Essay

Eine Stunde vor Morgengrauen bin ich schon wach. Draußen heult der Sturm, aber hier, in diesem verlassenen Bauernhaus, das ich seit einer Woche mein Heim nenne, hat es luxuriöse fünf Grad Celsius. Alles über dem Gefrierpunkt ist Luxus in The Long Dark, ebenso wie meine Kleidung, die ich in den vier Wochen meines Überlebens in dieser eisigen Wildnis gesammelt oder selbst genäht habe.

Im Dunkel der Morgendämmerung gehe ich nach unten, in die Küche. Überall sind noch die Spuren der ursprünglichen Bewohner zu sehen; gerahmte Bilder hängen an den Wänden, Schubladen sind offen, als hätten die Bewohner schnell gepackt, um zu fliehen. Vielleicht liegen sie irgendwo draußen in der Kälte, steif gefroren, das Gesicht nach unten. Manche der Räume sind inzwischen kahl; die Sessel, Regale und Kästen, die in ihnen herumstanden, habe ich mit meiner Axt zerkleinert und zu Brennholz verarbeitet. Es sind die letzten Tage der Menschheit in The Long Dark, doch die Details der Apokalypse sind unwichtig.

Im November 2014 war – gerade rechtzeitig für den Weihnachtsverkauf – mit Assassin’s Creed: Unity (Ubisoft Montreal: CA 2014 / PS4 u.A.) das mittlerweile siebente Spiel der nicht enden wollenden Action-Adventure-Spielereihe Assassin’s Creed von Ubisoft erschienen. Nach den Kreuzzügen, der Renaissance, dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem „Goldenen Zeitalter der Piraterie“, war die Rahmenhandlung des digitalen Spiels diesmal in der Hochphase der französischen Revolution in Versailles und Paris angesiedelt, brennende Bastille und Guillotine inklusive. Unity blieb somit Ubisofts Tradition des Geschichtstourismus treu; die SpielerInnen wurden im Laufe des Spiels Zeuginnen und Zeugen ausgewählter historischer Ereignisse wie der Rede König Ludwig des XVI. vor den Etats Géneraux und des Sturms auf die Bastille. Szenen, die zumindest französischen Schulkindern wohlvertraut sein mussten.

Aber vor allem das internationale Spielerpublikum wollte bedient werden: In der fiktionalen Gestalt des Assassinen Arno Dorian begegneten sie deshalb mehreren realen „great men and women“ wie Napoleon Bonaparte, dem Marquis de Sade, dem Comte de Mirabeau und nicht zuletzt Robespierre.

The Last Guardian hat eine Kamera, die zum Davonlaufen ist, Spielmechaniken, die frustrieren, und Grafik- und Physikmacken, die 2016 einfach lächerlich sind. Für mich ist es das Spiel des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts. Ein paar Gedanken über das große Geschenk, das Fumito Ueda seinem Medium und allen Spielerinnen und Spielern gemacht hat.

Dieser Artikel wurde bereits Ende August hier erstveröffentlicht, dann aber wegen Platzierung in der aktuellen WASD depubliziert - nun ist er wieder online. In der Zwischenzeit hat sich sowohl die Aufregung bei manchen ins Hysterische gesteigert als auch das Spiel verändert, mit einem Patch, der die von mir angesprochene "Leere" zum Teil aufzufüllen sucht - schade. An den von mir im Folgenden beschriebenen Kern-Mythen ändert sich daran allerdings wenig.

No Man's Sky war für viele mehr als nur ein Spiel, auf das man sich freut - und ist für sie deshalb auch mehr als eine Enttäuschung wie viele andere. Es hat, so der übliche zornige Tenor aus rechtschaffener Konsumentenbrust, alles versprochen, und nichts gehalten. Ein beinahe unendliches Universum, in dem jeder, wirklich jeder Spieler etwas zu entdecken erwartete, das kein Mensch je zuvor gesehen hat - das war eine Verlockung, die, noch dazu seit Sonys massivem Drehen am Hype-Karussell, bei manchen fast schon religionshafte Ekstase auszulösen vermochte. Dass No Man`s Sky diese zentrale Idee zwar durchaus verwirklicht, geht im Enttäuschungsgeheul der königlichen Kunden fast unter. Denn das ist nun, im Licht all der in dieses kleine, riesige Spiel gesetzten Erwartung, schlicht nicht genug.

Ein paar Notizen. Disclaimer: Gedankliche Spaziergänge wie der folgende machen No Man’s Sky nicht unbedingt zum gelungenen Spiel; sie entwerten auch nicht die Kritik, weder die beleidigt-infantile, noch die durchaus differenzierte.

Der folgende Essay ist ein Gastbeitrag von Arno Görgen. Er lehrt und forscht am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Bei Twitter findet man ihn als @pachukipachuki.

Dr. Klein, Mediziner aus der Erweiterung „Old World Blues“ von Fallout: New Vegas (2010), ist einer von sechs Brainbot-gewordenen Wissenschaftlern, die sich im Big MT – wahlweise zu lesen als „Big Mountain“ oder als „Big Empty“ – in einer großen Forschungseinrichtung abgeschottet von der Umwelt ihren Studien hingeben. Diese Abschottung führt so weit, dass ihr dort gewonnenes Wissen nur noch um sich selbst kreist und nach und nach den Bezug zur Realität verliert, so dass beispielsweise Dr. Klein Finger nur noch als Penisse identifizieren kann: “What illogic is this?! Keep your filthy penis-tipped feet out of our labs and secrets!”

