Black Mesa: 14 Jahre später

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Der folgende Text wurde als Gastbeitrag für superlevel.de geschrieben. 

Vierzehn Jahre sind eine lange Zeit — das gilt umso mehr für die Games-Branche. 1998 erschien Half-Life, das Debütspiel des bis dahin unbekannten Entwicklerstudios Valve, und es war ein revolutionärer Meilenstein: Kein Spiel zuvor hatte es derart geschafft, ohne Bruch der Immersion eine Geschichte so unmittelbar, packend und intelligent im zuvor eher brachialen Genre des First-Person-Shooters zu erzählen.

Aber auch acht Jahre sind eine lange Zeit: So lange haben Freiwillige daran gearbeitet, dem Klassiker Half-Life von Grund auf neu in Valves aktueller Source-Engine ein frisch strahlendes Denkmal zu setzen. Letzten Freitag ist Black Mesa Source (fast) fertiggestellt der Öffentlichkeit präsentiert worden. Und Black Mesa ist, so viel vorweg, einer der besten First-Person-Shooter der letzten Jahre — und das ist eigentlich deprimierend.

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Es fällt schwer, Black Mesa als Triumph der Indie-Szene zu bezeichnen: Einerseits ist es natürlich beachtlich, was mit der Unterstützung freiwilliger und ganz ohne Entlohnung arbeitender Amateure aus dem globalen Netz hier auf die Beine gestellt wurde. Andererseits, und das spricht laut gegen die Reklamierung des Spiels für die Indie-Szene, zeigt Black Mesa überdeutlich, dass seine Größe und die auch nach 14 Jahren ungebrochene Frische des Originals einem professionellen Entwickler zu verdanken sind: Black Mesa erinnert uns in seiner Originaltreue daran, warum Valve eine derartige Ausnahmestellung einnimmt.

Black Mesa schafft es, den heiß verehrten Klassiker optisch rundumerneuert wieder vor den Vorhang zu holen, denn natürlich hat auch an Valves Erstling vor allem in Hinblick auf die Grafik der Zahn der Zeit genagt. Valves eigener, nicht einmal ernsthaft als halbherzig zu bezeichnender Versuch, mit Half-Life: Source den Titel oberflächlich zu behübschen, gilt nicht ohne Grund als einziger Schandfleck auf der ansonsten makellos weißen Release-Weste.

Was Valve selbst nicht schaffte — wegen, wie man als ewig Gläubiger ganz fest hofft, emsiger Arbeit am dritten Teil der Reihe –, haben nun Weisheit und Selbstausbeutung der digitalen Massen mit Verspätung, aber Bravour erledigt: Black Mesa Source ist die ultimative, aktualisierte Version von Half-Life geworden. Die wenigen Abweichungen vom Original sind durchwegs sinnvoll und behutsam. Sie erhalten den Geist des großen Vorbilds, während die Grafik dank Source-Engine nun auch aktuellen Standards genügt.

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Bei aller Begeisterung: Auch die wenigen Mängel des Originals haben den Weg ins Remake gefunden. Der etwas zähe zweite Akt verirrt sich einen Hauch zu oft in riesigen, leeren Industriehallen, und auch die Rückkehr des berüchtigten Crouch-Jumps wird in Verbindung mit der zum Glück inzwischen fast vergessenen Tradition des Millimetersprungrätsels zwischen Sprengladungen wohl nur die allerhärtesten Fans in Begeisterung versetzen können. Der überwältigend riesige Rest des Spiels zeigt aber, dass die Formel, die Valve in Half-Life das erste Mal gefunden und anschließend konsequent weiterentwickelt hat, zeitlos und immer noch packend ist: Die Mischung aus Story, Action, Erforschung, Rätseln und einer bis ins Detail ausgearbeiteten Spielwelt haben nur die wenigsten Anwärter auf den Thron des Story-basierten First-Person-Shooter so hinbekommen.

Black Mesa IST die definitive aktualisierte Version von Half-Life geworden.

Valve, und das macht das Geheimnis des außergewöhnlichen Erfolges des Entwicklers aus, ist großzügig und verschwenderisch. Schon die legendäre Eingangssequenz, die Fahrt mit der Schwebebahn ins Herz des Wissenschaftskomplexes Black Mesa, zeigt dem Spieler, dass hier nur für ihn eine ganze Welt für die eigene, egal wie kurze Erfahrung zur Schau gestellt wird. Was für ein Kontrast zu den 1998, aber auch heute noch gängigen Render-Intros! Welch kühne Lässigkeit, mit der hier wortlos und ohne viel Aufhebens beeindruckende Industrieroboter präsentiert werden, die danach im ganzen Spiel nie mehr zu sehen sein werden! Das Geheimnis des Erfolgs von Half-Life, aber auch von Valves anderen Spielen liegt in der harten Arbeit am Detail, auch — und besonders im Wissen –, dass die Spieler diese Details nicht unbedingt bewusst, aber immer emotional aus dem Augenwinkel heraus zu würdigen wissen.

