Games'n'Politics: Quo vadis, Games-Journalismus?

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Michael Schulze von Glaßers Videoreihe "Games'n'Politics" wirft einen pointierten Blick auf die Schnittstellen zwischen Spielen, Gesellschaft und Politik. Auf VGT ergänzt Michael seine Videoserie um erweiternde Texte - diesmal zu einem Thema, das auf VGT schön des Öfteren im Zentrum gestanden ist.

Die Auflagen der großen Videospiel-Magazine befinden sich im freien Fall: die „GameStar“ büßte von 2002 bis 2013 knapp 80 Prozent ihrer Auflage ein (2002: 365.000; 2013: 73.000), die „Computer Bild Spiele“ verlor 86 Prozent (2002: 736.000; 2013: 104.000) und die „PC Games“ sogar von ihrer Hochzeit 1999 (364.000) bis 2013 (49.000) knapp 87 Prozent ihrer Auflage. Natürlich hat sich im letzten Jahrzehnt das Nutzerverhalten geändert und die Websites der großen Magazine spielten eine immer wichtigere Rolle. Doch auch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der große deutschsprachige Videospiel-Journalismus im Stillstand befindet.

Bereits 2011 forderte der ehemalige „GameStar“-Chefredakteur Christian Schmidt in einem viel beachteten „Spiegel-Online“-Gastbeitrag „Mehr Geist bitte, liebe Games-Tester“. Schmidt fordert darin, die Funktionsbeschreibung der Spiele in journalistischen Texten herunterzuschrauben und sie stattdessen ökonomisch, politisch, ethisch, künstlerisch und gesellschaftlich einzuordnen. Der Videospiel-Journalismus solle neue Themen aufspüren, Geschehnisse hinterfragen, recherchieren, eigene Gedanken entwickeln und sich als Kontrollinstanz für die Videospiel-Branche verstehen, nicht als Erfüllungsgehilfe der Industrie. Damit verlangt Schmidt, den bereist 2004 vom britischen Autor Kieron Gillen entworfenen „New Games Journalism“ auch endlich im deutschsprachigen Raum anzuwenden.

Seitdem hat sich einiges getan: große Medien wie „Zeit-Online“ und „Spiegel-Online“ veröffentlichen zunehmend längere und hintergründige Texte über Videospiele. 2012 wurde das Gameskultur-Bookzine WASD gegründet, um die Lücke im Print-Bereich zu füllen. Zudem bekommen Websites wie „Superlevel“ und eben auch videogametourism.at, die Spiele feuilletonistischer behandeln, immer mehr Zulauf. Podcasts wie „InsertMoin“ und der von Christian Schmidt gemeinsam mit Gunnar Lott gemeinsam produzierte „StayForever“-Cast erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Im Bewegt-Bild-Bereich sind es Fernseh-Formate wie „Reload“ und „GameOne“ sowie auf YouTube „Giga Games“ und auch „Games and Politics“, die in Richtung eines neuen Games-Journalismus gehen. Nur die großen Videospiel-Magazine tun sich schwer.

Die „Beharrungskräfte“ der großen Medien wiegen schwer, meint Christian Schmidt. Eine der größten Fragen ist dabei die nach Zahlen-Wertungen von Spielen. Während die neuen Videospiel-Medien alle keine Zahlen-Wertungen vergeben, da sie Spiele als tiefsinniges und vielfältiges Kulturgut begreifen, findet sich am Ende eines jeden Spiele-Tests eines großen Videospiel-Medium noch immer eine Zahl, die den „Spielspaß“ ausdrücken soll. Dabei stoßen diese Wertungen des reinen Produkt-Journalismus gerade bei literarischen Spielen, deren Zahl zunimmt, auf Grenzen: so vergab die „GameStar“ beispielsweise für die beiden viel gelobten Spiele „Dear Esther“ (2012) noch für „Gone Home“ (2013) keine Wertung, da dies auch schlicht nicht möglich ist. Die „GameStar“ – immerhin das bedeutendste deutschsprachige Videospiel-Medium – kündigte mittlerweile an ihr Zahlen-Wertungs-System überarbeiten zu wollen: immer wieder wurden die Wertungen den vielfältigen Spielen in den vergangenen Jahren nicht gerecht. Daneben scheint das große Magazin unter ihrem neuen Chefredakteur Jochen Gebauer aber auch langsam den Weg des „New Games Journalism“ einschlagen zu wollen.

 

In der August-Ausgabe des Magazins finden sich erstmals mehrere sehr lange und hintergründige Texte über Spiele, Hardware und die Games-Branche. Doch genauso wie es für die neuen Projekte noch ein langer und harter Weg sein wird sich zu etablieren, wird es auch für die „GameStar“ nicht einfach werden sich umzustrukturieren – gerade weil die Einschätzung der Leserinnen und Leser schwer fällt. So berichtet Boris Schneider-Johne, der ehemalige Gründer des Magazins „PC Player“, das sich in den 1990er-Jahren schnell zum Marktführer und den Videospiel-Zeitschriften entwickelte, dass sie bereits 1996 einmal versucht haben auf Zahlen-Wertungen zu verzichten: die Leserinnen und Leser protestierten. Es war wohl nicht der richtige Zeitpunkt dafür – ist er es jetzt?
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