Postkarte von Agata: Piratenschiffe und Deckenwigwams

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Agata Góralczyk ist als Langzeitreisende in virtuellen Welten unterwegs. Einmal im Monat schickt sie uns  eine Postkarte - diesmal ist es eine Flaschenpost aus Legend of Zelda: The Phantom Hourglass.

Lieber Rainer,
wann hast Du das letzte Mal ein Abenteuer erlebt? So ein wirkliches, waschechtes Abenteuer? Mit Gefahren und Räubern und so. So eines, wo man nachher ein Glas kühler Limonade oder eine Tasse heißen Kakaos bekommt.

Ich schicke Dir diese Nachricht nicht von ungefähr als Flaschenpost. Wir haben gerade vom Pier auf der Insel Molida abgelegt. Den Kurs habe ich schon auf meiner Seekarte mit dem Stift eingezeichnet und Linnebeck kann vollen Dampf voraus machen.

Aber warte! Ich fang mal lieber richtig von vorne an: Meine Freundin Tetra ist entführt worden. Das ist ziemlich blöd, weil sie nämlich eine viel bessere Piratin ist als ich. Jetzt muss ich sie finden. Ich hab aber ein bisschen Angst vor dem Geisterschiff.

Wenn ich so darüber nachdenke, dann weiß ich auch nicht mehr, wann ich das letzte Mal ein wirkliches Abenteuer erlebt habe. Als ich mich noch unter der alten Nähmaschine meiner Oma verstecken konnte? Als mein Deckenwigwam noch im Lindenbaum hing?

Hier auf den Meeren des Königs aller Ozeane schäumen weiße Wellen in unserem Fahrwasser. Der Himmel ist strahlend blau. Der Sommer endlos warm. Ein Tap mit dem Stift und unser Schiff macht einen Satz. Yiiihaa!

Dann kommt aber das Geisterschiff und es wird sehr dunkel, sehr gefährlich. Ein dichter Nebel zieht auf. Wie viele Schiffe dort schon verloren gegangen sind... Brr...

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Wenn ich den blauen Deckel meines DS aufklappe, mir die Hymne meiner Reise entgegenschmettert, dann verschwindet der langweilig ermüdende Alltag.

Dann sitze ich mit Link auf dem Bug unseres Piratenschiffes und um uns kreisen die Möwen. Die Piratenflagge flattert natürlich über uns drüber. Wir sind ja echte Seeleute. Ein Tap mit dem Stift und das Abenteuer geht los.

Ich habe noch mehr Freunde dabei: Ciela und Linebeck. Tap, ein feengleiches Lächeln. Tap, ein brummiger Spruch. Tap, ein geheimnisvoller Hinweis. Das ist schon wichtig. Alleine will ich mich nicht mit dem Geisterschiff anlegen müssen!

Ich verliere mich in diesem endlosen Trip. In dem Blau. In der Sonne. In dem Zauber der Meere.

Ahoi, Seemann! Meeresungeheuer voraus! Tap und die Bordkanone geht los. Boom! Treffer!

Land in Sicht! Tap, die Schaufel rausgeholt. Tap, schnell ein Loch gebuddelt. Tap: Ein Schatz! Wir haben einen Schatz gehoben!

Auf so einen Schatz muss man sich voll und ganz einlassen. Wie bei meinen Sommerabenteuern früher am Fluss bin ich hier mit Haut und Haaren dabei. Tap, tap, tap. So mal zwischen Herd und WhatsApp verfliegt der schaurig schöne Zauber. Dann sind es nur Schalter und Lösungen und Gegnerklassen und Taktiken.

In Wirklichkeit gibt es hier aber uralte Tempel. Tap, schnell die Treppe runter. Tap, übers Hindernis drüber gesprungen.

Dunkle Höhlen voller Gefahren. Kritzel mit dem Stift, Vorwärtsrolle und weg.

Geheimgänge voller Rätsel. Tap, Bumerang in der Hand. Mit dem Stift, perfekte Flugbahn eingezeichnet. Tap, alle Leuchtkristalle erwischt. Weiter! Weiter!

Es gibt kleine Wesen, gegen die ich mich verteidigen kann. Schneller Strich, ein flotter Schwerthieb. Nimm dies!

Andere, die ich besser austrickse. Tap mit dem Bumerang, jetzt ist er groggy. Tap mit dem Schwert, hab Dich!

Oder solche, vor denen ich lieber weglaufe. Halten, schnell rennen. Tap, ab hinter die Ecke. Geschafft! Das Phantom sieht mich nicht!

Hauptsache ich finde Tetra wieder. Dann können wir feiern und über die Meere segeln. Dann wird alles gut.

Ich klappe den blauen Deckel zu. Das fantastische Abenteuer mit meinen digitalen Freunden verschwindet in der kleinen Box. Mein Blick schweift noch ein bisschen auf der Suche nach der verlorenen Wunderwelt. Dann trifft er auf die Augen meiner Tochter.

Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Wann ich das letzte Mal ein wirkliches, waschechtes Abenteuer erlebt habe.

Deine Agata

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