Digitale Doppelmoral: Spiele & Zensur

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Wer "South Park" kennt, weiß, dass schlechter Geschmack Programm ist. Der weltweite Erfolg der Zeichentrickserie beruht nicht zuletzt darauf, dass die Macher Matt Stone und Trey Parker seit nunmehr 17 Jahren verlässlich so gut wie jedes Tabu mit unnachahmlicher Bösartigkeit in der Luft zerfetzen und mit ihrem schwarzen Humor über alle Peinlichkeitsgrenzen hinaus ihre Scherze treiben. Abtreibung, Rassismus, Pädophilie, Kannibalismus, Tod, Amokläufe - kaum ein Reizthema, das nicht auf respektloseste Art und Weise in der winterlichen Zeichentrickwelt seinen Auftritt hatte. "Was darf Satire? Alles," wie Kurt Tucholsky forderte.

Das gilt jedoch, wie es scheint, nicht für alle Medien. Was im TV kein Problem ist, ist bei Videospielen ein Skandal. Das lang erwartete Spiel zur Serie "South Park: Der Stab der Wahrheit" überschritt mit einigen Szenen offenbar - wie geplant - die Grenzen des guten Geschmacks so gründlich, dass der Titel in fünf verschiedenen, unterschiedlich zensierten Versionen erscheinen musste - somit gibt es verschiedene Versionen für Nord- und Südamerika, Europa, Deutschland, Australien und Russland. Szenen, in denen über Analsonden und Abtreibungen gescherzt wird, wurden ebenso geschwärzt wie solche, in denen Nazi-Symbole zu sehen waren. "Es geht um 30 oder 40 Sekunden, die ihr im Gegensatz zur restlichen Welt nicht sehen dürft. Wir finden das lächerlich und dumm", kritisierte South Park-Schöpfer Matt Stone diese Zensur.

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Selbstzensur ...

Das Pikante daran: Die meisten der Schwärzungen im Spiel wurden überhaupt nicht von strengen staatlichen Zensurbehörden eingefordert - sondern in vorauseilendem Gehorsam von Publisher Ubisoft selbst vorgenommen. Videospiele, so scheint es in dieser Logik, sind nach wie vor eben nur Spielzeug für Kinder, für die "Ab 16 Jahren"-Freigabe der Konsolenversion entschied sich der Publisher so gegen die künstlerische Freiheit seiner Autoren. Absurdes Detail: Die PC-Version des Spiels bleibt bis auf die Entfernung "verfassungswidriger Symbole" ungeschnitten - und ab 18.

Dass "verfassungswidrige Symbole" wie Hakenkreuze, aber auch andere Insignien des Nationalsozialismus in Computerspielen nach deutschem Recht nicht vorkommen dürfen, ist ein anderes, etwas diffizileres Problemfeld. Seit Jahren betreiben Spielehersteller nicht wenig Aufwand, um ihre Spiele  in dieser Hinsicht für den großen deutschen Markt anzupassen - oft mit Pannen. 2009 musste etwa das Remake des id-software-Klassikers "Wolfenstein" aus den Händlerregalen zurückgerufen werden, weil trotz aufwendiger Adaptionen in einer einzelnen Hintergrundgrafik noch ein Hakenkreuz zu sehen war, und auch der Erscheinungstermin von "South Park: Der Stab der Wahrheit" wurde durch ein ähnliches Versäumnis um mehrere Wochen zurückgeworfen

...  und Hakenkreuze

Bei der Gegenüberstellung von Spiel und TV-Serie wird besonders deutlich, dass auch hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Während Cartoon-Fettsack Cartman auch im deutschen TV als Adolf Hitler verkleidet samt Hakenkreuzbinde geschmacklose Witze reißen durfte, hätte exakt dieselbe Szene im Spiel mit Sicherheit zu strafrechtlichen Konsequenzen und bis zur Beschlagnahme nach deutschem Recht geführt.

Kein Publisher mag vor Gericht ziehen, um Hakenkreuze in Spielen einzuklagen.

Der Grund für diese Ungleichbehandlung? Während Dokumentationen, aber auch Filme, Bücher und Serien als "Kunst und Kulturgüter" vom Darstellungsverbot ausgenommen sind, fehlt ein juristischer Präzedenzfall, der dieselbe künstlerische Freiheit für Computerspiele sicherstellt. Seit der Shooter-Urahn "Wolfenstein 3D"   1994 wegen dieses Strafbestandes in Deutschland beschlagnahmt und indiziert wurde, wagt kein Spielehersteller den Gang zum Gericht, um für das mittlerweile auch in Deutschland offiziell als Kulturgut anerkannte Medium Spiele dieselben Rechte einzuklagen - ein derartiger Rechtsstreit würde zu viel negative Publicity mit sich bringen.

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Verbotene Spiele

Deutschlands strenges Jugendschutzregime auch in Sachen Gewaltdarstellung ist -  dank des Werbeeffekts, den ein "Banned in Germany" im Rest der Welt hat - bekannt, doch Spiele sind als junges Medium auch in anderen Ländern stärker von zum Teil absurden Zensurmaßnahmen betroffen. Erst vor kurzem wurde etwa das zuvor in China geltende generelle Konsolenverbot"temporär" aufgehoben, Venezuela verbietet pauschal seit 2010 "brutale" Computerspiele und in Australien gab es bis 2013 auch für Erwachsene keine Möglichkeit, Spiele mit "Ab 18"-Rating zu kaufen - diese blieben nämlich bis dahin einfach verboten. Dass Spiele wie andere Medien auch und inzwischen vorwiegend von Erwachsenen gespielt werden, ist eine Erkenntnis, die sich weltweit bei den eifrigen Zensurbehörden eben nur langsam durchsetzt.

Der Fall Österreich

Dass übrigens Österreich in Sachen Zensur regelmäßig mit dem "großen Bruder" Deutschland in denselben Topf geworfen wird, ist nur der Bequemlichkeit der Hersteller und dem kleineren Markt geschuldet. Neben der Verwendung des europaweiten PEGI-Systems zur Alterseinstufung von Spielen geht Österreich nämlich den zu Deutschlands Verbotskultur entgegengesetzten Weg: Anstelle wie dort bestimmte Titel zu verbieten, zu beschränken oder in letzter Konsequenz zu indizieren, zeichnet die Wiener "Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen" (kurz: BuPP) besonders empfehlenswerte Spiele aus. Empfehlung statt Zensur - ein Weg, den sich zu gehen lohnt - auch und besonders in einem Medium, das vielen noch fremd ist.

Branchenikone Hideo Kojima gab diesbezüglich erst im März Folgendes zu bedenken: "Wenn wir keine Grenzen überschreiten, werden Games nie als Kulturgut angesehen."

Dieser Artikel erschien zuerst für den Standard.

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