GTA V: Vom Open-World-Paradigma zum Open-World-Fetisch?

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923BTW: Warum gibt's eigentlich keine weibliche Hauptfigur, Rockstar? Nicht mal eine von drei?

Die Gamesbranche ist eine Hype-Maschine: Der Jahrmarkt E3 mit seinen Teaservideos und großen Versprechungen ist kaum vorbei, und schon bringt ein weiterer Blick in die Zukunft das Blut der Gamergemeinde in Wallung. "Grand Theft Auto 5" (GTA 5) ist einer der am sehnsüchtigsten erwarteten Titel des Jahres, und das erste offizielle Gameplay-Video bietet genug Stoff für Analyse, Vorfreude und den üblichen Vorab-Hype.

Die Reihe ist eine Legende: Spätestens mit "GTA 4" hat sich Rockstars satirisches Gangster-Epos als genredefinierender Blockbuster erwiesen und bei Erscheinen vor über fünf Jahren dank seiner Größe und Qualitäten als eines der ersten Computerspiele auch die Aufmerksamkeit spielferner Medien auf sich gezogen - ein Kunststück, das seitdem nur den wenigsten Titeln gelungen ist.

Der Nachfolger soll in zwei Monaten für aktuelle und wenig später vermutlich auch für die angekündigte Konsolengeneration erscheinen, und diese Orientierung am technischen Stand der schon gründlich ergrauten längstdienenden Gerätegeneration ist auch im Video sichtbar, das auf einer PS3-Version beruht: Grafikpreise wird Rockstar mit seinem Titel in dieser Form keine gewinnen - aber endlich einmal sind sich (fast) alle einig, dass Grafik nur einen geringen Teil der Faszination ausmacht.

Denn was die "GTA"-Reihe seit ihren zweidimensionalen Anfangstagen immer speziell gemacht hat, ist die offene, lebende Spielewelt, in der sich die Spieler mit oder ohne Auftrag frei und ungebunden herumtreiben können. "Liberty City", "Vice City" und "San Andreas" waren nicht nur Computerspiel-Städte, sondern liebevoll gestaltete, atmende Orte mit Charakter. Und der aktuelle Trailer zeigt, dass Rockstar auch Los Santos und Umgebung zu einem virtuellen Ort machen werden, an dem sich die Spieler nicht nur stunden-, sondern sogar wochen- und monatelang aufhalten wollen.

924... ich mein, im Artwork kommen Frauen durchaus vor. Okay, in Handschellen ...

Das Open-World-Konzept sowie Elemente des Sandbox-Genres sind fixe Bestandteile der jüngeren "GTA"-Geschichte, doch diesmal will Rockstar noch weiter gehen. Mit den drei Hauptcharakteren, zwischen denen laut Trailer jederzeit hin und her gewechselt werden kann, soll eine etwas innovativere Erzählmechanik die Story beleben, aber GTA-Freunde wissen: Die Story ist nicht einmal der halbe Spaß. Denn wieder hat Rockstar besonderes Augenmerk auf die Beschäftigungsmöglichkeiten abseits dieser Kampagne gelegt: Tennis, Rad fahren und Golf spielen, Aktien und Immobilien kaufen und damit spekulieren, Autorennen sowieso, Minimissionen, Jagd auf Tiere und Verbrecher, unzählige Personalisierungsmöglichkeiten - "GTA 5" wird wohl so viel Beschäftigungsangebote haben wie kaum ein Open-World-Spiel zuvor.

GTA V soll weniger "nur" ein Spiel als vielmehr selbst eine Plattform sein, innerhalb derer unterschiedlichste Spielerlebnisse bereitstehen

Es ist letztlich die Vision von dem einen Spiel, das alles leisten kann: Die Vision einer offenen Umgebung, in der man sich zum Zeitvertreib absichtslos bewegen, in der aber auch vom Action-Titel nach Art eines "Kane & Lynch" oder "Max Payne" über Renn- und Sportspiele bis hin zur Wirtschaftssimulation light fast jedes denkbare Spielerlebnis möglich ist. So gesehen soll "GTA V5" weniger ein Spiel als vielmehr selbst eine Plattform sein, innerhalb derer unterschiedlichste Spielerlebnisse bereitstehen - auch der Verweis auf den Multiplayermodus zeigt, dass Rockstar gewillt ist, hier kaum eine Spielerpräferenz unbedient zu lassen.

Wenn all diese Versprechungen also aufgehen - und Rockstar kann das durchaus zugetraut werden -, könnte "GTA 5" als ultimatives Allroundtalent zur sprichwörtlichen eierlegenden Wollmilchsau werden - ein Spiel, das allen etwas bietet oder, um plakativer zu werden, "the only game you'll ever need". Oder?

925... und im Bikini. Naja. Aber das ist nur das Artwork, oder? Im Spiel sieht das dann sicher anders aus, oder?

