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Dies ist ein Gastbeitrag von Stefan Simond. Er verachtet seit vielen Jahren leidenschaftlich Videospiele. Neben seinen Ambitionen als Medienwissenschaftler hostet er einen wöchentlichen Podcast auf pixeldiskurs.de.

Ob The Walking Dead, The Witcher oder Dragon Age – die gegenwärtige Spielelandschaft ist geprägt von Titeln, die ihren Spielern ermöglichen, auf den Fortgang der Erzählung Einfluss zu nehmen. In den großen und kleinen Dingen will der moderne Rezipient eigenhändig wählen, wer lebt oder stirbt, welche Beziehung erblüht und ob letztendlich die Welt vom Unheil befreit oder in selbiges gestürzt wird. Das Autorenkollektiv von PAIDIA beschreibt daher einen decision turn, in dessen Zuge spielerische Entscheidungen sich qualitativ verändern. Sie werden komplexer, moralisch ambivalenter und oftmals gibt es überhaupt keine richtige Lösung. Doch inmitten der spielerischen Anforderung, sich entscheiden zu müssen, schlägt heftig der Puls von Titeln, die einen ganz gegensätzlichen Weg einschlagen.

Dies ist ein Gastbeitrag von Thomas Ortsik.

Man lernt eine coole, geeky Frau kennen, die Funken fliegen. Kurz darauf ist sie schwanger und weil das super spannend klingt, heiratet man. Blöd nur, dass sich beim Einzug in die nun gemeinsame Wohnung herausstellt, dass sie einen bis dahin unbekannten verrückten Sohn im Gepäck hat und mit Zwillingen schwanger war. Verantwortung schön und gut, aber mein recht kleines Großstadtappartement platzt sowieso schon aus allen Nähten, und fünf Charaktere zu steuern ist mir dann zu viel Micromanagement. Es war eine schöne Zeit mit dir, Sims 4, aber nun ist der Augenblick gekommen, an dem ich meinen Avatar zum Zigarettenkauf schicke.

Eine Stunde vor Morgengrauen bin ich schon wach. Draußen heult der Sturm, aber hier, in diesem verlassenen Bauernhaus, das ich seit einer Woche mein Heim nenne, hat es luxuriöse fünf Grad Celsius. Alles über dem Gefrierpunkt ist Luxus in The Long Dark, ebenso wie meine Kleidung, die ich in den vier Wochen meines Überlebens in dieser eisigen Wildnis gesammelt oder selbst genäht habe.

Im Dunkel der Morgendämmerung gehe ich nach unten, in die Küche. Überall sind noch die Spuren der ursprünglichen Bewohner zu sehen; gerahmte Bilder hängen an den Wänden, Schubladen sind offen, als hätten die Bewohner schnell gepackt, um zu fliehen. Vielleicht liegen sie irgendwo draußen in der Kälte, steif gefroren, das Gesicht nach unten. Manche der Räume sind inzwischen kahl; die Sessel, Regale und Kästen, die in ihnen herumstanden, habe ich mit meiner Axt zerkleinert und zu Brennholz verarbeitet. Es sind die letzten Tage der Menschheit in The Long Dark, doch die Details der Apokalypse sind unwichtig.

Ende 2011 hat diese Seite das Licht der Welt erblickt, das ist ganz schön lange her in Internetzeit. Einiges hat sich geändert, die Frequenz der Beiträge ist gesunken, ihre Qualität - so hoffe ich - nicht. Das ist auch meinen Mitautoren zu verdanken, denen ich hier mal besonders danken möchte. VGT ist und war immer ein Spaßprojekt, bei dem Freiwilligkeit und eigener Zeitplan ganz zentral waren; das bedeutet auch, dass es keinen strikten Veröffentlichungszwang und -rhythmus gibt. Zum Start des Jahres 2017 diesmal allerdings etwas schon fast rührend Klassisches: ein Strauß an Texten zu den persönlichen "Games of the Year" von meinen Mitautoren Christof Zurschmitten, Joe Köller, Robert Glashüttner, Eugen Pfister und mir selbst. Gutes Neues Jahr!

Im November 2014 war – gerade rechtzeitig für den Weihnachtsverkauf – mit Assassin’s Creed: Unity (Ubisoft Montreal: CA 2014 / PS4 u.A.) das mittlerweile siebente Spiel der nicht enden wollenden Action-Adventure-Spielereihe Assassin’s Creed von Ubisoft erschienen. Nach den Kreuzzügen, der Renaissance, dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem „Goldenen Zeitalter der Piraterie“, war die Rahmenhandlung des digitalen Spiels diesmal in der Hochphase der französischen Revolution in Versailles und Paris angesiedelt, brennende Bastille und Guillotine inklusive. Unity blieb somit Ubisofts Tradition des Geschichtstourismus treu; die SpielerInnen wurden im Laufe des Spiels Zeuginnen und Zeugen ausgewählter historischer Ereignisse wie der Rede König Ludwig des XVI. vor den Etats Géneraux und des Sturms auf die Bastille. Szenen, die zumindest französischen Schulkindern wohlvertraut sein mussten.

Aber vor allem das internationale Spielerpublikum wollte bedient werden: In der fiktionalen Gestalt des Assassinen Arno Dorian begegneten sie deshalb mehreren realen „great men and women“ wie Napoleon Bonaparte, dem Marquis de Sade, dem Comte de Mirabeau und nicht zuletzt Robespierre.

The Last Guardian hat eine Kamera, die zum Davonlaufen ist, Spielmechaniken, die frustrieren, und Grafik- und Physikmacken, die 2016 einfach lächerlich sind. Für mich ist es das Spiel des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts. Ein paar Gedanken über das große Geschenk, das Fumito Ueda seinem Medium und allen Spielerinnen und Spielern gemacht hat.

