Analyse

Seltsame neue Spielewelt: Als der schwedische Entwickler Markus “Notch” Persson 2009 damit begann, Betazugänge zu seinem Indie-Spiel “Minecraft” zu verkaufen, konnte noch keiner ahnen, dass ihn sein Weg in nur fünf Jahren auf die Forbes-Liste der Milliardäre führen würde. Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die so wohl nur im Gaming, und in diesem Fall sogar nur im Indie-Bereich stattfinden kann.

“Minecraft” ist mehr als ein Kultspiel, es ist ein Phänomen. Das Sandbox-Legoland zum Selbergestalten ist hinter “Tetris” und “Wii Sports” mit über 60 Millionen verkauften Exemplaren auf Platz drei der meistverkauften Spiele aller Zeiten und naturgemäß damit das erfolgreichste Indie-Spie. Die kostenlose Demoversion hat bereits vor einem Jahr die 100-Millionen-Spielermarke geknackt. Es ist mit Respektabstand mit knapp zwei Milliarden gespielten Stunden das am meisten gespielte Xbox-Live-Spiel auf der Xbox 360 und der letztes Jahr über die Bühne gegangene Deal mit Microsoft hat Persson um 2,5 Milliarden Dollar reicher gemacht. Trotzdem ein gutes Geschäft für Microsoft: Direkter konnte sich bislang wohl kein Unternehmen in eine lebende Legende der Popkultur einkaufen, die für Millionen Spieler auf ewig nostalgischer Teil ihrer Kindheit und Jugend bleiben wird.

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Es ist so eine Sache mit Schubladen: Der Zeitpunkt, an dem sie sich im kollektiven Denken durchgesetzt haben, ist meist exakt jener, an dem sie bereits zu klein geworden sind. Indie ist spätestens 2014 ein Label, das für jeden etwas anderes bedeutet: Für die einen steht es für den unverständlichen Hype um Augenkrebsgrafik im ewigen 8-Bit-Pixelmatsch, für die anderen steht es pathetisch für die Zukunft des gesamten Mediums. Dabei gibt es ein Problem: Indie, also unabhängig vom Publisher zu sein, bedeutet heutzutage wenig.

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Wer "South Park" kennt, weiß, dass schlechter Geschmack Programm ist. Der weltweite Erfolg der Zeichentrickserie beruht nicht zuletzt darauf, dass die Macher Matt Stone und Trey Parker seit nunmehr 17 Jahren verlässlich so gut wie jedes Tabu mit unnachahmlicher Bösartigkeit in der Luft zerfetzen und mit ihrem schwarzen Humor über alle Peinlichkeitsgrenzen hinaus ihre Scherze treiben. Abtreibung, Rassismus, Pädophilie, Kannibalismus, Tod, Amokläufe - kaum ein Reizthema, das nicht auf respektloseste Art und Weise in der winterlichen Zeichentrickwelt seinen Auftritt hatte. "Was darf Satire? Alles," wie Kurt Tucholsky forderte.

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Immer, wenn ich ein neues Spiel spiele, gehe ich erst mal davon aus, dass man sich darin - wenn man möchte - mit großer Freude vertiefen kann. Egal, ob es sich um das Durchforsten und Durchleven einer riesigen virtuellen Welt handelt oder um ein frenetisches Geschicklichkeitsspiel: Ein Computerspiel ist im Idealfall ebenso einsteigerfreundlich wie expertentauglich. Leider geht diese Rechnung nur manchmal wirklich auf. Das merkt man dann, wenn das jeweilige Spiel schlecht designt, der Schwierigkeitsgrad nicht ausbalanciert oder die Steuerung schleißig umgesetzt ist.

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Hearthstone ist eine Verkaufsplattform mit Kaufanreizsystem in Spielform.

Während Diablo 3 ein Hybrid war - ein Vollpreisspiel, das dank Echtgeldauktionshaus und Item-Grind als Endgame im Spieldesign seltsam verkrüppelt verblieb -, ist Hearthstone als reiner Free2Play-Titel in gewisser Weise ein offenes Produkt, ehrlich, geradlinig. Dabei erübrigt sich die Frage nach der Moral: Natürlich ist Free2Play ein völlig legitimes Konzept, natürlich kann Blizzard, das hier wie wenige andere alles richtig macht, dieses Monetisierungsmodell nicht vorgeworfen werden.

