Frohe Ostereiersuche!
Wer im Action-Rollenspiel "The Witcher 2" aufmerksam ist, findet Bemerkenswertes: In einer abgelegenen Ecke, am Fuße einer besonders hohen Befestigungsmauer, liegen die Trümmer eines Heuwagens und mittendrin - eine bekannte Gestalt. "Manche lernen's nie", brummt die Hauptfigur, und der Spielekenner schmunzelt, denn der leblose Körper, der da inmitten der Trümmer aus Holz und Heu liegt, ist eindeutig ein alter Bekannter aus einem ganz anderen Spiel. In der "Assassin's Creed"-Reihe stürzen sich Spieler als kletterfreudige Meuchelmörder routiniert von den höchsten Zinnen, um unbeschadet in genau solchen Heuhaufen zu landen - in der Welt von "The Witcher" hat's nicht funktioniert.
Der makaber-witzige Fund ist ein sogenanntes "Easter Egg", ein kleines Augenzwinkern der Entwickler an besonders aufmerksame Fans. In vielen Spielen verstecken die Spieleschöpfer an mehr oder weniger schwer zugänglichen Stellen solche "Ostereier": Kleine Gags, Grafiken, Sounds, Insider-Witze oder Botschaften, die die meisten Spieler im normalen Spielverlauf nie zu sehen bekommen. Nur wer mit offenen Augen nach ihnen sucht, findet das, was die Entwickler sorgsam versteckt haben.
Historische Ostereier
Easter Eggs" sind fast so alt wie das Medium Computerspiele selbst: Weil in der Frühzeit der Industrie die Spieleprogrammierer selbst meist von den Publishern nicht namentlich genannt wurden, fanden einige von ihnen auf dem Umweg des geheimen "Easter Eggs" doch noch Möglichkeiten, ihre Namen stolz in ihren Werken zu präsentieren. Obwohl lange Zeit angenommen wurde, dass sich im Atari-Spiel "Adventure" im Jahr 1979 dessen Programmierer Warren Robinett als Allererster in einem geheimen Raum im Spiel so verewigt hatte, ist ihm ein anderer zuvorgekommen: Schon 1978 schmuggelte der Programmierer Bradley Reid-Selth seinen Nachnamen in sein Spiel "Video Whizball" und gilt somit als erster virtueller Osterhase.
Was zu Beginn rebellisches Aufbegehren gegen eine Branche war, die ihre Kreativen nicht ausreichend würdigte, entwickelte sich mit dem Aufstieg des Mediums zum liebevollen Dialog zwischen Entwicklern und Spielern. Die oft außerordentlich gut versteckten Insiderscherze zu finden, gehört ehrenhalber zum Pflichtprogramm aller wahren Fans - und seit es Youtube gibt, lassen sich viele dieser Funde auch stolz dokumentieren.
Wer suchet, der findet
Von kleinen Nachrichten bis zu wirklich aufwendigen Spielelementen sind die Ostereier-Varianten endlos - und manchmal wird es sogar gruselig. In "Doom 2" etwa finden eifrige Sucher nur per Cheat auf einem Pfahl aufgespießt den abgetrennten Kopf des Entwicklers John Romero. In "Halo 3" wiederum versteckten die Entwickler an mehreren Stellen eine ziemlich unheimliche Familie vonaffenähnlichen Höhlenmenschen. Im Horrorklassiker "Silent Hill 2" hingegen stellt sich in einem augenzwinkernden alternativen Ende für besonders Hartnäckige der niedliche Hund Mira als fieser Bösewicht heraus - eine angenehm alberne Überraschung im ansonsten düster-tragischen Schocker.
Der versteckte Dialog mit den Fans kann manchmal auch recht aufwendig werden: Eines der berühmtesten "Easter Eggs" der Spielegeschichte wurde ursprünglich als Reaktion auf ein Gerücht versteckt: Bei "Diablo" hatte sich hartnäckig die Legende gehalten, dass das Klicken auf alle Kühe in der Oberwelt irgendein Geheimnis lüften würde. Was in Teil 1 nur Seemannsgarn blieb, wurde in "Diablo 2" abgewandelt in die Tat umgesetzt, und zwar in Form des legendären "Cow-Levels", in dem die Spieler gegen Unmengen bösartiger Kühe auf zwei Beinen kämpfen.
Spiele im Spiel
Manchmal überraschen Designer die Spieler aber auch gleich mit noch mehr: In beiden Teilen der "Call of Duty: Black Ops"-Reihe verstecken sich einige wahre Games-Legenden in der Spielewelt, unter anderem das vollständige Text-Adventure "Zork" und eine ganze Reihe von Atari-Klassikern. Auch in "Day of the Tentacle" kann man tatsächlich im Spiel den Vorgänger, das noch klassischere "Maniac Mansion", zur Gänze spielen. Die bizarrsten "Easter Eggs" dieser besonderen Spielart finden sich allerdings nicht in einem Spiel, sondern interessanterweise an einem gänzlich unerwarteten Ort: Die 1997er-Version von "Microsoft Office" verbarg im schlichten Excel einen ganzen Flugsimulator (!), während sich in der Textverarbeitung Word ein kompletter Flipper versteckte.
Faule Eier
Die Späße der Entwickler mit versteckten Inhalten können aber auch für Ärger sorgen - oder für die Firmen richtig teuer werden. Dass ein frustrierter Maxis-Entwickler im eigentlich recht biederen "SimCity"-Spinoff "SimCopter" 1996 Horden nur mit Tangas bekleideter Männer mit fluoreszierenden Brustwarzen auftauchen ließ, kostete ihn den Arbeitsplatz. Im berühmt-berüchtigten Fall des "Hot Coffee"-Mods wurde gleich ein Politikum daraus. Das in "GTA: San Andreas" im Code versteckte, aber nur per kleinem Zusatzprogramm zugängliche Sex-Minigame sorgte in den prüden USA 2005 für einen handfesten Skandal und kostete den Publisher Strafzahlungen in Millionenhöhe.
Wer meint, dass es in Computerspielen unter der glitzernden Oberfläche nichts zu entdecken gibt, irrt sich also - und in den meisten Fällen zumindest sind es kleine Liebesbriefe der Entwickler an ihre treuesten Fans. In diesem Sinne: Frohe Ostereiersuche - nicht nur im Grünen sondern auch in Ihren Spielewelten.
Dieser Artikel erschien zuerst für den Standard.