VGT goes GameStandard: Best of indie August 2013
Die monatliche Kooperation mit dem GameStandard zeigt wieder ein Best-of der schönsten Indie-Games-News.
Was für ein Monat! Selten war die Dichte an neuen, großartigen Indie-Spielen so hoch wie in diesem August. Von Sommerloch war nicht nur anlässlich der Gamescom nichts zu bemerken, auf der im Schatten der Großen auch für die Indie-Szene die Weichen in Richtung Next-Gen gestellt wurden. Ein Geburtsmakel zeigt sich allerdings mit der längst fälligen Indiefizierung der Konsolen im Vergleich zur offenen Ausgangsplattform PC aber leider auch hier: Dass mit dem Schlagwort "Plattformexklusivität" auch heiß erwartete Indie-Spiele wie "Everybody's Gone to the Rapture" der "Dear Esther"-Macher nun nur mehr dem PS4-Publikum zur Verfügung stehen werden, ist eine bittere Pille - vor allem für ein Studio, dessen Weg direkt aus der rein PC-typischen Modderszene führt.
Schade drum - aber wer weiß, ob "PS4-exklusiv" wie bei "Journey" tatsächlich so streng genommen wird oder eher wie im Fall des ehemals ebenso "exklusiven" "Fez" nur eine Verzögerung der Veröffentlichung für andere Plattformen bedeutet? Man darf hoffen, dass irgendwann die Zersplitterung der Spielewelt auf verschiedene Plattformen vorbei sein wird - für die Spieler wäre das eine tolle Nachricht.
Doch warum weiter über ungelegte Eier grübeln, wenn genau jetzt so viele tolle Indie-Titel die Sprünge über die Plattformgrenzen geschafft haben? Mit "Guacamelee!" etwa, bereits hier vorgestellt, kommt ein PSN-Schmankerl auf den PC, und auch das großartige "Spelunky" hat in seiner verhübschten Konsolenvariante den Weg nicht nur endlich auf die PS3 und die Vita, sondern auch zurück zum Mutterschiff PC gefunden, genauso wie das bizarr-bunte Beat 'em up "Skullgirls".
Andere großartige Titel haben ihre Betaphasen verlassen und erstrahlen fertig oder überarbeitet in neuem Glanz: Das hier bereits empfohlene "Papers, please" etwa ist endlich fertig, und mit "Teleglitch: Die more Edition" kommt eines der härtesten und zugleich faszinierendsten Rogue-like-likes des letzten Jahres auf Hochglanz poliert noch einmal zu Ehren.
Als wäre das nicht genug, erfreuten uns im August auch die folgenden brandneuen Indie-Perlen - und ironischerweise haben bei der diesmonatigen Auswahl Konsolenbesitzer das Nachsehen. Reiner Zufall - wie die Gamescom gezeigt hat, haben Indies ja auch im Wohnzimmer eine große Zukunft vor sich.
Shadowrun Returns (Windows, Mac, 18,99 Euro)
Wie jetzt: Fantasy? Cyberpunk? Noir? Die Pen-and-Paper-Rollenspielwelt von "Shadowrun" mixt gekonnt düstere Science-Fiction mit Zauberei und hard-boiled Detektiv-Ästhetik und versetzt zugleich Konsolennostalgiker ins Schwärmen: Auch das 1993 für das Super Nintendo erschienene Rollenspiel "Shadowrun" hat offensichtlich auch 20 Jahre später noch seine Fans - und die haben per Kickstarter mit "Shadowrun Returns" nun ihr klassisches RPG-Erlebnis in neuem Glanz zurückerobert. Liebevoll handgezeichnete Welt, dichte Atmosphäre und schön düstere Story und abgefahrene Charaktere erfreuen nicht nur Freunde klassischer Rollenspielkost. Rundenbasierte Kämpfe, atmosphärische Dialoge und die rollenspieltypische Möglichkeit, Probleme je nach gewählter Rolle unterschiedlich zu lösen: Auch wenn "Shadowrun Returns" nicht ganz an die Glorie vergangener Titanen wie "Planescape: Torment" oder "Baldur's Gate" herankommt - aber welches Spiel tut das schon? -, versprüht das Spiel ganz, ganz viel Originalcharme - kein Wunder, ist mit Jordan Weisman immerhin einer der Urväter des "Shadowrun"-Universums mit an Bord. Dank Editor ist zudem reichlich Nachschub zu erwarten - und in Kürze soll bereits ein offizielles weiteres Abenteuer erscheinen.
Gone Home (Windows, Mac, Linux, 18,99 Euro)
Wie schreibt man über ein Spiel, bei dem das eigene Entdecken zentraler Bestandteil ist? Keine Angst, es wird nicht gespoilert, nur so viel: Im "Story Exploration Game" des Studios, das mit dem DLC "Minerva's Den" für "Bioshock 2" erste Lorbeeren verdient hat, erforscht man im Jahr 1995 das verlassene Haus seiner anscheinend verschwundenen Familie - und in den etwa zwei, maximal drei Stunden, in denen man das bis in kleinste Details liebevoll gestaltete Anwesen durchstöbert, setzt sich das Bild seiner Bewohner und dessen, was hier geschehen ist, im Spieler zusammen. Obacht: Traditionelle Gamer mit strikten Vorstellungen von dem, was gefälligst ein Spiel zu leisten hat (Explosionen! Monster! Action!), werden mit "Gone Home" wenig Freude haben. Wer allerdings "Journey" und "Dear Esther" als bedeutende Meilensteine interaktiver Unterhaltung zu würdigen weiß, sollte sich auch "Gone Home" auf keinen Fall entgehen lassen: Hier wird tatsächlich das Medium Spiele auf berührende Art und Weise erweitert. Sehr schön, sehr emotional, sehr mutig - aber nicht für jedermann. Nachbesprechung hier.
