Rogue-fight! Rise of the First-Person Rogue-likes

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Mashups voraus! Rogue-like plus First-Person-Shooter ergibt eine Mischung, die der ganz alten Schule des FPS zu neuem Glanz verhilft. 

1986 hatte ich meine erste Begegnung mit Rogue auf dem Amiga, und auch wenn ich damals noch nicht wissen konnte, dass dieses damals schon klassische, seltsame kleine Spiel mit der trügerisch minimalistischen Grafik, aber zugleich schwindelerregend großen Spieltiefe irgendwann einmal Namensgeber für ein ganzes Subgenre werden würde, hat es mich doch von Anbeginn fasziniert. Und zwar nachhaltig: Die Mischung aus Zufallsgenerierung, einer breiten Palette an Gegenständen, Waffen und Gegnern sowie einer Unbarmherzigkeit, die durch den Begriff "Permadeath" (only in games!) nur unzulänglich beschrieben ist, ist nach wie vor Garant für Frustration und zugleich extrem hohen Wiederspielwert. Rogue-likes, also "Spiele wie Rogue", begleiten mich seit über 25 Jahren durch mein Spieleleben und die Oldies können immer noch mit den Neuen mithalten - das lässt sich von keinem anderen Genre behaupten.

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Und die "Neuen" sind breitest gefächert: Schon das olle Diablo hat so gesehen nur bei Rogue und seinen Dutzenden Nachahmern und Klonen gestohlen, doch in den letzten Jahren hat der Gattungsbegriff der Rogue-likes eine gewaltige Erweiterung erfahren: Spiele wie Spelunky, The Binding of Isaac, Teleglitch oder FTL haben ureigene Elemente der minimalistischen ASCII-Rollenspielurahnen abgewandelt in ganz neue Genres exportiert und so das unschöne Schlagwort vom "Rogue-like-like" geprägt. Damit ist meist die Übertragung der essentiellsten Rogue-like Elemente in andere Genres gemeint: eben Zufallsgenerierung, ein starker Fokus auf einer Vielzahl an Gegenständen, Levelups und Gegnern und die sprichwörtliche Härte, die dem ganzen Mix erst den nötigen Kick gibt. 

Eigentlich ist es bei der beispiellosen Renaissance des Rogue-likes fast unglaublich, dass bei all den Genrebastarden bislang kaum an das FPS, aktuell wohl erfolgreichstes Genre des Mediums gedacht wurde, doch das ändert sich gerade. Disclaimer: Es gibt mit Delver einen vielversprechenden Ansatz für ein Action-3D-Rogue-like und natürlich, das Pferd von hinten aufgezäumt, mit dem grandiosen DoomRL ein wachechtes ASCII-Rogue-like zum FPS-Urgestein Doom.

Was fehlt - aber nicht mehr lange: Roguelike-Shooter - die meisten davon sind noch in Alpha oder Beta, aber auf dem Weg auf unsere Bildschirme.

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Paranautical Activity (Beta, 7,49 €)

In Beta, auf Kickstarter und auf GreenlightParanautical Activity  versetzt uns zurück in die goldenen Zeiten der allerersten FPS, damals noch allgemein "Egoshooter" genannt und ästhetisch mit dem Cartoon-Satanismus von id-Software verknüpft. Zufallsgenerierte Arenen und ziemlich gemeine Gegner im gefälligen Voxel-Klötzchen-Look - bekannt von Cube World und Minecraft - ergeben gemeinsam mit einer beachtlichen Waffenauswahl und bizarren Bossmonstern einen hektisch-brachialen Adrenalinstoß, der auch Doom-Veteranen wieder dazu bringt, das Circle-Strafen neu zu trainieren.

Wie für die meisten anderen der hier vorgestellten Spiele gilt hier: Skill is king, Speed ist entscheidend und wer blinzelt, verliert. Natürlich keine regenerierende Gesundheit, nach wenigen Treffern ist Schluss und statt modernen Weicheiereien wie Deckung gibt es rasantes 3D-Ballett, das eher an Spielhallenklassiker wie Galaga oder Shmup-Bullet-Hell erinnert als an das, was die Jugend heutzutage für Shooter hält.

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Fancy Skulls (Alpha, ca. 5 Euro)

Fancy Skulls ist der Shooter, den Wassily Kandinsky gespielt hätte

Neulich schon entdeckt und vorgestellt, hier nochmals: Im unnachahmlich stylischen abstrakten Look gehalten, versteckt sich unter der trügerisch simplen Oberfläche des grandiosen Fancy Skulls ein wunderbar fordernder Shooter mit Wiederspielgarantie. Mit Minimap und sammelbaren Waffen recht nahe am Rogue-like-Konzept, überrascht das Spiel aus St. Petersburg mit grundsolidem und zugleich angenehm knackigen Shooter-Erlebnis.

