Games'n'Politics: Videospiel-Verbote

Michael Schulze von Glaßers Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Auf VGT ergänzt Michael seine Videoserie um erweiternde Texte.

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Blut spritzt, Knochen bersten – der 2012 veröffentlichte First-Person-Shooter „Syndicate“ ist brutal. Das Spiel von US-Hersteller Electronic Arts (EA) zeigt so gewalthaltige Szenen, dass es in Deutschland sogar von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) indiziert wurde. Zwar ist das Spiel offiziell nicht verboten, doch es darf in der Bundesrepublik nicht beworben werden – was de facto einem Verbot gleich kommt. So hat Electronic Arts das Spiel nicht auf dem deutschen Markt vertrieben. In der Indizierungsbegründung der BPjM heißt es unter anderem:

„In der vorliegenden Verkaufsfassung sind die Tötungs- und Verletzungshandlungen keineswegs dunkel visualisiert, sondern die Gewalthandlungen und ihre Folgen sind jederzeit deutlich zu erkennen. Es können Körperteile (Arme, Beine, Köpfe) abgetrennt werden und es kann am Boden liegenden Personen, seien sie nun bewaffnet oder nicht, mit voller Wucht auf den Kopf getreten werden, untermalt von Knirschgeräuschen, mit dem das Genickbrechen verdeutlich wird. Die letztgenannte Tötungsart, das sog. ‚Hinrichten‘ (Exekution) wird in der Spielestatistik in einer eigenen Kategorie aufgeführt.“

Die deutsche Jugendschutz-Institution hat sich das Spiel wirklich sehr genau angeguckt (zur detaillierteren Begründung der BPjM siehe hier) und die Beschreibungen treffen zu – allerdings nicht nur auf „Syndicate“. Auch in dem in Deutschland für Volljährige freigegebenen Spiel „Wolfenstein – The New Order“ (Bethesda 2014) werden Feinden blutig die Köpfe abgetrennt, in „BioShock Infinite“ (2K Games 2013) wird einem Polizisten in einer Anfangssequenz ein Werkzeug ins Gesicht gerammt, worauf hin er blutüberströmt zusammen sackt und im kriegskritischen Shooter „Spec Ops – The Line“ (2K Games 2012) wird dem Spieler explizit angeboten wehrlose und verletzte Feinde die am Boden liegen zu exekutieren. So ist „Syndicate“ ein sehr brutales Spiel – die Gewaltdarstellungen sind aber nicht brutaler als in anderen, in Deutschland nicht indizierten Videospielen.

Ein weiterer Grund für die Indizierung von „Syndicate“ war die im Spiel gebotene Möglichkeit, Zivilisten konsequenzlos zu töten:

„Den Umstand, dass Unbeteiligte Opfer der Gewalthandlungen werden können, gerade auch der besonderen Tötungsart der ‚Hinrichtung‘ wie z.B. einige als Obdachlose zu erkennende Personen, erachtet das Gremium ebenfalls als in hohem Maß jugendgefährdend und daher entscheidungserheblich.“

Auch in diesem Punkt liegen die Jugendmedienschützer der BPjM richtig – doch auch hier gibt es Beispiele von in Deutschland erlaubten Spielen, in denen man ebenfalls Zivilisten töten kann: so ist es beispielsweise möglich in den „Call of Duty“-Spielen (Activision) „Black Ops 2“ (2012) und „Modern Warfare 3“ (2011) einige Zivilisten zu erschießen, bevor der Spieler dafür sanktioniert wird und den Abschnitt nochmal spielen muss. Auch im UbiSoft-Spiel „Ghost Recon – Future Soldier“ (2011) kann der Spieler auf Zivilisten schießen. Und das schon erwähnte „Spec Ops – The Line“ ist auch bei diesem Punkt zu nennen: in einer Szene des Spiels kann man unzählige Zivilisten niederschießen, nachdem sie einen Kameraden des Spielers gemeuchelt haben – für diese Tat wird der Spieler nicht zur Reflektion angehalten (im Gegensatz zu anderen Szenen im Spiel). So ist es möglich in „Syndicate“ Unschuldige zu töten – dies ist aber auch in vielen in der Bundesrepublik nicht indizierten Spielen möglich.

Electronic Arts wehrte sich erfolglos gege die Indizierung von „Syndicate“. Vor der BPjM argumentierte das Unternehmen, dass die Gewaltdarstellung im Spiel nicht als strafrechtlich relevant eingestuft worden sei und man Zivilisten auch in anderen Spielen töten können: „Für Medien, die ‚keine Jugendfreigabe‘ erhalten haben und nicht gegen strafrechtliche Verbote verstoßen brauchen wir kein ‚18++‘“, so Martin Lorber, Pressesprecher von EA-Deutschland. Und obwohl die deutschen Jugendmedienschützer in den vergangenen zwei Jahren liberaler geworden sind was die Darstellung von Gewalt in Spielen angeht, gibt es laut Lorber keine Hoffnung „Syndicate“ bald erneut prüfen zu lassen: „Das ist erst nach zehn Jahren möglich“, so der EA-Sprecher.

Sollten Erwachsene in Deutschland spielen dürfen, was sie wollen, solange dies nicht strafrechtlich relevant ist? Um diese zentrale Frage geht es bei der hier anhand des Shooters „Syndicate“ nachgezeichneten Debatte. Der deutsche Jugendmedienschutz wirkt dabei bisweilen willkürlich. Augenscheinlich messen die Jugendmedienschützer in Deutschland – neben der BPjM die viel wichtigere und für Alterseinstufungen zuständige „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) – teilweise mit zweierlei Maß: einige Spiele bekommen wegen der Darstellung von Gewalt keine Jugendfreigabe und werden indiziert, andere dürfen trotz gleicher virtueller Brutalität erscheinen; einige Spiele werden indiziert weil der Spieler in der virtuellen Welt Unschuldige töten kann, andere werden trotz dieses Inhalts erlaubt. Dabei ist das Töten von Zivilisten ist in allen Spielen inakzeptabel und sollte nicht unkommentiert bleiben. Plumpe (de facto) Verbote sind aber der falsche Weg in der Auseinandersetzung um die Inhalte von Videospielen und kollidieren zudem mit der Meinungs- und Kunstfreiheit.

Oft wird der sehr spezielle deutsche Jugendmedienschutz – in vielen anderen europäischen Ländern und darüber hinaus wird das einheitliche „Pan European Game Information“-System (PEGI) angewandt – mit kulturellen Unterschieden begründet: Doch wie groß können diese Unterschiede etwa zwischen Deutschland und Österreich sein? In Österreich hat sich mittlerweile nahezu ein Markt von Online-Versandhändler für in Deutschland indizierte Spiele gebildet: Der Import von „Syndicate“ nach Deutschland ist zwar erlaubt, stellt aber natürlich eine Hürde dar. Spieler in Deutschland fordern daher schon seit geraumer Zeit die Indizierungspraxis zu ändern – und finden damit doch kein Gehör. Die Politik schenkt dem Thema kaum Beachtung und so regiert in Deutschland eine Zensur, die nicht mehr zeitgemäß ist.

Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Michael Schulze von Glaßer.

Anmerkung RS: Österreich geht übrigens mit der Bundesprüfstelle für Positivprädikarisierung BUPP den umgekehrten Weg zur Bundesrepublik: Statt zu verbieten, setzt man hier auf Empfehlungen besonders wertvoller Spiele und auf Aufklärung.

 

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