Fünf Minuten Hearthstone-Ruhm

Helfried Haider hat VGT bereits zuvor mit Texten beehrt, diesmal gibt es einen Grund zum Prahlen. Denn Helfried hat nicht nur geschafft, woran VGT-Kollege Robert noch im Februar gescheitert ist, sondern noch einen draufgesetzt.

Am Weg zur Legende

Ich mache wieder einen Strich in meinem kleinem schwarzen Buch in der "Win"-Kolumne. Nur noch wenige Sterne trennen mich vom begehrten "Legend"-Rank, den ich bis jetzt noch nicht erreicht habe. Wenn ich durchgehend gewinne, dann ist es bald so weit. Aber durchgehend gewinnen? Optimistische, aber nicht realistische Einschätzung. Aber die Spannung steigt. Jeder Verlust schmerzt mehr. Jeder Sieg hat mehr Bedeutung.

Das wirklich Besondere: Ich spiele ein Deck, das keiner kennt. Bei dem keiner wirklich weiß, wie man dagegen spielt. Oft, wenn ich die erste Karte spiele, bleibt die gegnerische Maus an meiner Karte hängen, um den Text durchzulesen. Nach ausgiebigem Testen und vielen Veränderungen habe ich es fertiggestellt: MEIN Deck. Ich habe mir die Deckliste nicht aus dem Internet gezogen, wie oft zuvor, sondern getüftelt und probiert, bis ich zufrieden war.

Wenige Tage später ist es so weit. Zum zweiten Mal trennt mich nur ein Stern vom ersehnten Legend Rang. Mein Gegner ist ein Jäger ... und diesmal schaffe ich es, die Partie an mich zu reißen! Am Bildschirm steht es - ich bin jetzt eine Legende!

Die Freude ist natürlich groß, es mit einem selbstgestricktem Deck so weit geschafft zu haben. Und nach kurzer Überlegung beschließe ich, das Deck auf einer Webseite hochzuladen. Ich wähle dafür Hearthpwn – dort habe ich selbst auch immer wieder neue Decks gesucht, die ich verwenden kann. In der Beschreibung erwähne ich, dass dieses Deck Legend Rank hat – da die Saison erst zwölf Tage läuft, so denke ich mir, wird es einige Klicks mehr bringen. Wie Recht ich damit hatte …

Der Höhenflug

Ich erwähne noch, dass ich zu dem Deck einen Guide schreiben werde, wenn es ein paar Upvotes bekommt. Das ist auf Hearthpwn sehr üblich, um ein paar weitere Klicks anzulocken. Und siehe da, schon am ersten Tag kommen einige Kommentare. Darum setze ich mich am Abend hin, schreibe noch Mulligan Guides und Kommentare, wie man am besten gegen welche Decks spielt.

Ab dem zweiten Tag beginnen sich die Kommentare und Likes zu häufen – kein Wunder, denn wenn ein Deck einige Upvotes bekommt, schiebt es dieses Deck in den „Hot“ Rankings von Hearthpwn nach oben und das Deck ist auf der ersten Seite leichter zu finden.

Noch einen Tag später sehe ich einen Streamer, der eine sehr ähnliche, wenn auch nicht gleiche Version meines Decks spielt. Allerdings gibt dieser Streamer leider nicht an, woher er die Idee zu dem Deck hatte, sondern gibt es quasi als „Eigenkreation“ aus – was ich persönlich etwas missmutig betrachte. Die Kombination aus einigen Karten zeigt klar an, woher er die Idee hatte. Aber ich habe natürlich auch nicht seinen ganzen Stream gesehen – vielleicht hat er ja doch irgend wann einmal erwähnt, woher das Deck kam?

Noch einen Tag später häufen sich weiter Kommentare. Nicht alle sind positiv – die meisten aber mögen das Deck. Mein Deck ist an Platz zwei der Druiden-Decks in der „Hot“-Liste. Ein weiterer Streamer macht ein YouTube Video zu dem Deck – offensichtlich sucht er sich immer die „Up and coming“ Decks aus und spielt diese auf seinem Stream.

Genau zu diesem Zeitpunkt allerdings gehe ich auch noch auf Urlaub, aber täglich kommen mehr Kommentare und täglich kommen mehr Likes, das Deck rutscht damit immer weiter nach oben. Ein französischer Streamer schließt sich dem ersten an und macht noch ein weiteres Video dazu.