Weniger ist mehr: Im offensichtlich streng an Isaac geschulter Effizienz ergeben sich aus wenigen, aber dafür sich stark voneinander unterscheidenden Gegnern, Waffen und Gegenständen immer wieder fordernde Runs mit Ablaufdatum: Auch hier regiert Old-School-Härte. Dank einzigartigem Style und spielerisch forderndem Minimalismus mein Favorit in dieser Aufstellung - das ist der SHooter, den Wassily Kandinsky gespielt hätte.

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Tower of Guns (beta, 7,50 €)

Wer sagt, dass im neuen Genre-Hybriden immer grafischer Minimalismus herrschen muss? Tower of Guns, auch auf Greenlight zu finden, zeigt mit dem Unreal Development Kit, dass auch Ein-Mann-Projekte nicht auf schicke Grafik verzichten müssen. Noch ist das Spiel erst "zu 42 %" fertig, aber man kann schon jetzt sagen, dass es ein würdiger Eintrag ins junge Genre der Rogue-like FPS werden wird: Grafisch zwischen Tiny & Big und Borderlands, bietet Tower of Guns schon jetzt beeindruckend abwechslungsreiche Umgebungen, in denen uns Horden von Robotern zu Leibe rücken.

Die Waffen fühlen sich besonders zu Beginn noch etwas mickrig an, doch Upgrades während des Spielens und freischaltbares Schussgerät sorgen für Abwechslung und den nötigen Sammeltrieb.  Der Single-Room-Designansatz, der bei den anderen genannten Titeln als bestimmendes Element der Roguelike-FPS bemerkbar ist, wird hier durch recht riesige Kammern mit zum Teil stark variierenden Architekturen etwas aufgelockert. Tower of Guns hat das Zeug dazu, der massentauglichste Eintrag ins junge Genre zu werden - noch fehlendes Detailtuning vor allem im Waffen-Feedback und bei manchen Platzhaltergrafiken vorausgesetzt.

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Receiver (ca. 4 €)

Zufallsgenerierung, Permadeath, Shootermechanik - und die wohl ausgeklügeltste mechanische Simulation von Faustfeuerwaffen im Spiel ever. Das seltsame 7DFPS-Spiel Receiver der Macher des schon ewig angekündigten Hasen-Massaker-Simulators Overgrowth lässt uns Magazine mit Patronen befüllen, Pistolenschlitten zurückziehen, Sicherheitshebel umlegen, Revolverzylinder von leeren Patronenhülsen befreien und Magazine auswerfen - alles per eigenem Tastendruck. Wer das anfangs in den Wahnsinn treibende Prozedere beim simplen Reload der Waffe aber endlich im Griff hat, kommt sich vor wie Chow-Yun Fat zu John Woos Glanzzeiten. 

Von den vorgestellten Spielen ist Receiver am wenigsten Rogue-like, aber trotzdem eine interessante Erfahrung für alle FPS-Spieler mit Sinn für bizarr-schwierige Herausforderungen.

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3089 (ca. 8 Euro)

Rogue trifft Minecraft trifft Doom: Selten wurden Sandbox-Ansatz, von Rogue-likes bekannte Elemente wie Zufallsgenerierung und Permadeath mit der Shootermechanik so größenwahnsinnig und zugleich beeindruckend in eins gedacht. Waren die direkten Vorgänger 3069  und 3079   noch blockige Angelegenheiten, umschmeichelt 3089 seine Spieler mit verbesserter Grafik und ständiger Weiterentwicklung.   

Im Unterschied zu den vorgenannten Titeln generiert 3089 nicht nur, wie die meisten der obengenannten Spiele, einzelne Kammern, sondern gleich eine ganze Welt, die dann in schönster Shooter-Sandboxmanier frei erforscht werden kann. Auch auf Greenlight zu finden , stellt 3089 die Zufallsgenerierung ins Zentrum des Konzepts: Zufällige Geografie, Waffen, Quests und Gegner sowie Coop-Multiplayer sollen hier mehr abliefern als nur FPS-Kost.

Neugierig geworden? Klar: An den Hochglanzappeal und die Dramaturgie klassischer First-Person-Spiele kommen die noch jungen Experimentatoren bei weitem nicht heran - und das wird sich mangels hundertköpfiger Entwicklerteams in den meisten Fällen auch so schnell nicht ändern. Was Spielspaß betrifft, könnten sich aber so einige Grafikmonster mit 0815-Schlauchleveldesign eine Scheibe von den kleinen Innovatoren abschneiden.

Dass bei derartigen Befruchtungen des Mainstreams durch den Untergrund dann auch die ganz großen kommerziellen Erfolge rauskommen können, hat übrigens - nur zur Erinnerung - das erfolgreichste Hochglanz-Rogue-like der Spielegeschichte bewiesen: Immerhin ist mit der Diablo-Reihe schon ein direkter Nachfahre des ASCII-Klassiker-Spielprinzips auf Millionen Festplatten und seit neuestem auch Konsolen zu Hause. Man sieht: Ein geniales Konzept geht niemals unter.

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien zuerst im GameStandard.

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