Diese üppige Welt, mit ihren unzähligen kleinen Script-Ereignissen, ihren witzigen Dialogen und kleinen, liebevoll platzierten Gags, ist nicht nur Hintergrund, sondern Hauptdarsteller und wohl auch ein Grund für den großen Erfolg der Reihe. Die Story selbst, inspiriert von einer Stephen-King-Kurzgeschichte, die 2007 auch verfilmt wurde, tritt zurück hinter die grandiose Inszenierung und das umfassend gelungene Design — eine Mischung, wie sie dem Medium perfekt angemessen ist.

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Half-Life zeigte uns schon 1998, wie es gehen könnte, eine Geschichte in einem interaktiven Medium mit dessen Mitteln zu erzählen. Es war kein “Interaktiver Film”, sondern etwas Eigenständiges, in dem Spiel und Narration scheinbar mühelos ineinandergreifen. Es war eine Revolution, die noch dazu vom Publikum mit Begeisterung willkommen geheißen wurde.

Heute, 14 Jahre später, erkennt man Vorahnungen von Portal und auch Left4Dead in den gigantischen Hallen von Black Mesa wieder; doch irgendwann, zwischen der Begeisterung über das gelungene Fan-Remake und dem Erstaunen darüber, dass einem die Szenen des Originals noch so gut im Gedächtnis geblieben sind, drängt sich eine Frage auf: Was ist mit dieser Revolution seitdem passiert?

Warum ist Half-Life  nicht viel umfassender als Vorlage für das Genre des First-Person-Shooters genutzt worden?

Was, zur Hölle, ist in den 14 Jahren seit 1998 geschehen? Warum ist Half-Life, das wir uns mitBlack Mesa so detailgetreu wieder ins Gedächtnis holen können, abseits von Valves eigenen Fortsetzungen nicht viel umfassender als Vorlage für das seitdem explodierende Genre des First-Person-Shooters genutzt worden? Viel ist seit 1998 geschehen: die Multiplayer-Revolution, die Aufsplittung des Genres in unterschiedliche Sub-Gruppen mitsamt Einflüssen anderer Genres, grafische Fortschritte und die Übernahme von Strategien des Überwältigungskinos à la Michael Bay, nicht zuletzt der Aufstieg des Genres zum globalen Bestseller-König. Was auf der Strecke geblieben ist, ist die so einfach aussehende, aber anscheinend so schwierig zu erreichende perfekte Mixtur, wie sie uns Valve schon 1998 in seinem Erstling gezeigt hat.

Klar, es gab in der Zwischenzeit auch andere Vertreter, die sich an der Verbindung von Action und Narration nach vorne wagten: ThiefBioShockS.T.A.L.K.E.R.Deus Ex,F.E.A.R.HaloCrysis und Call of Duty (jedenfalls bevor es zur seelenlosen Schießbude degenerierte) und ungezählte andere; doch Nachfolger, die mit Erfolg versucht hätten, die Rezeptur von Valves Debüt ernsthaft nachzuahmen, finden sich erstaunlich wenige: Red FactionThe Operative: No One Lives ForeverSingularity womöglich, oder Metro 2033 haben es probiert, das Erzählen einer Geschichte im Shooter in den Vordergrund zu rücken, doch nur Valve selbst ist mit den Fortsetzungen von Half-Life und Portal in seinem eigenen Revier um Längen voraus geblieben. Black Mesa zeigt uns in seiner Werktreue auch auf deprimierende Art und Weise auf, dass in den letzten 14 Jahren keine revolutionär neuen Schritte hin zur Vision von Half-Life unternommen wurden, Narration und Spiel so elegant zu vereinen.

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Alles nur Nostalgie und Polemik? Eigentlich nicht. Die 1998 als Gewissheit erscheinende Hoffnung, im Gefolge von Half-Life von der angestachelten Konkurrenz noch bessere, packendere und ambitioniertere Spiele zu sehen, die das Genre derart erweitern wie der vor langen Jahren erschienene Urvater, ist enttäuscht worden. Ironie des Schicksals: Der abseits der offiziellen Nachfolger haushoch erfolgreichste Versuch der letzten 14 Jahre, den von Half-Life vorgezeichneten Weg einer Verschmelzung von Story und Interaktion zu begehen, ist ausgerechnet ein 1:1-Remake des Klassikers im grafisch neuen Gewand.

Fans von Half-Life sollten Black Mesa ebenso unbedingt besuchen wie all jene, die wissen wollen, was denn nun an diesem Spiel aus der Games-Vorzeit so fantastisch war — und immer noch ist. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Black Mesa Source, das Fan-Remake eines 14 Jahre alten Klassikers, ist einer der besten First-Person-Shooter der letzten Jahre. Und das ist eigentlich deprimierend.

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