Spiel des Monats: Blood on the Dancefloor
Hotline Miami ist die blutigste Disco der Welt. Grund genug, einmal herunterzufahren und sich dem Soundtrack des Massakers ganz entspannt hinzugeben. Christof, Joe und ich in der freien Assoziation zu den beeindruckendsten Tracks der Reihe. Eat you heart out, Debug- und Spex-Plattenrezensionslyrik.
Urteile wie Stahlkappen in die Niere: die fluppende Agilität des Vorgängers, ersetzt durch Tand und Schwachsinn. Ein Zebra, das Purzelbäume durch Kugelhagel schlägt. Ein Tiger, der alles stehen und liegen lässt für eine gehörige Portion Prügel -- Kinderfasching, allesamt. Und der große, böse Bär, der sein Spielzeug zur Feier mitbringt und gleich wieder zu Boden schmeißt? d e s o l a t. Lahm. Lähmend. Feature-Blähung im Darmgang der Aufwärmindustrie.
...Pauschalurteil, schleich dich. Die Fans, diese Pinguine-von-Madagaskar-Abziehfolie der Droops, Warriors und aller anderen geistesgestörten und geistesstörenden Youth Gangs, ne sont pour toi. Präzisions-Instrumente? Taktangebende Fingerverlängerung ins digitale Schlachthaus?! Nichts da. Nada. Stattdessen: Rausch-Simulatoren, unter gewissen Bedingungen.
Umstände. Die richtigen. Und richtig sind: *Roller Mobster* aus allen Kanälen. Und Transparenz auf allen Seiten. Der zentrale Flur in *Death Wish*, ein kristallenes Nadelöhr ins Verderben, ein Tunnel aus Glas und Schmerz. Auftritt: Der Bär, die rechte Maustaste breitet die Arme aus zum haarigen Schatten eines [insert blasphemisches Bild here] und links und rechts säht er Splitter und The End™. Eine Kugel trifft den Bären, er erhebt sich, beginnt von vorne, wieder, und wieder, und wieder, frontal, frontaler, und plötzlich ist er durch. Die Synthesizer des irren Schreiners sägen immer noch, als der Bär seinen Marsch durch die Glasinstitutionen beendet hat, und sich wie ein Kreisel im leeren Raum dreht. Eine glorreich schwachsinnige Ehrenrunde, wenn es je eine gab. Vigilanten. Nichtsnutze, allesamt. Meinetwegen. Aber dafür? d a f ü r ist die Menagerie wie geschaffen: Rollermobster, of love. Und es verdammts hüere Lädi, dieses Lied. (christof)
Runterkommen. Auschillen. Eeeeaaasy going. *Hotline Miami* ist, aber so was von, zuallererst und überhaupt Ganglien-Tango. Ratatatatatata-Flow auf Beats aus Zuckerbrot und Peitsche, und dieser Sugar, Honey, ist zum Backen nicht geeignet. Schnell, sehr schnell, rasende Hände, die das Gehirn am Rand der Neuronenautobahn anleinen, zum aushungern oder abholen. Und dann, kabumm, ist alles vorbei, und da haben wir den blutigen Salat: Triumph ist anders als Stapfen durch Leichenteile. Vom Sekt zur Introspektion in nur 8 Buchstaben. Und am anderen Ende des Walk of Shames warten Jasper Byrnes auf Elfenfüßchen trippelnde Töne, tröstend. Flüstern leise *Alles ist gut*. Runterkommen. Eeeeeeasy going. Brav gemacht? Dann wird man von Mama *Miami* auch nicht ausgelacht. Stattdessen: da, zack Punkte vor den Latz. Alles gut. Oder nicht. Auf zum nächsten Mal. (christof)
Ob “Ha!” oder “Hä?” ist doch eigentlich egal. Es ist lauter und bunter und brutaler als je zuvor, vielleicht reicht das ja für genügsame Vielfraße und dressierte Zirkustiere. Wenn ich schlitze, steche, schlage und schieße, blutet es dann nicht? Ist es nicht genauso Hot wie die erste Line die wir in Miami gezogen haben? (joe)
