Erste Hürde: Vom Geek zum Star in zu kurzer Zeit
Nochmal zwei Jahre später war John „TotalBiscuit“ Bain ohne Zweifel ein Superstar innerhalb der Games-Medien und teils auch darüber hinaus. Der Name war zur Marke geworden, der Mann für viele junge SpielerInnen zu einer Galionsfigur „ihres“ Hobbies. Die Unnachgiebigkeit und die Ernsthaftigkeit, mit der Bain auftrat, waren dabei für viele ein Indikator für Integrität. Was TotalBiscuit sagte, hatte Gewicht – nicht nur inhaltlich, sondern auch moralisch. Gleichzeitig drohte der Mensch hinter der Marke immer mehr selbst von diesem Gewicht erdrückt zu werden. Seine oft unbeholfene, aggressiv-untergriffige Art, mit negativer Kritik umzugehen und sich in Diskussionen zu Wort zu melden, ließ ihn einerseits nach außen dünnhäutig erscheinen, und nagte andererseits nach innen an seiner psychischen Stabilität. Bain manövrierte sich immer wieder in Kontroversen hinein, deren Mittelpunkt er vielleicht gar nicht immer werden wollte, wo es aber seine Mentalität gewissermaßen nicht anders zugelassen hat.
Erfolgreiche Youtuber – und viele ihrer Krisen und Skandälchen weisen immer wieder darauf hin, dass einen nichts und niemand auf die negativen Seiten des Internet-Startums vorbereiten kann. Gerade dann, wenn dieses Startum - wie es oft der Fall ist – so schnell kommt, dass für eine entsprechende mentale Vorbereitung kaum Zeit bleibt.
Zweite Hürde: Die klassischen Medien als Feindbild
Soviel man auch erlebt und sich weiterentwickelt: Man bleibt in den meisten Aspekten letztlich immer die Person, die man war und ist. So war es auch schwierig bis unmöglich, die Persönlichkeit TotalBiscuit mit Hilfe eines professionellen Management-Teams zu zähmen – noch dazu, wo der Erfolg von Personalities ja seit jeher durch ihre Authentizität gewährleistet wird. Die Katze war aber ohnehin aus dem Sack und der oft bemühte Spruch, dass man jemanden nur hassen oder lieben könnte, war John Bain bereits längst zuteil geworden. Doch der Höhepunkt der Ambivalenz stand noch bevor: die berüchtigte Gamergame-Krise aus den Jahren 2014 und 2015, in der sich Bain nun ideologisch und diplomatisch komplett verzettelte. Wo aufgrund des großen Einflusses, den der Name TotalBiscuit mittlerweile längst mit sich brachte, Verantwortung und behutsam gesetzte Wortmeldungen angebracht gewesen wären, hat der Mann stattdessen schonungslos Schaum geschlagen.
Vermutlich gut gemeinte Vermittlungsversuche zwischen zwei komplett konträren Gruppen (wobei die Fraktion Gamergate ja keinerlei Konsens suchte, im Gegenteil), waren nicht nur fruchtlos, sondern letztlich vor allem für Bain fatal. Meinungen und teils auch persönliche Angriffe, wie üblich wortgewaltig vorgetragen, waren dabei dann der Sargnagel und haben dafür gesorgt, dass sich TotalBiscuit als Name, Marke und Person für viele SpielerInnen, MedienvertreterInnen und BeobachterInnen fortan komplett ins Out manövriert hat.
Dabei ging es ihm doch nur um Ethik im Gamesjournalismus, würde die süffisante Punchline an dieser Stelle nun heißen. Tatsächlich stand John Bain aufgrund seiner Videospielleidenschaft den „klassischen“ Medien immer skeptisch gegenüber. Bereits in einem Vortrag über den Erfolg von „World of Warcraft“ aus dem Jahr 2006 zeigt er seine stark defensive und hochgradig frustrierte Haltung gegenüber der „Mainstream-Presse“.
Damals war diese Kritik auch grundsätzlich gerechtfertigt: Die Kompetenz für Videospielkultur war unter JournalistInnen der Publikumsmedien noch schwach ausgeprägt, was für viele fragwürdige Analysen und Skandalmeldungen gesorgt hat. Doch jede Journalistin und jeder Journalist mit viel Games-Erfahrung weiß, dass auf diese berechtigte Kritik die eigene Emanzipation folgen muss. Denn selbstverständlich ist kein Medium ohne Grundsatzkritik, ohne Probleme, ohne größere Baustellen. Heute ist klar: Es gibt auch abseits der Parameter von Produktbesprechungen jede Menge fragwürdige Inhalte und miese (psychologische) Tricks, die SpielerInnen möglichst lange bei der Stange halten wollen. TotalBiscuit hat sich jedoch, so scheint es, schwer getan, seine prinzipielle Skepsis an den etablierten Medien – selbst gegenüber der Spielefachpresse – komplett abzulegen und den persönlichen Frust in kritische Selbstreflexion umzuwandeln.