VGT goes GameStandard: Best of Indie August 2014

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Die monatliche Kooperation mit dem GameStandard zeigt wieder ein Best-of der schönsten Indie-Games-News.

Die Welt der Indies ist groß und inzwischen ziemlich global, wie unter anderem das “Best of” des letzten Monats mit Titeln aus Indien und Südamerika bewiesen hat. Doch auch als Lokalpatriot hat man Gelegenheit, unabhängige Spielemacher aus eigenen Landen zu unterstützen: Obwohl Österreich keine großen Entwicklerstudios mehr zu bieten hat, machen zunehmend rotweißrote Indies auch international von sich reden. Neben dem vor kurzem vorgestellten “Son of Nor”, das derzeit noch in Early Access ist, haben in den letzten Wochen zwei andere bemerkenswerte Indie-Spiele ihre beeindruckende Entstehungsgeschichte abgeschlossen.

Zunächst ist da “Schein” (Windows, 6,99 Euro): Der clevere Puzzle-Plattformer in der Tradition von “Braid”, “Closure” und “Giana Sisters” entstand aus einer Studentenarbeit und hat bereits einige Indie-Preise abgeräumt. Vor kurzem ist das Spiel der Wiener Zeppelin Studios endlich erschienen und stellt anspruchsvolle Spieler vor knifflige Aufgaben: Dank innovativer Lichtpuzzles hat man sich die Selbstbeschreibung “wahrscheinlich schwierigstes Jump’n’Run des Jahres” redlich verdient.

Vom düsteren Sumpf ins bunte Weltall entführt uns ein anderes, ebenso vor kurzem fertiggestelltes Indie-Herzensprojekt aus der Bundeshauptstadt: “Ace Ferrara and the Dino Menace” (iOS 2,69 Euro, Android, PC, Mac in Vorbereitung), soeben für iOS erschienen, ist das Werk des Entwicklers Philipp Seifried, der von der Programmierung über das Artwork bis hin zum Sound in zwei Jahren Entwicklungszeit hier wirklich alles selbst gemacht hat. Dass man dem stylischen Weltraum-Shooter in der Tradition von “Wing Commander” ebenso wie von “Captain Future” dieses Einzelkämpfertum nicht anmerkt, ist eine bewundernswerte Leistung. Liebhaber des schrägen Humors mit einem Herz für 80er-Jahre-Science-Fiction-Zeichentrick kommen ebenso auf ihre Kosten wie Freunde des intergalaktischen Dogfights.

Wie gesagt: Die Indieszene wächst global - und auch neben den Großen des Monats machen die “local heroes” gute Figur. Hier ist sie wieder, eine Auswahl der spannendsten Indie-Spiele des Monats.

 

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Mind: Path to Thalamus (Windows, 12,99 Euro)

Zum Sterben schön, abstrakt atmosphärisch, clevere Puzzles und zum Teil extrem beeindruckende surreale Szenen machen den First-Person-Exploration-Puzzler des spanischen Entwicklers Carlos Coronado zum absoluten Hingucker. Gefangen im Geist eines gequälten Komapatienten durchqueren Spieler atemberaubende Szenerien und lösen originelle, selten allzu herausfordernde Rätsel. Klingt makellos? Wäre es auch, wenn nicht ein mäßig talentierter Off-Erzähler so gut wie jeden Schritt des Spielers mit prätentiös-bedeutungsschwangerem Dummsabbeln zur Durchhalteprobe machen würde - was bei “Dear Esther” noch nachvollziehbar gut funktionierte, wird hier dank Oberstufenlyrik entwertet.

Doch Rettung naht für das ansonsten optisch und atmosphärisch absolut empfehlenswerte Ausnahmespiel: Zerknirscht und einsichtig hat der Entwickler bereits einen Patch angekündigt, der dem von vielen, vielen Spielern kritisierten allzu geschwätzigen Monologisieren ein Ende bereiten soll. Sobald also diesbezüglich nachgebessert wurde, ist “Mind: Path to Thalamus” unbedingt einen Besuch wert.Bis dahin: Ton abschalten und Lieblings-Chill-CD einlegen - ohne Story wird der Titel keineswegs schlechter.

 

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Eidolon (Windows, Mac 15,00 Euro)

Eine unfassbar fragile Schönheit ganz anderer Art begegnet Spielern im Gegenzug im schweigsam-poetischen “Eidolon”: Die simplen, aber vor allem im Tag/Nachtwechsel beeindruckenden Lo-Fi-Landschaften von “Eidolon” laden zum Outdoor-Survival ebenso ein wie zur melancholischen Spurensuche nach einer anfangs noch unscharfen Postapokalypse im Nordamerika des 25. Jahrhunderts. Von den Menschen sind nur fragmentarische Notizen und Ruinen geblieben, und so wird der Spaziergang durch die majestätische Low-Poly-Natur zur kontemplativen Wanderung auf den Spuren der verschwundenen Erdenbewohner. Trotz simpler Survival-Mechaniken - Feuerholz, Medizin und Nahrung müssen gesammelt werden - bietet “Eidolon” vor allem viel, viel Atmosphäre und Entdeckerfreuden und entfaltet seine vielen verschiedenen kleinen Geschichten durch die auffindbaren (und, wichtig, per “Keywords” in den Notizen in der Welt weiterverfolgbaren) Überreste ehemaliger Bewohner.

Seine Magie beweist es aber in seinen stillen Momenten: Wer etwa mitten im Wald von der einbrechenden Dunkelheit überrascht nach oben blickt, wird unweigerlich vom majestätischen Sternenhimmel beeindruckt sein. Die Schönheit von “Proteus”, die postapokalyptische Melancholie der stillen Momente von “The Last of Us”: ein First-Person-Walker für Feinschmecker, die auch virtuell gerne lange Nachtspaziergänge im Wald machen.