Und dann kommen die zwei Höhepunkte: Zum einen schafft es mein „Eggbert“ Druide tatsächlich für einen Tag DAS Top-Deck auf Hearthpwn zu werden. Beim Öffnen der Seite ist an erster Stelle der Link zu meinem Deck!

Und dann spielt einer meiner Lieblings-Streamer, Day9, das Eggbert Deck – er war eher bekannt für StarCraft-Kommentare und Videos, bevor er zu Hearthstone gewechselt hat. Auch wenn das Deck nur eine mäßige Winrate auf seinem Stream hatte – es ist schon sehr erbauend, wenn man einem professionellen Streamer dabei zusieht wie er DEIN Deck spielt.

Zurück zum Alltag

Und dann kam die nächste Hearthstone-Erweiterung – „The Grande Tournament“ (TGT) kam am 24. August heraus und damit war der Ruhm des Decks beendet, denn augenblicklich fluteten neue Decks das Meta. Viele neuen Decks wurden gepostet – und auch wenn ich ein TGT-Update für das Deck machte, die vielen neuen Decks vertrieben langsam, aber sicher meinen Eggbert immer weiter nach unten in den Rankings.

Insgesamt knackt mein Deck noch zuerst die 100k-Views-Marke, letztendlich sogar die 150k. Nach Ranking sortiert, ist mein Deck auf Platz 14 der höchst bewerteten Druidendecks seit Hearthstone-Beginn.

Ich habe dann noch ein weiteres Midrange-Deck gepostet, aber das fand kaum Beachtung. Viele Streamer und bekannte Deckbuilder haben mit ihren Decks herumexperimentiert und gepostet. Es wird einige Zeit brauchen, bis das Meta sich wieder „einspielt“ und beruhigt. In Season 18 habe ich noch nicht einmal Legend wieder erreicht – und habe vielleicht auch nicht die Zeit dazu, mich dorthin zu spielen.

Und heute, als ich ein Spiel beginne, spielt mein Gegner MEIN Deck.

Ein wiederholbarer Erfolg?

Mir ist bewusst, dass mein „Eggbert“ genau zu einem richtigen Zeitpunkt kam. Das Metagame in Hearthstone war etwas starr eingefroren, kurz bevor TGT herauskam. Jede Klasse hatte ein bis drei verschiedene Decks, welche als „die besten der Klasse“ galten und in nur kleinen Variationen gespielt wurden. Gerade von Druidendecks gab es nur eine Variation, die wirklich viel gespielt wurde. Aus diesem Grund wurde ein Deck, welches von dieser eher „starren“ Spielweise abwich und schlicht und ergreifend anders, aber funktionell war, mit offenen Armen empfangen.

Ich denke, es ist durchaus möglich, diesen Erfolg zu wiederholen, aber es ist nicht immer leicht, innovativ zu sein. Es braucht eine gute Idee und eine gute Umsetzung – meistens sind Decks mittelmäßig funktionell, was aber in Hearthstone nicht ausreichend ist. Zumindest eine sechzigprozentige Gewinnrate ist Voraussetzung für einen solchen Erfolg. Vor allem braucht es auch Zeit. Denn ohne die notwendige Zeit für das Testen zu investieren und vor allem auch Statistiken über jedes Spiel zu führen, kann man selbst schwer abschätzen, ob ein Deck wirklich „meta-tauglich“ oder nicht ist.

Ende des Ruhms?

Im Moment spiele ich hauptsächlich Jäger – selbst ich spiele kaum mehr mein eigenes Eggbert-Deck, in dem Versuch, wieder etwas Neues zu machen. Ab und zu wird ein anderes Deck ausprobiert.

Und heute, als ich ein Spiel beginne, spielt mein Gegner MEIN Deck. Ein paar wenige Karten sind anders. Mein Jäger gewinnt allerdings dagegen. Kurz darauf kommt eine Freundschaftsanfrage. Wurde ich denn gar erkannt?

„ur deck makes no sense“, kommt zu mir. Einen Moment denke ich, er meint meinen Eggbert, aber eine weitere Zeile später ist mir klar, dass er von meinem jetzigen Jägerdeck spricht. Ich hingegen bedanke mich bei ihm, dass er mein Deck spielt.

„it’s not ur deck“, meint er. „guy who is top 4 eu player plays egg druid on his stream”.

Und ich kann nicht umhin zu grinsen. ER mag nicht wissen, woher das Deck kommt. Ich aber weiß es schon. Ganz vorbei ist der Ruhm noch immer nicht …

Autor: 
Gast