweist sich Amaya als Alchemist, der herausdestilliert, was in der 8- und 16-Bit-Zeit golden war, und den Rest als verkokelten Bodensatz im Kolben kleben lässt: Eine Ästhetik, die nicht rückständig ist, sondern effizient, eine charmante Absonderlichkeit, die halb Kulturschock war und halb Ringen um Individualität in einer Welt reduzierter Ausdrucksmittel.

Kero Blaster bietet, eingebettet in eine Geschichte um eine von Mäusen und Fröschen betriebene Task Force irgendwo zwischen A-Team, G. J. Ballard und Hello Kitty, vor allem eines: Härte, wem Härte gebührt, und Liebe für alle anderen. Die einzelnen Levels sind, ganz nach alter Väter Sitte, vollgestellt mit fokusfordernden Widerständen, und verlangen am Stück bewältigt zu werden – ohne Wegpunkte und andere Marksteine. Sind alle Leben ausgehaucht, beginnt der jeweilige Level von vorne. Die Liebe, und Zeitgeistigkeit findet allerdings über einen simplen Mechanismus Eingang ins Spiel: von Gegnern hinterlassenes Geld, das nach dem Ableben nicht verloren geht und dadurch auch langfristig investiert werden kann in Lebensenergie oder Waffenmodifikationen – mit einem Wort: in eine Lebensversicherung für den nächsten Durchgang, deren bescheidene Kosten das Wort "grind" in herzlicher Umarmung ersticken lassen. Nichts davon muss, alles kann, so dass die Nintendo-Härte ganz nach Belieben und völlig organisch allmählich erweicht werden kann. Einfälle wie diese finden sich zuhauf in Kero Blaster, einem, wenn man so will, so kleinen wie grosszügigen Spiel, das tatsächlich so gut ist, wie wir uns die Spiele von weiland vorgestellt haben.

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Obwohl:

Viel zu kurz, und viel zu nostalgisch-arschkriecherisch, mag man dazu trotz allem munkeln. Doch diese Unkenrufe werden übertönt von den langsam über den Spielverlauf anschwellenden Projektilschleudern, die lautröhrend tausend Lobgesänge auf Gunstar Heroes, Metal Slug und Probotector anstimmen, jene alten Helden, die von allem Sadismus entledigt glückselig vom Jenseits auf Kero Blaster herablächeln, und in den Chorus einstimmen: All you need is love [and a futuristic blaster gun].

Soll man?

Soll man lieben? Soll man hüpfen? Soll man singen? Aber ja doch. Ja!