Die Tragik entbehrt hier nicht einer unfreiwilligen Wiederholung. Das Murmeltier steigt in seinen Bau hinab und alles fürchtet sich vor seinem Schatten. Atemlos keucht die Endlosschleife. Ist das noch Kreislauf oder ist das schon Stillstand? (joe)
Ruhe und Krieg. Die Zukunft steckt den Kopf in den Sand der Vergangenheit. Tagebücher wütender Männer ohne Eigenschaften. Filmriss im Regiestuhl und das Telefon führt Selbstgespräche. Es muss wieder knallen damit es klingelt! (joe)
Tigerkrallen im Gehörgang kratzen wirre, schrille Muster. Vorwärts, rückwärts, aufwärts, abwärts. Nochmal von vorn. Tiefer, schneller. Der verlorene Faden wird wieder aufgerollt und wo eben noch die Fremdkörper im Fleisch steckten, pocht und zieht nun die blutige Leere. Nochmal von vorn. Die alte Leier wieder aufheben und dem nächsten Schaf im Wolfspelz ins Gesicht schleudern. Nochmal von vorn.
Aber dann! (joe)
Ist es doch mein Gesicht, das zugeknallt und auf den Kopf gestellt wird. Nicht dem Sinn ergeben, denn Sinn macht nichts, als mit dem Vorschlaghammer Urteile ins Schlagzeug zu prügeln. Winnie und Marty und Tony und Donald wollen auf die Bühne. Beim einen Ohr rein, beim anderen wieder raus. Dazwischen ist alles Shakespeare und blutige Abgänge, auch wenn die Vergiftung hier freiwillig war und der Geist die Rache persönlich in die Hand nimmt, bevor er das Blutgold am Ende des Regenbogens einsammelt.
Aber dann!
Ist alles aus, was eigentlich nie angefangen hat. (joe)
Der Gummibandbass treibt uns voran, den Kaugummi in der Fresse, die Sonnenbrille auf der Nase, die Hüfte locker, und dabei sind wir lässiger als Tony Montana, denn *unsere* Version der Achtzigerjahre ist die coole, mit dem wahnwitzigen Morsestakkato als Thema, das uns im Kopfnicken zum chemischen Grinsen bringt, bis die Backenmuskeln schmerzen. Eine Arroganz, die so diamanthart ist, dass sie sich selbst veredelt und alle neidlos anerkennen: Mehr ist nicht, mehr braucht’s nicht, mehr kann es gar nicht geben. Der Tod, vor allem unser eigener, ist bedeutungslos: Wenn’s finster wird, heißt das nicht, dass die Sonne ausgeht, wir sehen sie nur gerade nicht. Onward.
(rainer)
Synapsenpingpong, der Filter als Wegweiser und die Majestät sägezahniger Bassflächen: So sieht der Soundtrack zur Arcade in den Achtzigern in den Träumen all jener aus, die damals prinzipiell nur mit synthetischen Drogen zugedröhnt dort abhingen. Sprich: Das kennt nur eine winzige Zielgruppe aus eigener Erfahrung, alle anderen, wir inklusive, stellen’s uns halt vor. Genau so. (rainer)
Ein Driften, das uns dran erinnert, dass man es gut mit uns meint: Hier ist der safe space, der zugleich von Nachmittagssonne durchflutete und trägen Zigarettenrauchschwaden umwaberte Korbstuhl weit weg von der Bar, mit Blick auf Feierabendverkehr, Menschen, den Strand, Andenkenläden, Diners, und das Gewitter, das alles frisch macht, lässt genau die gerade untergehende Sonne durch und taucht alles in einen Regen aus Diamanten. Die Hände entspannen sich, das Geschäft der Nacht ist weit weg und irgendwie passt das alles schon so.
(rainer)