Open World" ist 2013 so etwas wie ein Fetisch geworden, und dass das Schlagwort inzwischen in kaum einer PR-Meldung fehlen darf, ist auch dem Erfolg der "GTA"-Reihe geschuldet. Die nichtlineare Offenheit von Spielen wie "Assassin's Creed", "Saints Row" und "Far Cry", die von Klassikern wie "Elite" über "Zelda" bis hin zu modernen Rollenspielwelten wie "Fallout 3" und "The Elder Scrolls" in inzwischen beinahe alle anderen Genres migriert ist, wird gerne als ultimative spielerische Freiheit angepriesen. Dass mit dieser Offenheit auch Nachteile einhergehen, wird dabei oft vergessen: Intensiv erzählen zum Beispiel können lineare Titel wie "The Last of Us" und "Bioshock Infinite" naturgemäß viel besser - deshalb verwandeln sich auch die meisten Open-World-Spiele innerhalb der narrativen Missionen in lineare Sequenzen ohne großen Handlungsspielraum.

Auch scheint sich in den immer größer werdenden erforschbaren Welten oft ein stumpfes "Mehr ist mehr" als Philosophie eingeschlichen zu haben: Die pure Quantität an Beschäftigungsangeboten in Form von Minispielen, Nebenmissionen, optionalen Gameplayelementen und sonstigen Nebenattraktionen macht so manches Mal die in der nebenher laufenden Story herbeibemühte Atmosphäre mit Jahrmarktsflair kaputt: So brenzlig kann etwa in "Far Cry 3" die von der Main-Quest herbeibemühte Situation gar nicht sein, dass sich auf dem Weg zum nächsten Hauptziel nicht noch ein paar Dutzend Blumen pflücken, einige Minispiele erledigen oder noch ein paar Crafting-Ziele erreichen lassen.

927Ah ja. 'Boob physics". Rockstar bemüht sich also doch irgendwie um größeren Realismus.

Was auf den ersten Blick überwältigend scheint - die unglaubliche Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten, die sich Spielern in Los Santos bieten wird -, kann also theoretisch auch zum Verdruss führen - wenn nämlich im Spieler das Gefühl aufkommt, sich nicht in einer lebendigen Welt zu bewegen, sondern von einer extra für ihn aufgebauten Jahrmarktsattraktion zur nächsten zu wanken. Denn mit steigendem Aktivitätsangebot steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Minispielchen nicht unbedingt auf eigenen Füßen stehen könnten: Wie gern und wie oft "GTA"-Spieler in Los Santos dann nämlich Tennis oder Golf spielen werden oder mit Immobilien spekulieren, hängt schlichtweg von der Qualität dieser einzelnen Spielteile ab - und mit spezialisierten Titeln aus dem Sport- oder Tycoonspielgenre wird wohl kaum eine dieser Nebenbeschäftigungen mithalten können.

Mit steigendem Aktivitätsangebot steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Minispielchen nicht unbedingt auf eigenen Füßen stehen könnten

Das Spiel als Hub, also als Plattform und Drehscheibe, von der aus auf unzählige andere, kleinere Spiele zugegriffen wird: Eigentlich ist es eine Vision, wie sie aktuell von Blizzard in den "Twilight Years" von "WoW" versucht wird, in dem hinter den unzähligen neuen Minispiel- und Ablenkungsangeboten das eigentlich klassische "Rollenspiel" fast verschwindet. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang schon von einer für das Genre tödlichen "Casualisierung" des Spielerlebnisses. Ein bisschen erinnert der eingeschlagene Weg an manche Elektronikprodukte aus der nachmitternächtlichen Shopping-TV-Parallelwelt: Ein einziges Wundergerät, das Dutzende andere, nur eine einzige Aufgabe erledigende Geräte als "Universal-Alleskönner" überflüssig macht - aber, das zeigt die bittere Erfahrung, dafür nirgends an die Qualität eines einzelnen Spezialisten heranreicht.

926... okay. Zumindest kann man nicht sagen, dass Rockstar mit seiner Meinung zur Sache schüchtern hinterm Berg hält.

Ein wenig Geduld noch, und dann wird sich weisen, ob Rockstar diese Gratwanderung erfolgreich bewältigen kann, ob die offene Spielewelt von "GTA 5" also nicht nur unglaublich viele, sondern - hoffentlich - auch für sich allein überzeugende Spielerlebnisse bietet, die sich aus unzähligen Kleinteilen zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Was bislang gezeigt wurde, beweist vorerst nur, dass Rockstar seine neueste Sandkiste sehr voll machen wird - hoffentlich ist sie groß genug dafür.

Denn für viele Spieler braucht es dieses Übermaß an Animationsprogramm eigentlich gar nicht: Schließlich ist es schon ein Erlebnis, sich einfach zu Fuß oder im Auto durch Rockstars lebendige Spielewelt zu bewegen, ohne konkretes Ziel, die Sehenswürdigkeiten zu bewundern - und hin und wieder in spektakulär sinnlosen Verfolgungsjagden gegen Polizei und Armee draufzugehen. Ab 17. September steht eine neue Stadt für diese Art des virtuellen Tourismus bereit.

Dieser Artikel erschien zuerst für den Standard.

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