Beat Buddy: Tale of the Guardians (Windows, Mac, Linux 13,99 Euro)
Vielfach vorab ausgezeichnet, endlich erschienen: In "Beat Buddy" steuern wir eine niedliche Meeresfigur durch eine unterseeische Wunderwelt - und die Hauptrolle spielt die Musik. Tatsächlich entfaltet sich in jeder der sechs Welten die Musik von Clubsound-Fixsternen wie Parov Stelar oder Sabretooth organisch mit den Spielelementen, denn die einzelnen Bestandteile der eingängigen Dance-Tracks - Bass, Drums, Snares, Synths - werden von uns rhythmisch perfekt durch zunehmend kniffligeres Bewältigen der Jump'n'Run-Aufgaben ausgelöst. In den besten Momenten verschmilzt in "Beat Buddy" so das Spiel mit den sympathischen Tracks, die sich quasi von selbst aus unserem Tun zusammenbauen - ein Erlebnis, das man so im Spiel noch nie erlebt hat. Wer Musikspielen etwas abgewinnen kann, schuldet sich den Besuch dieser Unterwasser-Revue, deren Reiz - das sollte schon erwähnt werden - aber eher im bezaubernden Zusammenspiel von Musik und Spiel als im tatsächlichen Puzzledesign liegt. Aber wie weiß der Freund elektronischer Musik: There's joy in repetition. Ein einzigartiges Erlebnis ist "Beat Buddy" auf jeden Fall.
Apropos einzigartige Erlebnisse: Mit "Shelter" liefert das schwedische Indie-Studio Might & Delight wohl eines der liebenswürdigsten und zugleich herzzereißendsten Stücke Software aller Zeiten ab. Als Dachsmutter ist man im Wald mit seinen fünf Dachsbabys auf der Suche nach Nahrung und Schutz - und die Natur, auch wenn sie so abstrakt-schlicht dargestellt ist wie im unnachahmlichen Stil dieses Spiels, ist grausam. Natürlich sind Raubtiere hinter unserem Nachwuchs her, natürlich herrscht sogar unter unserer Nachkommenschaft ein Kampf um die karge Nahrung und natürlich verlieren wir trotz aller Fürsorge unweigerlich eines oder mehrere der quiekenden Jungen - auch wenn "Shelter" aussieht wie ein idyllisches, pastellsanftes Origami-Gemälde, schlägt in diesem Dachssimulator das grausame Herz einer beinharten Survival-Simulation. Ein außergewöhnliches Spiel - und der Beweis, dass noch lange nicht alle Wege im Medium beschritten sind. Ein Pflichtkauf für alle, die das Besondere lieben.
Ittle dew (Windows, Mac, 9,99 Euro)
Genug vom Ernst des Lebens: In "Ittle Dew" wird Humor groß geschrieben. Von der ersten Sekunde an versprüht das abgefahrene Puzzle-Action-Adventure Charme und Witz, und nicht nur Freunde und Kenner der Gamesgeschichte werden ihre Freude am mal infantilen, mal hinterfotzig-hintersinnigen Spiel mit unser aller Erinnerungen an Klassiker der "Zelda"-Reihe haben. Erforschung, Schieberätsel und Logikpuzzles machen "Ittle Dew" zu mehr als einer überaus gelungenen Hommage an "Zelda", aber auch an "Metroid" und "Sokoban", und mit hervorragenden und zum Teil sehr anspruchsvollen Puzzles, zum Niederknien knuffigem Artdesign und erfrischend sarkastischem Humor wird "Ittle Dew" sogar zum kleinen Geheimtipp - kurz, aber gut.
Was in dieser Aufzählung fehlt? Der Platz ist beschränkt, und so vermissen aufmerksame Indiebeobachter sicher so einiges: das originelle "Influx" etwa, in dem man als Metallkugel meditativ-entspannende Puzzles löst; die Alphas des heiß erwarteten "Legend of Dungeon" und von "Sir, You Are Being Hunted", die man bereits jetzt probespielen kann; das für in Englisch Sattelfeste sehr empfehlenswerte "Blackbar" für iOS, das clever Zensur und Staatsgewalt thematisiert; "Divekick", das minimalistischste Beat'em up der Welt, oder das retro-fantastische "Electronic Super Joy", das hartgesottene Hardcore-Plattformerfreunde mit Technosound und Sadismus erfreut.
So viel Indie - so wenig Platz. Und auch der September wird eng. Bis dahin viel Spaß mit den eben vorgestellten Indie-Glanzlichtern, die bei vielen wohl im August der Sommerhitze zum Opfer gefallen sind - nachholen zahlt sich aus.