Hitman - Absolution: Szenen aus einem Populärmedium des 21. Jahrhunderts

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Seufz. Es ist schwer, Computerspiele als Medium zu verteidigen. Gewalttätig seien sie, so hört man regelmäßig von Kritikern jeden Kompetenzgrads, trash, infantil, als Kunstform nicht ernstzunehmen. Es ist mühsam, immer wieder gegen dieselben Vorurteile anzureden, es braucht Zeit und Nerven, die Skeptiker mit Positivbeispielen davon zu überzeugen, dass Games mehr sein können als nur pubertäre Gewaltfantasiebefriedigung, die hauptsächlich von sozial unterbelichteten pickeligen Jungs unter 17 konsumiert wird.

Und manchmal, wenn man gerade argumentiert hat, dass die mediale Verteufelung, oft anlässlich tagesaktueller Ereignisse, etwa Tragödien im Schulumfeld, einseitig wäre, wenn man beteuert, dass Games erwachsen geworden seien in den letzten Jahren, dass es vielleicht noch ein langer Weg sei, es aber durchaus in Richtung eines anspruchsvollen, vielfältigen neuen Mediums gehe, rülpst die PR-Abteilung des nächsten hoffnungsvollen Megasellers einmal kurz und begräbt sämtliche zarten Hoffnungen unter sich.

Anlass dieser Klage: Ein neuer Trailer zu Hitman: Absolution zeigt uns, dass manche Firmen ganz zufrieden damit sind, das Klischeezielpublikum pickliger, gewaltgeiler, sozial unterbelichteter Jungs unter 17 anzusprechen.

Es ist eine undankbare Aufgabe, diesen Trailer zu kritisieren. Ich persönlich habe kein Problem mit Trash und Gewaltdarstellung, bin großer Tarantino-Fan und sehe mich beileibe nicht als Puritaner, der bei jeder Gelegenheit die Feminismuskeule schwingen muss. Doch es fällt schwer, angesichts der Anhäufung derart pubertärer Gewaltfantasie nicht dem Reflex zum facepalm zu folgen. Dass Hitman seit jeher außerdem eigentlich ein Spiel ist, in dem es um sorgfältige Planung, um Taktik und vorsichtiges Vorgehen geht, ist ein Zusatzaspekt, der in diesem Zusammenhang zumindest einmal Erwähnung finden sollte.

Sexy Nonnen mit Knarren, High Heels und Korsagen, die vom adrett in Anzug und Krawatte gekleideten Hitman exekutiert werden - man braucht nicht Klaus Theweleits Klassiker "Männerphantasien" gelesen zu haben, um einzusehen, dass hier eine dumpf sexualisierte Machtfantasie aufgerollt wird, die ein zutiefst gestörtes Verhältnis zur "bedrohlichen" weiblichen Sexualität aufzeigt, aber schaden kann es nicht - vor allem, wenn sich so erschütternde Parallelen zeigen.

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Zur Information: Theweleits Werk untersucht die sogenannte Landser-Literatur, die (prä-)faschistische Unterhaltungsliteratur im Soldatenmilieu - wenn man so will ein Populärmedium vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Theweleit schreibt im Zusammenhang mit dem Bild der "Flintenweiber", die sich außerdem in Krankenschwesterntracht (!) perfide verkleiden:

"Man spürt, wie eine lang aufgestaute Wut in diesen Attacken (gegen die Frauen, Anm.) ihr Ziel findet: endlich! (...) Ein Teil der Triebenergie, die uns bisher als ausweglos aufgestaute begegnet ist, entlädt sich hier. Hier ist ein Objekt, auf das die Libido sich stürzt. Diese Frauen, die scheinheilig auf die Schonungspflicht bauen, angreifen und vernichten zu können - das sind Durchbrüche, Befreiungen. (...)"

Und weiter:

"Alle bisher aufgeführten Übel des aus der Spaltung der Frauen hervorgegangenen 'bösen' Teils - dass sie Huren seien, schmutzige Tiere, dass sie Männer morden und kastrieren, dass sie sich, um nicht als 'Flintenweiber' (Frauen mit einem 'Penis') erkannt zu werden, der 'weißen' Schwesterntracht bedienen, sich den Abglanz der 'reinen' Mutter/Schwester zuzulegen versuchen, deren Bilder aber dann beschmutzen und pervertieren - all das scheint hier zusammenzulaufen zu einem einzigen Rechtfertigungsknäuel für die wütende Lust, mit der die Soldaten sie verfolgen. (...) Terror gegen die Frau, die nicht mit dem Mutter/Schwesternbild identifiziert ist, ist grundsätzlich Notwehr." 

 (Klaus Theweleit: Männerphantasien. Bd. 2, München 1995. S.186ff.)

Alles halb so wild, nur trashiger Spaß, Überinterpretation, "ist ja nur ein Spiel"? Wenn Games als Medium ernstgenommen werden wollen, müssen sie sich derartiger Kritik stellen können - eigentlich.

Eins ist klar: Hitman - Absolution ist ein Spiel für Erwachsene - eigentlich. Altersfreigabe und Thematik sind eindeutig "ab 18". Der aktuelle Trailer zeigt allerdings, wo die Marketingabteilung ihre Kaufanreize im Publikum zu finden glaubt: in den dunkelsten Ecken pubertärer Triebverdrängung samt Gewaltfantasie.

Das ist traurig für alle, die Spiele als Medium verteidigen wollen und sich derart sabotiert sehen: Wenn so wie hier alle Vorurteile gegen Spiele bestätigt werden, wirft dies de facto die Wahrnehmung des gesamten Mediums zurück, das sich, zumindest in jenen Titeln, die explizit für Erwachsene gedacht sind, ja eigentlich an ein Publikum richtet, das spätestens mit dem ersten Kuss Abschied von hilflosen Masturbationsfantasien wie dieser hier genommen hat. 

Seufz. Es ist schwer, Computerspiele als Medium zu verteidigen. Trailer wie dieser machen es noch ein Stück schwerer.

EDIT: Wie's auch geht, zeigt der neue Trailer zu Dishonored. Gewalt an sich ist nicht das Problem, wie man sieht.

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