Wir sind gekommen, um uns zu beschweren
Abt. Beschwerdemanagement: Anlässlich des Launchs der WASD 4 hier ein kleiner Rückblick auf die Numero 3, wo dieser Text ursprünglich erschien, auf das mehr oder weniger skandalöse Ende von Mass Effect 3 - und auf Kuchen. Hmmm, Kuchen.
Eins mal vorweg: Leute, ich versteh euch. Zu oft wurde behauptet, euer Hass auf Mass Effect 3 sei bloß das weinerliche Gekreische von verwöhnten Idioten, die sich vom Finale mehr Lob und Bauchpinselei erhofft hatten. Dabei habt ihr ja im Grunde recht, das Ende ist scheiße. Moralisierender Esoterikblödsinn, eine glatte Themenverfehlung.
Aber ihr solltet auch verstehen, warum man euch so wahrnimmt, woher dieses negative Bild des empörten Spielers stammt. Ihr jammert nämlich wirklich zu viel. Euer verbittertes Gekeife und Gezeter verpestet seit Monaten die offiziellen Foren, die Dragon Age-Autor David Gaider nun wegen ihrer giftigen Atmosphäre meidet. Auf YouTube zerpflückt ihr das Ende in hunderten langatmigen Videoanalysen. Ein Fan hat sich ja sogar bei der Bundeshandelskommission der USA beschwert, weil Bioware Spieler mit falschen Versprechungen geködert habe. Andere, nun, andere schickten Backwerk.
Über 1.000 US-Dollar ließen es sich ein paar Unzufriedene unter Leitung des Forenmitglieds LoganKey den Spaß kosten, BioWare 400 Cupcakes plus Grußkarten von einer örtlichen Bäckerei schicken zu lassen. Der Witz? Die Leckereien waren zwar in drei unterschiedlichen Farben glasiert, schmeckten aber alle gleich, eine kuchengewordene Metapher für den Hauptkritikpunkt der Fangemeinde, nach dem sich die verschiedenen Endsequenzen von Mass Effect 3 letztlich nur im Farbton des abschließenden Feuerwerks unterscheiden.
Auch wenn sich kaum sagen lässt, ob sie BioWares Entscheidung, das Ende zu überarbeiten, auch nur im Mindesten beeinflusst hat, stellt die freundlich witzige Beschwerdeaktion im Vergleich zu üblichen Formaten des Onlineprotests einen absoluten Höhepunkt an geistreicher Protestkultur dar. Gewohnt ist man von euch ja viel eher verbittertes, anonymes Gejammer, die überzogene Theatralik von YouTube-Dramatikern oder fehlgeleitete Boykottaktionen, etwa im Falle von Modern Warfare 2 oder Left 4 Dead 2, bei denen selbst die Organisatoren am Stichtag doch den verhassten Titel spielen.
Wer durch cleveren Aktionismus auf sich aufmerksam macht, zeigt, dass die Kritik nicht nur auf animalischem Beißreflex fußt.
Euer wichtigmacherischer Tonfall steht aber echter Kritik im Weg. Es ist wie bei der kaputten Uhr: Wer, wie das Kollektivbewusstsein Internet, grundsätzlich alles scheiße findet, hat damit zwangsläufig auch irgendwann recht, nur wer bitte wird dem Urteil zu dem Zeitpunkt noch Glauben schenken? Unter der breiten Masse an Netzbewohnern finden sich immer ein paar, die die eigene Arbeit hassen. Diese Stimmen zu ignorieren, ist eine der ersten Lektionen für digitale Kreative.
Wer da durch cleveren Aktionismus auf sich aufmerksam macht, stellt sich selbst als vernunftbegabtes Wesen vor, zeigt, dass die Kritik nicht nur auf animalischem Beißreflex fußt. Dabei geht es aber nicht bloß darum, durch Freundlichkeit das nötige, konstruktive Gesprächsklima zu schaffen. Ein intelligentes Format wertet die eigene Kritik automatisch auf, deutet es doch an, dass in die eigentliche Beschwerde ebenso viel Verstand geflossen ist wie in die Ausführung derselben.
Das macht die zuckersüße Geste der Cupcake-Lieferung und netten Grußkarten zur wohl gelungensten Blüte der „Retake Mass Effect“-Bewegung. Zwar mag sie neben der Spendenaktion für die Wohltätigkeitsorganisation Child’s Play, bei der immerhin 80.000 Dollar gesammelt wurden, winzig wirken, aber diese wurde trotz nobler Ziele von zu vielen Unterstützern als finanzielle Machtdemonstration interpretiert, bei der man sich für eine entsprechende Summe ein neues Ende erkaufen könnte. Das Geld war als Signal für den eigenen Unmut gedacht, schuf aber die falsche Erwartungshaltung. Letztlich musste sich Child’s Play von der Aktion distanzieren; zu viele Leute hatten ihre Spenden zurück gefordert.
Dagegen bleibt die Botschaft der Backwerksaktion bescheiden. Als „We rage because we love“ formuliert es einer der Beteiligten, sinngemäß also etwa: „Hört mal, Leute, wir mögen euch immer noch. Aber es wäre echt nett, wenn ihr darüber nachdenken würdet, das Ende zu verbessern. Würde uns freuen.“
Die Bereitschaft, sich auch ohne Revolution der Machtverhältnisse zwischen Kunden und Kreativen höflich in die Diskussion einzubringen, ist doppelt wichtig, da sich uns diese Möglichkeit immer öfter bietet. Manche Petitionen, wie für die PC-Portierung von Dark Souls, fallen eben doch auf offene Ohren. Das Phänomen Crowdfunding macht uns als Publikum gleich zum mündigen, wenn auch nicht gleichberechtigten Partner der Entwickler. Diese veränderte Lage erfordert aber nicht etwa mehr Ernst, sondern weniger. Da wir uns bisher eben den Ruf erarbeitet haben, in einem Kreuzrittertum der Kleinigkeiten für Unwichtiges zu streiten, müssen wir jetzt beweisen, dass unsere Perspektive nicht vor lauter Leidenschaft schief liegt.
Also nehmt euch bitte nicht so ernst. Backt Kuchen, reißt Witze, vergesst im Eifer des Gefechts nicht, warum euch das Spiel ursprünglich mal am Herzen lag. Die Gegenseite scheint zum Dialog bereit – solange wir die Fackeln und Mistgabeln zu Hause lassen.