Games'n'Politics: Frauen, Waffen und die Telekom

Michael Schulze von Glaßers Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Auf VGT ergänzt Michael seine Videoserie um erweiternde Texte.

Insgesamt 335.000 Besucher kamen Mitte August zur diesjährigen gamescom, der größten Videospielmesse der Welt in Köln. Rund 700 Aussteller präsentierten ihre aktuellen Spiele, Hardware und andere Neuigkeiten. Wie in jedem Jahr war auch diese gamescom ein riesen Games-Fest – ganz getreu dem Motto der Messe: „Celebrate the games!“

Mit nüchternem Blick offenbaren sich aber auch kritikwürdige Punkte rund um die Messe: überfüllte Halle und schier endlose Warteschlangen sind dabei wohl die augenscheinlichsten Probleme der gamescom. Ein anderes ist die Art der Werbung, mit der manche Videospiel- und Hardware-Hersteller ihre Produkte präsentieren: statt sich auf die Qualität ihrer Ware zu berufen werden leichtbekleidete Damen und Waffen ins Blickfeld der oft sehr jungen Zielgruppe gerückt. Vor allem die kostenlos spielbaren „Wargaming“- und „WarThunder“-Weltkriegs-Spiele wurden auf der gamescom mit „Messebabes“, Panzern und Kampfflugzeugen beworben. Selbst der Tastaturen- und Computer-Mäuse-Hersteller Roccat ließ es sich nicht nehmen, seine Produkte mit tanzenden Frauen und einem Trupp schwerbewaffneter Soldaten-Schausteller zu bewerben.

Neben den Messeständen wurden den Besuchern aber auch zahlreiche Shows geboten. Für eine volle Messehalle sorgte dabei besonders ein „Mario Kart 8“-Turnier des IDG-Verlags, der u.a. das Videospiel-Magazin „GameStar“ herausgibt. Von YouTube bekannte „Let’s Player“ spielten das Nintendo-Spiel und boten dem jungen Publikum Unterhaltung. Präsentiert wurde das Turnier aber nicht nur von IDG, sondern auch von der Telekom – der vollständige Titel: „Telekom Mario Kart 8 Cup“. Wie die Kooperation bzw. das Sponsoring genau aussah, ist nicht bekannt.

Die gamescom - ein Videospiel-Fest mit einigen, kleinen aber ärgerlichen Schönheitsfehlern.

Kritisch ist die Zusammenarbeit zwischen dem Verlag und dem Telekommunikationsanbieter vor allem deshalb, weil die aktuelle Politik der Telekom wohl der Meinung der meisten Zuschauer des „Mario Kart“-Turniers entgegenstehen dürfte: Seit geraumer Zeit versucht die Telekom die klassische Internet-Flatrate abzuschaffen (was im vergangenen Jahr zum „Drosselkom“-Aufschrei führte) und eine Aufhebung der Netzneutralität in Deutschland zu erwirken – beides könnte das Spielen von Videospielen über das Internet enorm verteuern. Um über die unpopuläre Politik hinwegzutäuschen, betreibt die Telekom einen enormen Werbeaufwand – und der IDG-Verlag, der eigentlich unabhängigen Journalismus für die vor allem jungen Videospielerinnen und Videospieler machen sollte, lässt sich von dem Kommunikationsunternehmen für seine Sache einspannen.  Initiator des "Mario Kart 8 Cups" war die Telekom - von ihr ging die Kooperation mit dem IDG-Verlag aus. Ob das Telekommunikationsunternehmen für die Kooperation Geld gezahlt hat ist nicht bekannt - ist bei solchen Sponsorings aber nicht unüblich. Damit wird die Liste der Kritik an der großen deutschsprachigen Videospiel-Presse wieder um einen Punkt länger (siehe den VideoGameTourism-Artikel „Gamescom, Spielepresse und PR: Die Sache mit der Ethik“ sowie Games’n’Politics-Folge 43).

Auch das Auftreten vollkommen fachfremder Organisationen und Institutionen auf der Messe darf verwundern: So nimmt etwa die deutsche Armee die Videospiel-Messe jedes Jahr für eine großangelegte Rekrutierungskampagne zum Anlass. Gleich auf der ersten Seite des Messekatalogs warb die Bundeswehr für eine „Karriere mit Zukunft“. Auch in der offiziellen gamescom-App war sie mit Werbeanzeigen vertreten. Auf dem großen Stand gleich neben der Bühne, auf der tausende Jugendliche den „Let’s Playern“ beim „Mario Kart“-Turnier zujubelten, hatte die Armee einen „Dingo“-Radpanzer, ein Motorrad der Feldjäger und einen Schleudersitz aus einem Kampfjet als Blickfang aufgestellt. Wer wollte, konnte sich gleich von „Karriereberatern“ über den Dienst an der Waffe informieren.

So sucht die Bundeswehr gezielt die Nähe zu nicht selten militärverherrlichenden Videospielen um Nachwuchs für echte Einsätze zu werben – dabei sind reale Interventionen kein Spiel.

Die hier kritisierten Stände und Shows sind natürlich nur eine Auswahl. Dennoch soll die negative Kritik nicht die überwiegend positiven Aspekte der Messe hinwegtäuschen. Die gamescom hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Pfeiler bei der Etablierung einer Videospielkultur entwickelt und wird auch für die Industrie immer wichtiger, was sich an immer mehr Neuankündigungen auf der Messe zeigt. So ist die gamescom ein Videospiel-Fest mit einigen, kleinen aber ärgerlichen Schönheitsfehlern.

Autor: