Modtag! Frontiers
Während ich diese Zeilen schreibe, beherrscht das Thema „Flüchtlinge“ die Nachrichten. Bilder davon, wie Ungarn einen stacheldrahtbewehrten Zaun errichten lässt, sorgen für Empörung. Wie einige Kommentatoren allerdings richtig bemerkten und woran ich dabei auch gleich denken musste, ist die Tatsache, dass die „Festung Europa“ sich schon seit Jahren durch schwer bewachte Grenzanlagen in Spanien vor Flüchtlingen aus Afrika abschottet. „You have reached Fortress Europe“ ist entsprechend der Untertitel von Frontiers, einer Modifikation des Egoshooters Half-Life 2, die seit einem bereits 2006 entwickelten ersten Prototyp den Versuch unternahm, auf diese Problematik aufmerksam zu machen (und bereits in meiner WASD5-Kolumne über österreichische Mods kurz besprochen wurde).
Spieler übernehmen hier entweder die Rolle von Flüchtlingen oder von Grenzschützern, wobei Letztere wie in der Realität über größere Vorteile in Form von Fahrzeugen und Waffen verfügen. Sollten Flüchtlinge durch diese zu Tode kommen, färbt sich eine weiße Taube in der linken oberen Ecke des Bildschirms nach und nach blutrot, als Zeichen für die Verletzung der Menschenrechte, die auch in einem Punktabzug für die europäische Seite resultiert. Erfolgreiche Festnahmen werden dagegen belohnt, auch wenn sie die Flüchtlinge nicht nur im Kontext des Spiels nur wieder auf ‚Start‘ zurückschicken. Auf der anderen Seite können Flüchtlinge unter anderem Grenzbeamte bestechen, doch wird endlich der nächste Level geladen und die Migranten kommen ihrem Ziel Europa näher, stehen sie schließlich nur wieder vor dem nächsten Zaun, den sie überwinden müssen.
Passend zum gerade erst gefeierten Tag der Deutschen Einheit zeichnete übrigens einer der Mit-Entwickler 2010 auch für eine thematisch ähnliche Half-Life 2-Modifikation verantwortlich: In 1378 km (Länge der ehemaligen innerdeutschen Grenze) stehen sich 1976 Republikflüchtlinge und Grenzsoldaten gegenüber. Werden Erstere beim Versuch, aus der DDR in den Westen zu gelangen, getötet, führt dies in historischer Konsequenz erst zur Verleihung eines Ordens, nach der Wende aber auch zu einem Mauerschützenprozess. Die Bild-Zeitung nannte das Projekt damals „widerwärtig“ und warf ihm vor, menschliches Leiden zu trivialisieren. Während ich früher eine solche Haltung einfach als ignorant gegenüber dem Potenzial einer spielerischen Vermittlung ernster Inhalte abgetan hätte, bin ich inzwischen vorsichtiger geworden - nicht nur angesichts gutgemeinter, aber trotzdem verunglückter Umsetzungen wie dem heftig kritisierten „Slave Tetris“-Minigame im Lernspiel Playing History - The Slave Trade, sondern auch durch meine Suche nach Let’s Plays für Frontiers. Diese zeigte mir, dass selbst wenn man es schaffen sollte, Gameplay und Kontext in Einklang zu bringen, auch das WIE des Spielens entscheidet, ob eine Botschaft ankommt …
Genug geschrieben, Let’s Play: