Games'n'Politics: Call of Duty – Advanced War Criticism
Michael Schulze von Glaßers Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Auf VGT ergänzt Michael seine Videoserie um erweiternde Texte.
Die „Call of Duty“-Reihe gilt als kriegsverherrlichende Schießbude. In den vergangenen Jahren gab es in den Spielen aber auch überraschend viel Kritik an Militarisierung und Entwicklungen der Rüstungsindustrie.
Jonathan Irons möchte die Welt beherrschen. In einer Ansprache vor den Vereinten Nationen macht er im Jahr 2060 öffentlich, eine biologische Waffe entwickelt zu haben, die gezielt Menschen tötet, deren DNA nicht in den Sporen der Waffe gespeichert ist. Für Irons haben klassische Staaten ausgedient, da sie ihre Bürger nicht mehr allein versorgen könnten. Er hingegen kann das. Denn sein Unternehmen Atlas, eine private Militärfirma, hat nach weltweiten Terroranschlägen auf Atomkraftwerken für Infrastruktur und Sicherheit gesorgt. Die damit gewonnene Macht nutzt Irons nun für seinen Griff nach der Weltherrschaft.
Gefährliche Atomkraftwerke, ethnische Waffen und private Militärfirmen: das im vergangenen November erschienene „Call of Duty – Advanced Warfare“ nimmt sich gleich mehrerer aktueller politischer Themen an – und wirft ein sehr kritisches Licht auf sie. Wo in der Realität darüber gestritten wird ob Atomkraftwerke vor terroristischen Angriffen ausreichend geschützt werden können, zeigt „Call of Duty“ die verheerenden Auswirkungen eines solchen Angriffs: „Man kann nicht schützen, was man nicht kontrollieren kann“, warnt Irons im Spiel. Auch ethnische Waffen sind keine Erfindung der Action-Videospiel-Autoren. sondern sollen bereits real erforscht worden sein: Bereits in den 1980er-Jahren soll das Apartheids-Regime in Südafrika an Mikroben geforscht haben, die Schwarze unfruchtbar machen sollten. Und die israelische Armee soll an Viren geforscht haben, die nur Araber befallen. Laut Experten gibt es aber noch keine funktionierende Ethno-Waffe – das scheint allerdings nur eine Frage der Zeit zu sein.
„Advanced Warfare“ fordert mit teils drastischen Bildern dazu auf die Entwicklung ethnischer Waffen zu verhindern. Die größte Warnung in der Einzelspieler-Kampagne des neuen „Call of Duty“ bezieht sich auf die Abgabe hoheitsstaatlicher Aufgaben an private Militärdienstleister. Atlas wurde von den Staaten genutzt, um effektive Kriege führen zu können. Dabei verfolgt Atlas-Chef Irons aber eigene Pläne und profitiert von zunehmender Unsicherheit. Eine Gefahr, die auch in der Realität besteht. Private Unternehmen werden immer öfter von Staaten beauftragt, in Krisengebieten für Sicherheit zu sorgen – an einer sicheren Welt haben diese Unternehmen aber gar kein Interesse, da Unsicherheit ihr Geschäft ist und Aufträge verschafft.
Punktuell kritische Aussagen gegen Militarisierung und Rüstung sind in den Geschichten von „Call of Duty“ seit einigen Teilen der Serie gängig. Im 2013 veröffentlichten „Call of Duty – Ghosts“ eroberten Soldaten eines nicht näher definierten südamerikanischen Staatenbündnisses Weltraumwaffen der USA, um diese damit anzugreifen. Die zerstörerische Wirkung solcher – bislang fiktiver – Waffen wurde dem Spieler bei einem Bombardement aus dem Weltraum an seiner virtuellen Haut vorgeführt. Auch im weiteren Spielverlauf geht es in „Ghosts“ um die Militarisierung des Weltraums, die als sehr negativ dargestellt wird: vor der Entwicklung von Weltraumwaffen wird gewarnt.
Im 2012 erschienenen „Black Ops 2“ sind es wiederum autonome militärische Drohnen, die dem Spieler als gefährlich präsentiert werden. Der Hauptantagonist schleust einen Computervirus ins Netz des US-Militärs, kann so die Kontrolle über Militär-Drohnen gewinnen und sie gegen die USA einsetzen. Die Anfälligkeit von Drohnen durch Hacker-Attacken gibt es auch in der Realität. So zeigt „Call of Duty – Black Ops 2“ gut, welche Gefahr davon ausgeht, wenn Maschinen autonom Menschen töten sollen.
Es ist überraschend, dass die Spiele der „Call of Duty“-Reihe in den letzten Jahren auch immer wieder kritische Töne in Fragen von Militär und Rüstung anschlugen. Dennoch sollen die aufgelisteten Punkte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die „Call of Duty“-Spiele nach wie vor militärische Gewalt als wichtiges und effektives Mittel der Politik darstellen, oftmals patriotischen Pathos und Chauvinismus verbreiten und schlicht kriegsverherrlichend sind. Ganz platt lassen sich die Militärshooter aber nicht mehr als „Kriegspropaganda“ abtun. So hat der „Ruf der Pflicht“ mittlerweile zumindest einen kleinen, kriegskritischen Unterton bekommen.