Games'n'Politics: Watch_Dogs - Überwachung & Sexismus

Michael Schulze von Glaßers tolle Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Anlässlich der aktuellen Ausgabe ergänzt Michael ab sofort exklusiv für VGT seine Videoserie hier um erweiternde Texte zum Thema. Spoiler-Warnung für Text und Video!

Auf dem Release-Event für UbiSofts neues Open-World Spiel WatchDogs in der Arena Wien hatte es sich schon angekündigt, als der Moderator mit seiner von ihm „Baby“ genannten Begleitung auf der Toilette verschwand und daraufhin Bilder ihrer Kopulation in die Location ausgestrahlt wurden: in WatchDogs geht es nicht nur um Überwachung, sondern auch um Frauen. Später soll „Baby“ wegen „ungebührlichen Verhaltens“ von einem Polizisten abgeführt worden sein, ihr Partner blieb unbehelligt – so berichtet zumindest Almud Auner über das Schauspiel.

Auch in UbiSofts-Spiel kommen Frauen nicht gut weg: WatchDogs versetzt den Spieler in ein herbstliches Chicago, dass mithilfe eines Computernetzwerk mit der Bezeichnung „Central Operating System“ (CtOS) gesteuert wird – der Spieler kämpft dabei aber weniger gegen die allumfassende Überwachung als vielmehr um seine Frauen. Das CtOS hat den Mord des Bürgermeisters an einer Frau aufgezeichnet (Opfer!). Ein Inhaber des Netzwerks ist im Besitz des Videos und erpresst den Politiker damit. Als die Figur des Spielers – der Hacker Aiden Pearce – bei einem Auftrag zufällig auf den Server mit dem Video zugreift, wird er zur Zielscheibe des CtOS-Inhabers: er fürchtet um sein Druckmittel gegen den Politiker – dabei wollte Pearce das Video gar nicht (und hat es bei dem missglückten Auftrag auch nicht bekommen).

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Um ihn einzuschüchtern soll dennoch ein Anschlag auf Pearce verübt werden. Dabei kommt die sechsjährige Nichte des Hackers ums Leben (Opfer!). Pearce sinnt nach Rache – das zentrale Motiv in der gesamten Story-Kampagne. Allerdings muss er sich zunächst anderen Problem widmen: seine kleine Schwester wird von einem ehemaligen Hacker-Kollegen entführt (Opfer!) – man muss sie finden und befreien. Dabei hilft eine junge Hackerin, die sich – so bahnt es sich an – während des Spielverlaufs in Pearce verliebt. Allerdings kommt auch heraus, dass sie die Figur des Spielers, bevor sie ihn kannte, schonmal an seine Feinde verraten hat – dies nun aber bereut. Pearce verzeiht ihr, doch bevor er der Hackerin dies mitteilen kann, wird sie vor den Augen der Spielfigur von feindlichen Hackern erschossen (Opfer!).

Daneben geht es in WatchDogs auch noch um einen Frauenhändler-Ring: Die Chicagoer Elite entführt junge Frauen, um diese bei Auktionen zu verkaufen (Opfer!).

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In WatchDogs sind Frauen das zentrale Handlungsmotiv: Spielfigur Aiden Pearce will den Mord des Bürgermeisters aufklären, seine Nichte rächen, seine Schwester retten, die Hackerin beschützen und die Frauen von den Menschenhändlern befreien. Wie das US-Magazin „Paste“ zutreffend schrieb, werden dem Spieler die Frauen wie eine Karotte vor die Nase gehalten, um die Story-Kampagne voranzutreiben. Während Männer im Spiel mit Waffen hantieren, kämpfen und auch schon mal zu den „Bösen“ gehören, werden Frauen als harmlose und hilflose Wesen, die Schutz brauchen, charakterisiert. So stößt der Spieler bei seinen unzähligen Gefechten mit Banden, Sicherheitsleuten und der Polizei auch auf keine einzige gegnerische Frau.

Als hätte es den Aufschrei um und die Videos von der kanadischen Gamerin und Feministin Anita Sarkeesian über sexistische Darstellungen in Videospielen in den letzten Jahren nicht gegeben, wird dem Spieler in WatchDogs eine Story präsentiert, die durch ihre sexistische Darstellung von Frauen an das fast dreißig Jahre alte Super Mario Bros heranreicht. In diesem Punkt ist WatchDogs ein überraschender Rückschritt bei der Entwicklung der Videospiele.

Gastbeitrag von Michael Schulze von Glaßer.

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