Dieser Artikel wurde bereits Ende August hier erstveröffentlicht, dann aber wegen Platzierung in der aktuellen WASD depubliziert - nun ist er wieder online. In der Zwischenzeit hat sich sowohl die Aufregung bei manchen ins Hysterische gesteigert als auch das Spiel verändert, mit einem Patch, der die von mir angesprochene "Leere" zum Teil aufzufüllen sucht - schade. An den von mir im Folgenden beschriebenen Kern-Mythen ändert sich daran allerdings wenig.

No Man's Sky war für viele mehr als nur ein Spiel, auf das man sich freut - und ist für sie deshalb auch mehr als eine Enttäuschung wie viele andere. Es hat, so der übliche zornige Tenor aus rechtschaffener Konsumentenbrust, alles versprochen, und nichts gehalten. Ein beinahe unendliches Universum, in dem jeder, wirklich jeder Spieler etwas zu entdecken erwartete, das kein Mensch je zuvor gesehen hat - das war eine Verlockung, die, noch dazu seit Sonys massivem Drehen am Hype-Karussell, bei manchen fast schon religionshafte Ekstase auszulösen vermochte. Dass No Man`s Sky diese zentrale Idee zwar durchaus verwirklicht, geht im Enttäuschungsgeheul der königlichen Kunden fast unter. Denn das ist nun, im Licht all der in dieses kleine, riesige Spiel gesetzten Erwartung, schlicht nicht genug.

Ein paar Notizen. Disclaimer: Gedankliche Spaziergänge wie der folgende machen No Man’s Sky nicht unbedingt zum gelungenen Spiel; sie entwerten auch nicht die Kritik, weder die beleidigt-infantile, noch die durchaus differenzierte.

Das beste Games-Bookazine der Welt ist zehn Ausgaben alt, und die soeben erschienene Jubiläumsnummer sei jedem Spielefreund und insbesondere jedem VGT-Leser wärmstens ans Herz gelegt. Nicht vom Thema - "Game over: Tod in Spielen" - abschrecken lassen, die WASD ist wieder einmal ein großes Lesevergnügen. Und nein, das sage ich nicht nur, weil ich mitschreibe und auch in der Redaktion mitarbeite. Hier bestellen!

Im Leben gerne verdrängt, im Spiel allgegenwärtig: Die WASD Nr. 10 dreht sich um den Tod. Namhafte Autorinnen und Autoren versuchen herauszufinden, welche Funktion Sterben im Computerspiel hat, streiten über Permadeath und geben Tipps, wie man trotz ungesundem Hobby möglichst lange am Leben bleibt. Die zehnte WASD ist traurig, berührend und trotzdem optimistisch.

Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören – daher feiert diese Kolumne am ersten Montag im Monat Dezember nach zwei Jahren einen letzten Modtag. Thema des folgendes Textes ist im Gegensatz dazu aber wieder der Umstand, dass es zwar zum einen tausende Mod-Projekte gibt, die mit großen Versprechungen starten und dann nach kurzer Zeit eingestellt werden, zum anderen aber auch einige Spielerweiterungen, die in jahr(zehnt!)elanger Entwicklung Beeindruckendes erschaffen…

#25 – Mafia Titanic Mod

Wenn im altehrwürdigen ORF-Kulturmontag Games zur Sprache kommen, ist das eigentlich ein Grund zur Freude, umso mehr, wenn im Artikel zum Beitrag diese Seite verlinkt wird. Mit dem TV-Beitrag selbst habe ich allerdings weniger Freude, und das hat mehrere Gründe - ohne den Machern zu nahe treten zu wollen, ist "gut gemeint" oft das Gegenteil von "gut". Wenn auf die Feststellung, dass 46 % der Menschen Videospiele spielen, zehn Minuten altbekannte Ratlosigkeit folgen, denen die Distanz zum Thema in jeder Sekunde anzumerken ist, schmerzt das ebenso sehr wie es verwundert.

Vielleicht fragt sich ja der eine oder andere hier Gelandete, was diese so zu Link-Ehren gekommene Seite anderes zu den angesprochenen Themen zu sagen hätte, und aus diesem Grund hier ein paar Links, die vielleicht darauf Antworten geben können.


Gewalt in Videospielen

Gewalt im Zeitalter ihrer virtuellen Reproduzierbarkeit

Zur Faszination virtueller Gewalt

Militainment


Warum wir spielen

Spielen als Normalität

100 Stunden Lebenszeitverschwendung

Was mache ich hier


Wie kann man anders über Spiele reden/schreiben, so dass auch das Publikum des Kulturmontag etwas davon hat? Vielleicht so

Workification: Wenn Spielen zur Arbeit wird

Idealer Leser im Todeslabyrinth

In-game-Fotografie: Kunst und Copyright

Zombies, kalter Krieg und meine Großmutter

(Unter dem Tag Essays findet sich übrigens noch mehr Lesestoff aus über vier Jahren VGT.)


Und aus leider gegebenem Anlass:

Das Problem mit Artikeln/Sendungen, die Videospiele nur halb ernst nehmen


Nein, das ist kein Angriff auf die ORF-Kollegen, die für diesen Beitrag verantwortlich sind. Stattdessen ist dies ein Aufruf, das inzwischen gar nicht mehr so junge und obskure Medium auf Augenhöhe wahrzunehmen. Denn zu sagen gäbe es darüber wahrlich genug - auch von Institutionen wie dem Kulturmontag.