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Der Weltraum, unendliche Weiten - und die Spieler mittendrin, um alles frei zu erforschen. Was sich wie reine Fantasie anhört, will Hello Games wahr werden lassen: Mit dem vor kurzem angekündigten "No Man's Sky", das noch 2014 erscheinen soll, versprechen die Briten nichts weniger als ein tatsächlich endloses Spieluniversum mit frei besuchbaren, radikal unterschiedlichen Planeten, das tausende Spieler zugleich entdecken können. Das klingt umso ambitionierter, als das Studio gerade einmal aus vier Köpfen besteht. Wie soll das funktionieren?

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Das Gamesjahr 2013 im Rückspiegel.

Kaum ein Medium, das so sehr der Zukunft zugewandt ist wie Computerspiele - Conny Lee, Robert Glashüttner und ich haben uns ja erst im letzten FM4 Extraleben genau zu diesen Zukünften unterhalten. Man blickt nicht so gern zurück in diesem Medium und schon gar nicht in diesem Jahr, das laut der Zeitrechnung der beiden größten Konsolenhersteller Jahr Null einer "ganz neuen Generation" ist. Bringen wir das Offensichtliche hinter uns: 2013, das war das Jahr, in dem die historisch am längsten dienende Konsolengeneration endlich ihre Nachfolger gefunden hat. 2013 war NextGen-Launch - auch wenn Nintendo schon ein Jahr zuvor vorgeprescht ist.

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Als der französische Maler Paul Delaroche 1839 zum ersten Mal eine Fotografie zu Gesicht bekam, soll er der Legende nach erschüttert den Tod seiner Zunft ausgerufen haben. Heute, mehr als eineinhalb Jahrhunderte später, wissen wir: Die Befreiung der Malerei vom Zwang zum Realismus läutete nicht das Ende, sondern aufregende neue Kunstepochen ein. Beim Medium Games zeichnet sich ein ähnlicher Wandel ab.

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Schöner, größer, schneller - die neue Konsolengeneration verspricht viel. Doch während technisch die Spiele tatsächlich immer spektakulärer aussehen und die Grafik immer fotorealistischer wird, beklagen manche Spieler nicht zu Unrecht spielerische Stagnation. Bessere Grafik, schön und gut - aber Innovation, eigene Handschrift oder gar riskante Neuerungen sind in Zeiten zweistelliger Sequels und stromlinienförmiger Zielgruppenmaximierung von den Großen der Branche scheinbar nicht zu erwarten.

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Verwandt und doch grundverschieden, stehen sich die Medien Film und Spiel meist in unentschlossenem Zaudern gegenüber. Wie filmisch müssen, sollen, dürfen Spiele sein?  Wird das jüngere dem älteren Medium auf ewig hinterherhecheln - oder gehört dem Spiel unweigerlich die Zukunft? Welche ästhetischen, technischen und künstlerischen Wege werden Film und Spiel gemeinsam, welche getrennt weiterbeschreiten? In der Serie SPIEL/FILM werfen Kollege Ciprian David von negativ-film und ich einen gemeinsamen Blick auf zwei Medien. Zum Auftakt eine Grobanalyse. 

Spätestens seit dem unglaublichen finanziellen Erfolg von "Grand Theft Auto 5"  stehen sich Filme und Spiele zumindest finanziell und in Bezug auf die Bestseller auf Augenhöhe gegenüber. Ansonsten muss aber dem "kleinen Bruder" Games in diesem Duo ein gröberer Minderwertigkeitskomplex attestiert werden. Jeder Spieler kennt die hundertfach gegebenen und so gut wie niemals gehaltenen Versprechen vom "filmischen Spielerlebnis", vom "Film zum Mitspielen", vom "cinematic gameplay" - wenn hingegen von einem Film gesagt wird, er sei "wie ein Videospiel", ist das meist als Ohrfeige aufzufassen. Es ist ein Aufeinandertreffen zweier Medien mit vielen Missverständnissen - und vielfach nur einem, demselben Zielpublikum.