Eine Wissenschaft, die nur im Elfenbeinturm stattfindet und nur sich selbst dient, ist offensichtlich nutzlos – daher auch das Leben im Big Empty.

Dieser Essay erschien zuerst in der WASD9 und im Anschluss auf Wired.de

Videospiele sind Widerstand. Sie stemmen sich gegen ihre Spieler, fordern zur Überwindung heraus und sind gemacht, um nach eigenen Regeln erfahren zu werden. Die Spiele von Hidetaka Miyazaki – Demon’s Souls, die Dark Souls-Reihe und Bloodborne – verlangen ihren Spielern auf mehreren Ebenen alles ab – und eine davon, die erzählerische, lässt sich nur von denen in ihrer Größe wahrnehmen, die sich lange nach der Meisterung ihrer legendär strengen Spielmechanik in ein ganz anderes Labyrinth herabwagen, das jenseits der fordernden Kämpfe und komplexen Rollenspielelemente liegt.

Anders gesagt: Wer den dunklen und letztlich rätselhaften Ereignissen der Erzählung dieser Spiele folgen will, muss mehr überwinden als Gegner, Umwelt und die eigene Frustrationstoleranz.

Dieser Essay erschien zuerst für den GameStandard

Wir leben in einer “Hochleistungsgesellschaft”. Effizienz hat höchste Priorität, und wer seine Ressourcen nicht “richtig” nutzt, verschwendet sie. Die moderne Welt ist - auch dank Vernetzung und Globalisierung - ein Ort, an dem (Arbeits-)Leistung und die Identifikation mit seinem Beruf gesellschaftlich immens wichtig sind. Dass die Beschäftigung mit Computerspielen dabei von vielen immer noch verächtlich als “Lebenszeitverschwendung” geringgeschätzt wird, steht ihrem weltweiten Erfolg entgegen. Mehr Menschen als je zuvor verbringen ihre arbeitsfreie Zeit mit Computerspielen. Zeitverschwendung, ganz abseits des Effizienzdrucks des “richtigen” Lebens, ist offenbar ein Luxus, der geschätzt wird.

Volker Dohr war schon ein paar Mal auf VGT zu Gast. Diese Mal meldet er sich zum Thema "Doom" zu Wort.

Etwa alle zehn Jahre kommt eine neue Classic-Rock-Band um die Ecke, die absolut nichts Neues liefert oder zumindest nichts, das in dieser Form nicht schon einmal da gewesen wäre - aber komischerweise genau dafür gefeiert wird. Weshalb? Sie erinnert die Höhrerschaft an eine hoffnungslos romantisierte “Gute alte Zeit” (vermutlich meist in der Jugend oder den post-Studium-prä-verheirateten 20er Jahren gelegen), klingt genauso altbacken und ruft in Erinnerung, dass es heute eine gefühlte Seltenheit wurde, dass es “handgemachte, ehrliche” Musik gibt, wo doch alle die Genres mischen, ständig irgendwelche neuen Stile auftauchen und Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Solo-Refrain-Ende niemand mehr macht. Man hört diesen musikalischen Anachronismus und mag für fünf Minuten dran glauben, dass Rockmusik nie sterben wird. “Doom” ist genau das in Spieleform geworden.

Bridging Worlds is artist Eron Rauch’s ongoing series of in-depth articles on the curious places of connection between video games, contemporary art, and culture. This is the final part of a his long-form essay on workification.

Part 4: The Garden Of Digital Delights

In past installments of Workified Games I’ve looked at ways that video games, their fans, and their creators have been inundated by workaholic tendencies. In part three, I proposed that leisure could be a new ideal that could help inspire us escape the mire of workification. But lest this sound like an outsider being preachy and this series get pegged as some sort of partisan argument, I want to acknowledge that much of what I’ve been saying has been and remains part of video game fan folk wisdom across genres and communities. After all, what Animal Crossing player hasn’t cursed out Tom Nook at some point for being a loan shark/raccoon? What WoW player hasn’t grumbled about doing endless dailies to earn reputation? What Final Fantasy 8 player didn’t grumble about the bullshit way dungeon speed equates to gold earned? What young Minecraft player hasn’t been frustrated by having to burn a huge amount of time searching ever deeper for a rare material to build their whimsical castle? What Destiny player hasn’t griped about the other people on repetitious runs being like abusive coworkers?

Bridging Worlds is artist Eron Rauch’s ongoing series of in-depth articles on the curious places of connection between video games, contemporary art, and culture. This is part three of four of a long-form essay on workification.

Part 3: A Celebrating Spirit

The last installment of Workified Games explored how the tendencies to fetishize work in video games overlap deeply with definitions of workaholism. I also talked about how the moral mandate to be constantly productive permeates contemporary Western society, especially the technology sector. But what then precisely is the problem with video games’ focus on work? What is lost because of this obsession with accomplishment? After all, unless you’re of the radical anarchist mindset of Bob Black’s infamous call for “full unemployment,” most people, myself included, find doing a good job at work deeply fulfilling.