Rückwärts in die Zukunft: Next Level Conference 2014
Die sonderbare Welt der Spielekonferenzen lässt sich grob in zwei Kategorien teilen: Eigenständige Veranstaltungen, die sich völlig dem Medium verschrieben haben, und solche, die an einer größeren staatlichen Kulturinstitution dranhängen. Das großartige A MAZE Festival gehört beispielsweise zur ersten Gruppe, die Next Level Conference klar zur zweiten: Eine Zusammenarbeit des Kultursekretariats Nordrhein-Westfalen mit diversen anderen Institutionen brachte am 4. und 5. Dezember eine Kombination von Vorträgen, Spielstationen (Artemis und Nidhogg) sowie einer mäßig spannenden Flugsimulatoren-Ausstellung in das Dortmunder U.
Nun ist es zwar lobenswert, dass die entsprechenden Gewalten sich zusehends mehr für Spiele interessieren, allerdings geht dies oft mit dem inneren Zwiespalt einher, die Existenz der Veranstaltung, die Relevanz von digitaler Unterhaltung für Kultur und vor allem die Aufwendung von Steuergeld für die Beleuchtung der solchen rechtfertigen zu müssen. Die leichte Fremdheit gegenüber dem Medium zeigt sich in diesem Fall schon im Namen, der sich zukunftsgewandt und modern gibt, allerdings in einer Terminologie, die sich gleichzeitig als letztjährig enthüllt.
Im Grunde geht es bei solchen Konferenzen stehts um die selben angestaubten Fragen: Sind Spiele Kunst? Sind sie gesellschaftlich relevant? Gehören sie ins Museum? Haben sie am Ende sogar einen gesellschaftlichen Nutzen und, wenn ja, wie ließe sich dieser erschließen? Es wird über den Umsatz der Spieleindustrie geredet - mehr als Hollywood! -, über Gamification, Serious Games und die Wunder der Interaktvität. Das ist auch irgendwo legitim, schließlich gibt es immer Leute, die die entsprechenden Einführungen zum ersten Mal hören, allerdings macht es diese Veranstaltungen für Bewanderte eher mäßig spannend.
Zudem führt das Sendungsbewusstsein, das spielende Menschen bei Konferenzen, die sie mit spielfremden Menschen zusammenführen, teils notgedrungen, an den Tag legen, dazu, dass die Problematik dieser Themen oft verkürzt oder gar nicht wiedergegeben wird. Dass Gamification sich beispielsweise nicht nur für langweilige, aber sinnvolle Tätigkeiten wie Fitness und Papierkrieg anbietet, sondern sich oft nahe den manipulativen Taktiken der Glücksspielindustrie bewegt. Oder dass die Notwendigkeit eines Empathiesimulators - in diesem Fall das grammatikalisch fragwürdige Outcasted -, um Menschen Grundlagen des Mitgefühls zu vermitteln, nicht gerade für deren voriges Einfühlvermögen spricht.
Soweit jedenfalls der Eindruck des ersten Tages: Ein starker Fokus auf Pädagogik und die Arbeit mit Schulklassen und Jugendlichen, dazu kultur- und medienwissenschaftliche Grundlagen. Der eigentlich spannende Vortrag zum Tod in Spielen von Martin Geisler ging nach Etablierung einer übertrieben klaren Abgrenzung ludischer und narrativer Elemente fließend zur Frage von Gewalt und Jugendschutz über, und überzog zudem so lang, dass für das Gegengewicht Sex in Spielen, von Marco Siegmund, kaum Zeit blieb.
“Jetzt hören wir etwas über den Spielehelden Zelda!”
Danach eine Diskussion zum Lernen mit Spielen, die ich nach der dritten mehrminütigen Fragestellung lieber verließ, und eine Reihe von Kurzvorträgen, die statt dem Ideenwildwuchs von Lost Levels leider eher Trailerkino und kurze Projektvorstellungen bot, und zudem ziemlich peinlich moderiert wurde: “Jetzt hören wir etwas über den Spielehelden Zelda!” Anschließend behandelte Prof. Dr. Peter Weibel, Experte für eigentlich eh alles, erschöpfend die Grundlagen von Spielen zwischen partizipativer Medienkunst und binärer Logik und beantwortete im Anschluss seine eigenen Fragen. Der Vortrag bot durchaus interessantes Material für circa 15 Minuten, zog sich aber leider über eine volle Stunde.
Aber es geht auch anders. Krystian Majewskis Vortrag zu Virtual Reality erfreute durch die intensive Behandlung der Schwächen und Probleme des Konzepts. Am zweiten Tag übernahm dann auch der zunächst unglücklich erkrankte WASD-Chef Christian Schiffer wie geplant die Moderation und verbesserte durch kluge Fragen alles merklich. Sabine Hahn, Nina Kiel und Eric Jannot sprachen in einem gelungenen Panel über Gender und deckten dabei mit dem Zustand in der Industrie, in Spielen und in der Spielerschaft viel ab, was im Anschluss durch gute Beiträge aus dem Publikum ergänzt wurde, die die Fortsetzung des feministischen Diskurses in modernen Themenbereichen lobten oder von der eigenen Erfahrung als Messehostess berichteten.
Später heizte Michael Schulze von Glaßer von “Games’n’Politics” Martin Lorber von EA für die realpolitischen Bezüge der letzten Battlefield-Teile ein, die Konflikte mit dem Iran und China ins Zentrum ihrer Militärfantasien stellen, ohne sich mit diesen wirklich auseinanderzusetzen. Lorber reagierte wenig überraschend diplomatisch nichtssagend, aber seine lethargischen Antworten zu EA als gewinnorientiertem Unternehmen ohne eigene Ideologie oder Agenda zeigt dennoch einiges über die offizielle Sicht zu der eigenen Rolle und möglichen politischen Verantwortung. Zum Schluss gabs dann nocheinmal eine volle Breitseite Kultur: In der fürs Radio aufgezeichneten Abschlussdiskussion zwischen Vertretern beteiligter Institutionen ging es um Kunst, Bildung, Vermittlung und staatliche Förderung.
So wenig ich diesem Fokus selbst abgewinnen kann, fällt es doch auch schwer, eine Konferenz nicht ein bisschen zu genießen, bei der es Gelegenheit gibt, den chaotischen Raumschiffbrückensimulator Artemis auszuprobieren oder über Projektoren im Stiegenhaus Street Fighter zu spielen. Solche Veranstaltungen setzen sich aus offiziellem Inhalt ebenso wie dem Rahmenprogramm zusammen, welches ich in denkbar angenehmer Gesellschaft verbrachte. Allerdings wird mit den richtigen Menschen, gerade in der Umgebung von Spielen, ohnehin jeder Anlass festlich. Für die interessanten Gespräche, die den Kern solcher Konferenzen ausmachen, gibt es auch anderswo die Gelegenheit, in etwas ungezwungenerem Rahmen.