 

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Crypt of the Necrodancer (Windows, Mac, Linux Early Access 14,99 Euro)

Maximaler Kontrast: Wer sich in “Crypt of the Necrodancer” in von Discokugelblitzen erleuchtete Rogue-like-Kerker begibt, braucht Durchhaltevermögen, Strategie, Glück und - Rhythmusgefühl. Richtig gehört: Das im bereits äußerst spielbaren Early Access verfügbare “Rhythm-Rogue-like”, das bereits diverse Preise abgeräumt hat, verlangt seinen Spielern nicht nur präzises Kopfnicken ab. Im Takt der wummernden Beats - auch eigene Titel können eingebunden werden - bewegt man sich Schritt für Schritt, attackiert die genretypischen Monster, öffnet Türen, zaubert und sammelt alles ein, was nicht niet- und nagelfest ist.

Die originelle Mixtur, sympathisch-witzige Details, knackiger Schwierigkeitsgrad und vor allem das musikalische Element machen “Crypt of the Necrodancer” zum Feelgood-Dungeoncrawler der Stunde - und wer mag, kann seine Kerkertanzerfahrung durch ein Dance-Pad noch ins Komisch-Groteske erweitern. Ein großer Spaß, fordernd und originell.

 

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Hohokum (PS3, PS4, Vita, 12,99 Euro)

Lange haben sich die von Sony so hofierten Indies bitten lassen, nun geben sie langsam ihre Debüts auf den diversen PlayStations - auch auf der PS4. Mit “Hohokum” landet gleich ein besonderer Ausnahmetitel: So bunt, poppig und verwirrend war schon lange kein Spiel mehr - alleine wegen seiner genialen Optik, seines tollen Soundtracks und seiner Andersartigkeit sollte man dem Spiel des Künstlerkollektivs Honeyslug eine Platz auf seiner Konsole reservieren. Als kleiner Punkt mit langem Schweif rast man durch die zu Beginn schwarze, sich aber bald ins unermesslich Bunte und auch Bizarre erweiternde Sixties-Pop-Art-Welt von “Hohokum”. Was genau zu tun ist, ergibt sich im Experimentieren, doch mit allzu großer Verbissenheit sollte an die Aufgaben dieses bunten Bilderbogens nicht herangegangen werden - der Weg ist das Ziel, und alleine das Durchqueren der an Kinderbücher oder Psychedeliktapeten erinnernden Welten lässt immer wieder staunen.

Es ist letztlich ein audiovisueller LSD-Trip, der hier quietschfidel und störrisch seine eigene Andersartigkeit zelebriert. Das Äquivalent zum Coffee-Table-Book: ein optisch, musikalisch und durch seine Originalität umwerfendes, nunja, Dings. Auch das können Spiele 2014 sein.

 

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CounterSpy (PS3, PS4, Vita, 12,99 Euro)

PlayStation-Indies im Doppelpack, und mit “CounterSpy” können die weniger experimentierfreudigen Spielefreunde aufatmen: Der Agenten-Stealth-Thriller mit Pfiff und Humor kommt zwar auch im schicken Sixties-Design daher, ist aber spielerisch kein Experiment, sondern makellos solide. Als Agent einer überdrehten Version des Kalten Krieges schleicht, schießt und hüpft man sich durch immer wieder zufallsberechnete Missionen, knackt Safes, sammelt Power-ups, Blaupausen und Geheimpläne: “CounterSpy” klingt nach klassischer Actionkost, macht aber durch sein mehr als solides Gameplay, den Schwenk vom zweidimensionalen Sidescroller zum Deckungsshooter und nicht zuletzt liebevolle und witzige Details eigentlich alles richtig.

Besonders tiefgründige oder komplexe Herausforderungen darf man sich von dieser charmanten Stealth-Hommage nicht erwarten, doch wer schon immer als Ersatz-Bond durcch feindliche Basen schleichen wollte, wird mit diesem stylischen Thrillerchen mehr als fündig.

 

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Und sonst?

Auch “Road Not Taken” (Windows, Mac, PS4 14,99 Euro) ist ein weiteres Indie-Highlight, das es auf die PS4 geschafft hat. Die “Triple Town”-Macher Spryfox sorgen auch in ihrem neuesten Spiel für gepflegtes Puzzeln in wunderbarer Grafik, die an klassische Kinderbuchillustrationen erinnert, aber auch erwachsene Gehirne fordert, und auch das wunderschöne “Back to Bed” (iOS, Android, PC, 5,49 Euro) erfreut das Auge.

 

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Doch auch weniger Pixel können all jene Spieler begeistern, die noch keine Aversion gegen den mitunter etwas Überhand nehmenden 8-Bit-Retrostil entwickelt haben - die üblichen Verdächtigen in den Kommentaren heulen angesichts des “Pixelmatsches” an dieser Stelle verlässlich auf. Egal: Wer an “XCOM” immer die Missionen spannend, das globale Management aber mühsam fand, sollte sich das Science-Fiction-Horror-Spektakelchen “Halfway” (Windows, Mac, Linux, 12,99 Euro) ansehen.

Auch “The Escapists” (Windows Early Access, 8,99 Euro) verdient es, auch von Pixelskeptikern wahrgenommen zu werden: Die faszinierende Gefängnissimulation plus Adventure plus Crafting ist ein tatsächliches Unikat. “Crawl” (Windows, Mac, PC Early Access, 9,99 Euro) übrigens ebenso: Das Multiplayer-Rogue-like versetzt die Mitspieler in die Rolle der bösen Monster, die der Held zu überwinden hat - ein Spaß für jede Local-Multiplayer-Party.

So viele Indies, so wenig Zeit. Und schon naht der September. Wir bleiben dran.

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