Games'n'Politics: Religion in Videospielen

Michael Schulze von Glaßers Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Auf VGT ergänzt Michael seine Videoserie um erweiternde Texte.

Religion hat noch immer viel Einfluss in der Gesellschaft: Sogar auf politische Entscheidungen wird von verschiedensten Religionsgemeinschaften Einfluss genommen. Die große Präsenz in vielen Lebensbereichen ist es dann wohl auch, die Videospielentwickler immer wieder dazu führt, Religion in ihren Spielen aufzugreifen – teilweise bewusst, teilweise auch unbewusst.

So sind Schamanen, Priester und kathedrale Bauten heute in vielen Mittelalter- und Fantasy-Rollenspielen anzutreffen. In Strategiespielen wird Religion meist als eine weitere Spielmechanik verwendet. Sehr wertend wird Religion oft in First-Person-Shootern wie Bioshock Infinite behandelt: das Spiel versetzt den Spieler in die fiktive, über den Wolken schwebende Stadt Columbia. Dort regieren die „Gründerväter“, eine ultranationalistische und fundamentalistisch-religiöse Gruppe unter dem selbsternannten Propheten Zachary Hale Comstock. In der Spielwelt und der Story gibt es klare Elemente des Christentums: bei Betreten von Columbia muss sich der Spieler beispielsweise taufen lassen, Comstock ist klar an popkulturelle Darstellungen von Moses angelehnt und das Setting mit der Stadt Columbia, die sich von den USA sezessiert hat, ist an das biblische Exodus-Motiv angelehnt.

Wo Religion in vielen Spielen durch Vor- und Nachteile gekennzeichnet ist, wird sie in Bioshock Infinite sehr negativ dargestellt: In Columbia sind Menschen dunkler Hautfarbe sowie Iren Sklaven der weißen und tiefreligiösen Mehrheitsgesellschaft. Dies geht so weit, dass es in der Spielwelt sogar eine an den realen Ku-Klux-Klan angelehnte christliche Religionsgemeinschaft gibt. Trotz dieser negativen Darstellung von christlicher Religion gab es daran bei Erscheinen des Spiels kaum Kritik von religiösen Gruppen. Das liegt augenscheinlich daran, das Bioshock Infinite nur eine sehr extremistische Auslegung des Christentums kritisiert (und karikiert): Die „Otto-Normal-Religion“ und ihre Anhänger werden im Spiel nicht angegangen.

Ähnlich sieht es im populären Open-World-Spiel Grand Theft Auto V aus: Religion spielt in GTA keine Rolle, nur einige Nebenmissionen thematisieren den an die reale Sekte Scientology angelehnten „Epsilon“-Kult. Möchte der Spieler der Gruppe beitreten, muss er viel Geld spenden, sich für tausende von US-Dollar einen Anzug der Sekte kaufen und sinnlose Aufgaben, wie etwa einige Meilen durch eine Wüste zu joggen, erledigen. In der finalen Mission des Handlungsstrangs muss der Spieler schließlich Geld zu einem Hubschrauber bringen, mit dem sich die „Epsilon“-Führer dann absetzen: Religion wird in dem Spiel als reine Geldmacherei dargestellt – aber eben auch nur wieder in ihrer extremistischen Form.

Wie in vielen Fällen ist auch der Umgang mit Religion in Spielen vom Ziel der Videospielhersteller, ihr Spiel zu verkaufen, geführt: Die Hersteller von Bioshock Infinite, GTA V und anderer Spiele wollen ihre potenziellen Käufer nicht verschrecken und kritisieren daher auch keine Eigenschaft (in diesem Fall „normale“ Religiösität) ihrer möglichen Käufer und damit Geldgeber.

Mit diesem Hintergrundwissen lässt sich auch erklären, warum es vor allem das Christentum ist, das in heutigen Spielen abgebildet wird: In der westlichen Gesellschaft, in der sowohl die Spielefirmen als auch die meisten Käufer verortet sind, ist das Christentum die führende Religion. Spiele, die etwa den Islam oder das Judentum zum Thema haben, gibt es kaum. Dabei wäre es wünschenswert, dass in den Spielen eine größere Vielfalt von Religionen gezeigt wird – und der Umgang mit den Religionen sachlich, aber dennoch kritisch verläuft. Immerhin hat Religion heute – vor allem in ihrer als Kirchen geordneten Form – zwar noch viel Einfluss, es gibt aber auch sehr viel Kritik an ihr.

Aus dieser Perspektive lässt sich das Fazit ziehen, dass die Videospielbranche der Realität bei der Darstellung von Religion hinterher hinkt: Während die Gesellschaft bei der Religionszugehörigkeit oder auch ihrer Ablehnung immer heterogener wird, zeigen viele Spiele den vermeintlichen Mainstream bzw. kritisieren Religion nur, insofern die Kritik dem Mainstream nicht zuwiderläuft.

Autor: