Best of Indie Mai 2015
Invisible Inc (Windows, Mac, Linux; PS4 in Vorbereitung 19,99 Euro)
Das kanadische Studio Klei Software garantiert für Qualität: Sowohl “Mark of the Ninja” als auch “Don’t Starve” waren zu Recht Publikumslieblinge. Mit “Invisible Inc” kehrt Klei zum Stealth-Gameplay zurück, diesmal allerdings rundenbasiert. In einer dystopischen Cyberpunk-Zukunft sind Spielerinnen und Spieler für das Überleben einer geheimen Spionage-Organisation zuständig, die auf der Flucht vor bösen multinationalen Konzernen um die Welt jettet. Wie in “XCOM” bewegen sich zunächst zwei, später mehrere Agenten möglichst unbemerkt durch prozedural generierte Hochsicherheitsanlagen, schalten Wachen aus, hacken Computersysteme und machen sich mit hoffentlich fetter Beute aus dem Staub.
Simple Regeln, knifflige taktische Entscheidungen und ein ziemlich anspruchsvoller Schwierigkeitsgrad machen den Agententhriller zur nervenzerfetzenden Herausforderung - dank Roguelike-Anleihen ist auch Wiederspielbarkeit garantiert. Mein Review für fm4 ist übrigens hier.
Toren (Windows, PS4, 9,99 Euro)
Indie-Spiele aus Südamerika sind etwas sehr Spezielles: Sowohl die bizarren Welten des chilenischen Studios ACE Team als auch das berührende “Papo & Yo” des kolumbianischen Entwicklers Vander Caballero unterscheiden sich durch Erzählweise und Gestaltung deutlich von anderen Spielen. Auch “Toren”, das Debüt des brasilianischen Entwicklers Swordtales, passt in diese Reihe: In wunderschönen Bildern erzählt das Puzzle-Action-Adventure eine poetische, mystische Geschichte. In der Gestalt eines Mädchens erklimmen Spielerinnen und Spieler einen riesenhaften Turm, an dessen Spitze der Kampf gegen einen Drachen wartet.
Wer das eher konventionelle Gameplay bemängelt, verpasst die Hauptattraktion: Mit traumgleicher Atmosphäre, poetischer Sprache und symbolhaften Szenen ist “Toren” erinnert das Abenteuer an erzählerische Experimente wie “Journey”, “Ico” und “Brothers: A Tale of Two Sons”. Nach über zwei Stunden ist der Turm erklommen - die Bilder bleiben aber länger im Kopf.
Not a Hero (Windows; PS4 & Vita in Vorbereitung, 12,99 Euro)
But now for something completely different: “Not a Hero” hält sich mit Kleinigkeiten wie Story oder Metaphorik nur solange auf, wie es dauert, darüber einen Furzwitz zu machen. Im rasanten 2D-Sidescroller laufen, rutschen und ballern sich Spielerinnen und Spieler durch ein aberwitziges Pixelmassaker mit genau jenem Brachialspaß, der seit jeher das unverschämte Geschwisterchen der feinen Klinge des britischen Humors war.
Überdreht, schnell, fordernd und - wie sein im Vergleich dazu fast albern ernsthafter Verwandter “Hotline Miami” - am besten im hochkonzentrierten, hypnotischen Flow spielbar, ist “Not a Hero” ein knallbunter, herrlich gemeiner Bastard aus “Broforce” und dem hochpräzisen Skateboard-Masochismus von “OlliOlli”. Kein Wunder, Letzteres stammt vom selben Entwickler. Ein Cover-Shooter auf ganz bunten, ganz schnellen Pillen.
Monstrum (Windows, 14, 99 Euro)
Zeit, sich zu fürchten: Allein auf einem verlassenen Hochseeschiff - schön wär’s! Das titelgebende Ungetüm sorgt in diesem prozedural generierten First-Person-Schocker dafür, dass sich Spielerinnen und Spieler ganz schön oft erschrecken müssen. Wieder versucht sich ein Indie-Team an der vielversprechenden Idee, ein Horrorspiel der “Slender”-Tradition mit Zufallsgenerierung zu verknüpfen, und siehe da, inzwischen klappt es mit dem prozeduralen Schrecken meist ganz gut: Verlassen im immer neu zusammengewürfelten Schiff, ist man auf der Flucht vor einem von drei recht verschiedenen Ungeheuern.
Nur hin und wieder sorgt der Zufallsgenerator leider auch für Gemeinheiten, etwa wenn die Entdeckungstour bereits nach wenigen Minuten durch den eigenen Tod abgekürzt wird. Trotzdem: Freunde von “Outlast”, “Amnesia” und “Slender” finden hier ausreichend atmosphärisches Horrorfutter - und für Let’s Player bzw. deren Publikum ist “Monstrum” sowieso Pflicht.
Sunset (Windows, Mac, Linux, 19,99 Euro)
Das belgische Entwicklerduo Tale of Tales hat einen Ehrenplatz im Indie-Olymp: Von “The Graveyard” über “The Path” bis hin zu “Luxuria Superbia” sorgen Auriea Harvey und Michaël Samyn seit über 16 Jahren für spannende Experimente zwischen Kunst und Spiel. Auch “Sunset” ist ein außergewöhnliches Stück Erzählung geworden: Als Putzfrau (!) eines Regierungsbediensteten sind Spielerinnen und Spieler in dessen Apartment in der Hauptstadt eines fiktiven südamerikanischen Landes Anfang der Siebzigerjahre Zeugin von Revolutionen, aber auch intimer Offenbarungen.
Der einzige Schauplatz, das stylische Apartment, das die Protagonistin immer zu Sonnenuntergang für ihre Arbeit betritt, bietet nicht nur einen Ausblick auf eine Welt im Umbruch, sondern bringt Spielerinnen und Spieler in seinen Details und in der Entscheidung, wie die simplen häuslichen Aufgaben erledigt werden, näher an den unsichtbaren Arbeitgeber heran. Ein faszinierendes Drama mit persönlichen, aber auch politischen Themen - und ein Pflichttitel für Freunde des besonderen Spiels.
Und sonst?
Retro-Freunde, hier kommt eure monatliche Überdosis Nostalgie:Axiom Verge (Windows, PS4 17,99 Euro) ist die beste Hommage an Super Metroid, die ihr je spielen werdet. Das vom Einzelentwickler Thomas Happ in fünf Jahren fertiggestellte Wunderwerk lässt den Klassiker von 1994 auf unnachahmlich eigenständige Art und Weise wiederaufleben - Freunde moderner Gamesdesignphilosophien seien deshalb auch gleich vorgewarnt: Damals herrschten noch andere Sitten. You have been warned.
Was auf den ersten Blick noch älter aussieht, ist eigentlich aber die Cutting Edge des seit Jahrzehnten hingebungsvoll weiterentwickelten Roguelike-Genres, das bekanntlich aus dem fernen Jahr 1980 machtvoll bis in die Gegenwart ausstrahlt: Cogmind (Early Access, Windows, aktuell 30 Dollar) verknüpft die altehrwürdige ASCII-Tradition mit frischem Science-Fiction-Thema und so vielen neuen Ideen, dass auch der hohe Early-Access-Preis gerechtfertigt ist. Der finale Preis wird übrigens bei Release Anfang 2016 gesenkt - wer ein echter Roguelike-Fanatiker ist, vergönnt dem Einzelentwickler die zehn Dollar für den Entwicklungsendspurt aber gerne - auch das ein schöner Beleg für das freundschaftliche Verhältnis in dieser kleinen, eingeschworenen Community, für die Spielspaß so wichtig ist, dass man traditionell sogar (fast) auf Grafik verzichtet.
Ein Nachzügler zum Schluss: Magnetic: Cage Closed (Windows, 14,99 Euro; Xbox One in Vorbereitung) schafft es mühelos, all den “Portal”-Freunden neue First-Person-Puzzler-Kost zu bieten, ohne zur schnöden Epigone zu verkommen. Knackige Rätsel mit Magnetismus und eine düstere, aber dennoch mit schwarzem Humor glänzende Story machen das Spiel des schwedischen Entwicklers Guru Games zur soliden Genre-Weiterentwicklung.
Drei Jahre “Best of Indie” sind geschafft - angestoßen sei auf viele weitere tolle Spiele unabhängiger Entwickler. Prosit!